Scholz über Ukrainehilfe: „Wer bezahlt die Rechnung?“

18

Am Tag der Amtseinführung von Donald Trump macht Olaf Scholz deutlich, dass Deutschland an seinen Prinzipien festhalten muss. Die Vereinigten Staaten seien die „mächtigste Demokratie der Welt und unser mächtigster Verbündeter“, sagt der Kanzler am Montag im Gespräch mit Lesern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die zu einer Reihe mit Spitzenkandidaten eingeladen hat. Man sei tief mit dem Land verbunden, so Scholz weiter.

Es sei wichtig, an dem Wunsch festzuhalten, gute Beziehungen zu haben und gleichzeitig einen „geraden Rücken“. Scholz erinnert daran, dass er nach Trumps Äußerungen über Grönland die Unverletzlichkeit von Grenzen betont hatte. Am Montag ergänzt er, man könne nicht ein kleines Land wie Dänemark alleinlassen und könne und dürfe auf den eigenen Prinzipien bestehen. Europa sei „ja jetzt auch nicht klein“. Wenn man wegen der Unverletzlichkeit der Grenzen weltweit um Unterstützung für die Ukraine werbe, müsse die Unverletzlichkeit von Grenzen auch weltweit gelten.

Damit ist der Kanzler beim Ukrainekrieg. „Ich rechne nicht mit einem unmittelbaren Einbruch der Ukraineunterstützung der USA in der nächsten Zeit“, sagt er. Wie es auf lange Sicht sein werde, werde man sehen. Das habe auch damit zu tun, dass Trump sich vorgenommen habe, bald eine Verständigung und eine Lösung des Konfliktes herbeizuführen und darüber auch mit dem russischen Präsidenten zu sprechen. Es müsse das Ziel sein, dass das nicht über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer und über Europa hinweg geschehe.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und F.A.Z.-Herausgeber Berthold Kohler am Montag in Frankfurt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und F.A.Z.-Herausgeber Berthold Kohler am Montag in FrankfurtLucas Bäuml

Auch zur innerdeutschen Debatte über zusätzliche Ukrainehilfen in Höhe von drei Milliarden Euro äußert sich Scholz. F.A.Z.-Herausgeber Berthold Kohler, der die Veranstaltung moderiert, will wissen, ob es stimme, dass Scholz der „Bremser“ sei. „Zunächst mal: Es ist mein Vorschlag“, sagt Scholz.

Im November vergangenen Jahres habe er gesagt, er wolle, dass ein Beschluss gefasst werde, um der Ukraine für das Jahr 2025 mit 15,5 Milliarden Euro – 12,5 Milliarden, die im Haushaltsentwurf schon veranschlagt waren, plus weitere drei Milliarden – zu helfen. Man müsse aber auch sagen, wo das Geld herkommen solle. Sein Vorschlag sei: durch Kredite.

Wer das nicht wolle, müsse sagen, wie er es anders machen wolle. Wie es gehen solle, habe er vielleicht schon 2023 in der Koalition zur Entscheidung bringen müssen. Jetzt habe er das Gefühl, das deutsche Volk werde „belogen“. Auf die Frage, von wem, sagt Scholz: „Von allen, die sich darum bemühen, auszuklammern, wie bezahlen wir es.“ Solle bei den Renten, beim Geld für Kommunen und bei Investitionen gekürzt werden? Es werde stattdessen gelogen und nicht darüber diskutiert, „obwohl das vielleicht die entscheidende Debatte Deutschlands sein könnte: Wer bezahlt die Rechnung?“ Sein Vorschlag sei, die Lücke durch einen Überschreitungsbeschluss zu füllen.

Auf die Frage, wie stabil das Rentensystem sei, antwortet Scholz, dass lange unterschätzt worden sei, wie hoch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sein würde. Sie sei so hoch wie nie und müsse hoch bleiben. Dazu müsse der Übergang von der Schule in den Beruf besser werden, Deutschland müsse aufhören, „eines der familienfeindlichsten Länder in Europa zu sein mit keiner Verlässlichkeit bei Krippe, Kita und Schule“. Außerdem wünsche er sich, dass Unternehmen auch 61-Jährige einstellten. Viertens brauche man Arbeitskräfte aus anderen Ländern.

Bundeskanzler Olaf Scholz verabschiedet sich am Montag von den Gästen im Redaktionsgebäude der F.A.Z.
Bundeskanzler Olaf Scholz verabschiedet sich am Montag von den Gästen im Redaktionsgebäude der F.A.Z.Lucas Bäuml

Scholz bemüht sich, Zuversicht zu verbreiten. Mit Blick auf seine Erfolgschancen angesichts der Umfragen sagt er: „Ich habe es ja schon mal geschafft.“ Er zähle nicht zu den Leuten, die schnell aufgäben. Das helfe auch, lange durchzuhalten. „Das ist etwas, worauf sich alle verlassen können.“ Deutlich und denkbar knapp ist seine Antwort auf die Frage, ob er bereitstünde, Kabinettsmitglied zu werden, wenn Friedrich Merz (CDU) Kanzler würde: „Nein“.

Eine Leserin will wissen, warum Scholz als Kanzler „so selten sichtbar“ gewesen sei. Das sei eine Frage, sagt Scholz, die er sich auch stellen müsse und einige andere auch. Die Bürgergespräche, die er führe, verliefen völlig anders als die öffentlichen Diskurse. Die würden „ein bisschen vom Klatsch in der Politik bestimmt“. Die Frage „Worum geht’s“ komme oft gar nicht vor.

Scholz geht auch auf die Frage ein, wie dem Aufstieg extrem rechter Parteien zu begegnen ist. „Ich glaube, es hat ein bisschen was damit zu tun, dass wir eben die reichen Länder sind und dass sich nicht alle so sicher sind, ob die Zukunft mit uns ist, wenn Milliarden Menschen es auch gut haben“, sagt Scholz. Er glaube, das werde unterschätzt, und die vielen Veränderungen, die stattfänden, stressten zusätzlich und machten empfänglich für die „Sumpfblüten“.

Nur das seien die extrem rechten Parteien. Sie seien giftig, indem sie behaupteten, die Vergangenheit sei einfach nur gut und dahin könne man zurückkehren, und indem sie Menschen gegeneinanderstellten. Da müsse man „hart dagegenhalten“, sich aber in dieser Haltung nicht dazu verführen lassen, Probleme nicht anzusprechen oder zu lösen.

Scholz nennt die Migration als Beispiel. Abschiebungen müssten durchgesetzt, die Grenzen kon­trolliert, irreguläre Migration stark gedrosselt werden. Das habe er durchgesetzt. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sagt Scholz aber auch: „Wir müssen also unsere Offenheit erhalten, damit wir unseren Wohlstand erhalten.“