Forschung schlägt Wirtschaft und Politik

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Die gute Nachricht zuerst: Der Optimismus ist auf der Welt noch nicht gänzlich verschwunden. Vor allem, wenn es um die Aussichten für Forschung und Technologie geht. Das ist eines der Ergebnisse einer globalen Befragung in 13 Ländern mit mehr als 13.000 Teilnehmern, deren Ergebnisse auf dem Weltwirtschaftsforum vorgestellt werden.

„Wie die Gesellschaft über bahnbrechende Forschung nachdenkt“, haben sich Leaps, die Risikokapitalgesellschaft von Bayer, und die Boston Consulting Group gefragt und die Marktforscher von Ipsos beauftragt, dies für sie mit der Umfrage herauszufinden. Der F.A.Z. liegen die Studienergebnisse vorab vor.

Viel Optimismus in Nigeria

Grundsätzlich erwarten die Umfrageteilnehmer von Forschung und Technologie eine positivere Wirkung für die Welt, als es etwa für die wirtschaftliche Entwicklung oder die internationalen Beziehungen der Fall ist. 72 Prozent der Befragten, die aus allen Kontinenten (außer der Antarktis) kommen, blicken auf die Forschung optimistisch, für Wirtschaft sind es weniger als 40 Prozent und von den internationalen Beziehungen und der Politik erhofft sich nicht einmal jeder Dritte etwas Positives.

Gleichwohl gibt es starke Abweichungen in den befragten Ländern, wobei die Menschen in Staaten mit niedrigen bis (oberen) mittleren Einkommen viel positivere Erwartungen an Forschung und Entwicklung haben als Länder mit hohem Einkommen: In Nigeria sind 94 Prozent der Befragten optimistisch gestimmt, in Japan ist es weniger als die Hälfte.

Wenn es um konkrete Forschungsfelder geht, unterscheiden sich die Meinungen über alle Länder hinweg stark über das jeweilige Potential der Technologie. Während fast drei Viertel der Befragten grundsätzlich optimistisch zu Zell- und Gentechnik stehen, finden nur etwas mehr als zwei Drittel es gut, wenn Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen eingesetzt wird. Genom-Editierung von Saatgut, um Züchtung und Pflanzenschutz zu verändern, sieht etwas mehr als die Hälfte der Befragten positiv. Fleisch, das aus Muskelzellen im Labor gewonnen wird, hingegen stehen nur noch 39 Prozent positiv gegenüber.

Wo KI besonders kritisch gesehen wird

Erkennbar ist auch eine erhöhte Skepsis mit steigendem Alter in allen vier Forschungsfeldern: Junge Menschen stehen der Technologie grundsätzlich offener gegenüber, die Generation der Babyboomer hingegen hat die meisten Vorbehalte. Es gibt nicht nur Unterschiede in den Generationen, auch über die befragten 13 Länder hinweg gibt es deutliche Abweichungen darin, wie der Nutzen von bestimmten Anwendungen gesehen wird. Sind in China 85 Prozent der Befragten der Meinung, dass Ärzte Künstliche Intelligenz benutzen sollten, um die Ergebnisse in ihre medizinische Behandlung einfließen zu lassen, sind es in den Vereinigten Staaten nur 50 Prozent. Auch Deutschland gehört mit einer Zustimmungsrate von 59 Prozent eher zu den skeptischen Ländern (siehe Grafik).

Künstliche Intelligenz wird tendenziell dort am kritischsten gesehen, wo die Einflüsse schon am stärksten sichtbar sind. In den USA wird mit Abstand der meiste Umsatz mit KI in der Branche erzielt: Mehr als 950 medizinische Geräte, die mit dieser Technologie ausgestattet sind, wurden von der Gesundheitsbehörde FDA dort mittlerweile genehmigt. Die hohe Zustimmung in einem Land wie China könnte mit der generellen Gewohnheit an eine umfassende Überwachung und Datenerhebung zusammenhängen. Andere Länder mit eher mittleren Einkommen stehen KI den Studienautoren zufolge eher positiv gegenüber, weil sie sich besonders große Wachstumschancen für die Wirtschaft davon versprechen.

In westlichen Ländern ist Misstrauen in Institutionen viel ausgeprägter

Als Pharma- und Agrarchemiekonzern ist Bayer und sein Risikokapitalarm ­Leaps in allen vier abgefragten Forschungsfeldern tätig – und hat daher naturgemäß auch ein Interesse an einer höheren Akzeptanz in der Gesellschaft. Für forschende Unternehmen wie Regulatoren gibt die Erhebung aber einige Signale: So sagt mehr als jeder zweite der 13.111 Befragten, dass sie überfordert seien von der Information zu Nahrung und Gesundheit. Grundsätzlich ist die Skepsis höher, je weniger die Befragten über bestimmte Technologien wissen oder zu wissen glauben.

„Auf der einen Seite müssen wir darüber sprechen, welche Vorteile es gibt“, sagt Bayers Cheflobbyist Matthias Berninger. „Auf der anderen Seite müssen wir so kommunizieren, dass die Menschen sich davon nicht überfordert fühlen.“ Dabei gehe es um eine Balance und darum, die Vorteile von Forschung nicht zu übertreiben. Denn, das zeigt die Studie ebenfalls, nur 40 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Unternehmen in ihren Forschungsfortschritten transparent über Risiken und Möglichkeiten berichten.

In der Befragung zeigt sich zudem, wie wichtig der Faktor Vertrauen ist und wie sich das auf die Erwartung an Forschungsfortschritte auswirkt. In westlichen Ländern ist ein Misstrauen in Institutionen viel ausgeprägter – was sich in einem höheren Pessimismus niederschlägt. „Wir wissen, dass die Bewältigung der größten Herausforderungen der Welt mehr erfordert, als nur in transformative Technologien zu investieren“, sagt deshalb Jürgen Eckhardt, Leiter von ­Leaps. Es gehe darum, „gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen“.