Im Rekordtempo will die EU die erst in der vergangenen Woche vorgelegten Budgetpläne der neuen französischen Regierung in dieser Woche billigen. Nachdem die EU-Kommission die noch nicht endgültigen Pläne von Premierminister François Bayrou sehr zügig geprüft und anschließend durchgewunken hat, sind ihr gegen Ende der vergangenen Woche auch die Vertreter der Mitgliedstaaten gefolgt. Damit können die EU-Finanzminister schon auf ihrem Treffen an diesem Dienstag in Brüssel endgültig beschließen, dass der für dieses Jahr geplante französische Haushalt nicht gegen die EU-Budgetregeln verstößt.
Mit Widerstand gegen diese ungewöhnlich schnelle Entscheidung der Minister sei nicht zu rechnen, hieß es in Brüssel. Die EU lässt die Regierung in Paris damit bis auf Weiteres in Ruhe. Das im Juni 2024 eingeleitete Defizitverfahren gegen Frankreich wird faktisch eingefroren. Die Eckdaten des neuen Pariser Plans unterscheiden sich von jenen des unter Bayrous Vorgänger Michel Barnier vorgelegten Budgets nur unwesentlich, obwohl sich die ökonomischen Rahmenbedingungen aktuell auch in Frankreich verschlechtert haben. Barnier war im Dezember gestürzt worden.
Rückenwind aus Brüssel kommt gelegen
Für dieses Jahr kalkuliert Finanzminister Eric Lombard mit einem Staatsdefizit von 5,4 Prozent der Wirtschaftsleistung, während im von der Regierung Barnier im Oktober eingereichten Plan von 5,0 Prozent die Rede war. Im vergangenen Jahr betrug das Staatsdefizit nach vorläufigen Zahlen 6,1 Prozent.
Wie ihre Vorgängerin will die aktuelle Regierung das Defizit bis 2029 wieder unter den Maastrichter Referenzwert von 3 Prozent drücken. Gelänge ihr das, erfüllte sie eine der Vorgaben der im vergangenen Jahr reformierten EU-Budgetregeln, die einen auf vier Jahre angelegten „Ausgabenpfad“ vorschreiben. Bislang sind noch keine Details dieses Ausgabenpfads für die Jahre bis 2029 bekannt.
Nach Einschätzung von Diplomaten will die EU mit einer zügigen und möglichst lautlosen Billigung der französischen Budgetpläne verhindern, dass die aktuell fragile politische Situation in Frankreich durch eine Brüsseler Intervention noch weiter destabilisiert wird. Der Regierung Bayrou sei der gute Wille nicht abzusprechen, hieß es in Brüssel. Haushaltsministerin Amélie de Montchalin hatte in der vergangenen Woche für das laufende Jahr angekündigt, das Defizitziel von 5,4 Prozent der Wirtschaftsleistung solle über Ausgabenkürzungen von 32 Milliarden Euro und Mehreinnahmen von 21 Milliarden Euro erreicht werden.
Den Rückenwind aus Brüssel kann die Regierung in Paris in der Tat gut gebrauchen, denn der Erfolg ihrer Konsolidierungsbemühungen ist mangels Parlamentsmehrheit ungewiss. Das Ringen um Frankreichs Sparhaushalt ist noch lange nicht beendet, und in den vergangenen Tagen wurde deutlich, dass der „Nichtangriffspakt“ mit den oppositionellen Sozialisten der Regierung Bayrou milliardenschwere Zugeständnisse abverlangen dürfte.
Konjunkturfachleute sind noch pessimistischer
Die wirtschaftliche Eintrübung und das daraus resultierende Steuerminus erschweren die Sanierung der Staatsfinanzen zusätzlich. Statt 1,1 erwartet die französische Regierung nun nur noch 0,9 Prozent Wachstum in diesem Jahr. Viele Konjunkturfachleute sind wegen des unsicheren Investitionsumfeldes noch pessimistischer. Bis zum Jahr 2029 will in Paris vor diesem Hintergrund ohnehin niemand planen.
Verabschieden will die französische Regierung das Haushaltsgesetz, das ein aktuelles Provisorium ersetzt, bis Ende Februar. Dann wird sich etwas genauer sagen lassen, ob die zweitgrößte EU-Volkswirtschaft wirklich einen Pfad zur Defizitreduktion einschlägt. Die Halbwertszeit der bisherigen Finanzplanungen war allerdings begrenzt, und wegen der anhaltend fragilen innenpolitischen Lage droht das auch für das neue Zahlenwerk aus Paris zu gelten. Abermalige vorgezogene Parlamentswahlen, die klarere Mehrheitsverhältnisse schaffen könnten, erlaubt die französische Verfassung frühestens im Sommer dieses Jahres.
Optimismus schöpft man in Paris aus dem Umstand, dass neben Brüssel auch die Anleihemärkte wieder etwas mehr Vertrauen in die französische Haushaltspolitik zu haben scheinen. Der Risikoaufschlag auf französische Staatsanleihen im Vergleich zu den als sehr sicher geltenden deutschen Papieren ist in den vergangenen Tagen leicht gesunken.