Europa muss sich für scharfen Wettbewerb rüsten

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Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat vor der Gefahr eines globalen Wettlaufs hin zu einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale gewarnt. „Mit zunehmender Konkurrenz werden wir wahrscheinlich weiterhin einen häufigen Einsatz von Wirtschaftsinstrumenten wie Sanktionen, Exportkontrollen und Zöllen erleben“, sagte von der Leyen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „In diesem Sinne müssen wir zusammenarbeiten, um einen globalen Wettlauf nach unten zu vermeiden.“ Es liege in niemandes Interesse, die Bindungen in der Weltwirtschaft zu zerstören. Den neuen US-Präsidenten Donald Trump erwähnte von der Leyen in ihrem Vortrag namentlich nicht.

Trump hatte am Vorabend nach seiner Vereidigung unter anderem angeordnet, dass die Vereinigten Staaten aus dem Klimaschutzabkommen von Paris austreten und die Einigung im Rahmen der OECD auf eine Mindestbesteuerung für globale Unternehmen aufgekündigt. „Das Ganze verheißt nichts Gutes für eine offene, regelbasierte Weltwirtschaft“, sagte Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Trump drohte mit Importzöllen, äußerte sich zur EU aber gesprächsbereit.

Die EU könnte um Zölle herumkommen, wenn sie sehr viel Öl und Flüssiggas von Amerika kaufe, sagte er. Ökonomen sehen Spielraum für Verhandlungen. „Der Inflationsdruck in den USA ist immer noch massiv. Es gibt gute ökonomische Gründe, dass Trump die Zollpolitik deshalb nicht so hart verhandeln wird“, sagte Achim Wambach, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW. Importzölle würden viele Güter in Amerika verteuern.

Die enge Verbindung zwischen den USA und der EU

Die EU ist bereit, mit den USA schnell und konstruktiv über Handelsfragen zu sprechen. „Keine großen Volkswirtschaften sind so eng miteinander verbunden wie die EU und die Vereinigten Staaten“, sagte von der Leyen. Der Handel zwischen diesen beiden Blöcken entspreche 30 Prozent des Welthandels. „Nicht jedem in Europa mag die neue Realität gefallen, aber wir gehen mit dieser Realität um“, sagte sie mit Blick auf Trump.

Zu unverrückbaren europäischen Prinzipien zählte von der Leyen die Bedeutung der Pariser Klimaziele und die Offenheit für Handel mit möglichst vielen Ländern. Sie sprach sich für eine weiterhin enge Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China aus, mit der sich die Handels- und Finanzbeziehungen noch vertiefen könnten. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schließe nicht aus, dass in Handelskonflikten auch Zölle erhoben würden, betonte von der Leyen.

Der stellvertretende chinesische Ministerpräsident Ding Xuexiang plädierte auf dem Weltwirtschaftsforum für ein Festhalten an der Globalisierung und einer multilateralen Weltwirtschaftsordnung. „Handel ist kein Nullsummenspiel“, sagte Ding. „Handelskriege kennen keine Gewinner.“ China habe das Niveau seiner Zölle in den vergangenen Jahren gesenkt. Den Handelsüberschuss wolle man mit mehr Einfuhr hochwertiger Güter und Dienstleistungen ausgleichen. Für die Volksrepublik sagte Ding in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5 Prozent voraus.

Aussicht auf einen härteren Standortwettbewerb

Derweil warnen Ökonomen, dass unter Trump der Standortwettbewerb mit Amerika härter werde. „Trump macht schon sehr viel für den Standort“, sagte Wambach. „Die Energiepreise werden in den USA durch den Ausstieg aus dem Klimaabkommen und mit der Ausweitung der Öl- und Gasförderung noch günstiger. Es wird für viele Unternehmen noch attraktiver, dort zu investieren.“ Er verwies zugleich darauf, dass Amerika für Unternehmen, die in Klimatechnik investierten, unattraktiver würden.

„Statt sich an Präsident Trump abzuarbeiten, müssen wir selbst besser werden“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die EU und Deutschland müssten sich darauf konzentrieren, die heimische Wirtschaft zu stärken. Trumps Rede sei „eine Aufforderung, sich wieder auf die eigenen Stärken zu besinnen“.

Ein Teil des Standortwettbewerbs ist auch Amerikas Abschied aus dem OECD-Abkommen über eine Mindestbesteuerung für globale Unternehmen. „Aus der Steuereinigung auszusteigen heißt, die Unternehmenssteuern in den Vereinigten Staaten noch weiter zu senken“, sagte Wambach. „Für Europa und insbesondere für Deutschland ist das ein klares Signal, dass man hier auch agieren muss.“ In dem Abkommen haben sich fast 140 Staaten auf eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf international tätige Unternehmen verpflichtet. Amerika hatte das Abkommen nie rechtlich umgesetzt. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte, Europa habe mit seiner Mindestbesteuerung von 15 Prozent nun ein großes Problem. Ein Zollschock blieb in Washington vorerst aus.

Höhere Zölle auf Waren aus den Nachbarländern schon bald

Trump ordnete Untersuchungen der Handelsdefizite sowie der Handels- und Zollpolitik an und will bis zum 1. April Berichte über geeignete Gegenmaßnahmen haben. Unabhängig davon drohte er Zölle von 25 Prozent auf die Einfuhr aus Kanada und Mexiko vom 1. Februar an, weil diese die illegale Einwanderung in die USA und den Schmuggel des Rauschgiftes Fentanyl nicht hinreichend unterbänden. Er kündigte die Gründung eines External Revenue Services an.

„Anstatt unsere Bürger zu besteuern, um andere Länder reich zu machen, werden wir andere Länder besteuern und mit Zöllen belegen, um unsere Bürger zu bereichern.“ Ökonom Schularick stützte Trumps Analyse, dass die Inflation auch durch die Haushaltsdefizite der Vorgängerregierung von Joe Biden angetrieben worden sei. Er bezweifelte aber, dass Trump mit den angekündigten Steuersenkungen die Inflation senken werde.

Um die Energiekosten zu drücken, will Trump Öl- und Gasförderung stärken und in bislang geschützten Gebieten ermöglichen. Dazu dient auch der Ausstieg aus dem Pariser Abkommen. „Wenn die Amerikaner da aussteigen, müssen wir uns überlegen, ob wir bei unserem Kurs bleiben”, so Fuest. Europa könne Klimaschutz im Ausland nur erreichen, wenn es Technologien entwickele, die die Menschen auch ohne Klimaschutzinteresse freiwillig einsetzen wollten. „Die EU steht nun zweifellos unter gehörigem Druck, aber sie ist strategisch nicht machtlos”, sagte der Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer.

„Die EU sollte konsequent an ihrem Vorhaben festhalten, über mit Klimazöllen an der Grenze ihre Wirtschaft zu schützen“, forderte er. „Wenn Trump wie angedroht das Öl- und Gasangebot drastisch ausweite, sollte Europa den Öl- und Gasimport umso konsequenter bepreisen, um die drohende neue Gefahr einer energiepolitischen Abhängigkeit zu verringern.“

Alle reden in Davos über den neuen Präsidenten

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ist Trump das beherrschende Thema, auf das von allen Teilnehmer die Unternehmer und Manager am gelassensten blicken. Für viele unter ihnen ist Trump ein „Dealmaker“, der Interesse an einer möglichst gut laufenden amerikanischen Wirtschaft besitzt. Immer wieder wird betont, dass ihm nur vier Jahre blieben, um aus seinen Visionen Realitäten zu machen. Die Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden des Weltwirtschaftsforums, Borge Brende, die Welt erlebe derzeit einen Bruch wie im Jahre 1989, würden nicht alle Wirtschaftslenker unterschreiben.

Aber es gibt auch warnende Stimmen. „Donald Trump ist nicht einfach ein weiterer Präsident“, sagte der Politikwissenschaftler Ian Bremmer. Er stehe politisch völlig unangefochten an der Spitze einer technologisch führenden und wirtschaftlich starken Weltmacht, während Europa zugleich schwach wirke, China nicht in wirtschaftlich guter Form sei und Russland sich ganz erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sehe. Auch ist die Ansicht vernehmbar, Trump werde vor allem versuchen, zusammen mit China die Probleme der Welt angehen. Der Politikwissenschaftler Graham Allison hält es für denkbar, dass Trump mithilfe Pekings innerhalb von sechs Monaten den Ukraine-Krieg beendet. Trump sehe sich schließlich auch als Friedensbringer.

Manche Wirtschaftsexperten trauen es Trump zu, durch Deregulierungen und Steuersenkungen eine Begeisterung in der amerikanischen Bevölkerung zu wecken, die das Wirtschaftswachstum antreibt. Mögliche Bremsen könnten eine steigende Inflationsrate und, als Folge der zunehmenden Staatsverschuldung, steigende Anleiherenditen werden. Und auch ansonsten dürfte die Sonne nicht ununterbrochen auf Trump scheinen. Bremmer wies auf die unterschiedlichen Ansichten zwischen den Tech-Milliardären und dem Kern von Trumps Anhängerschaft im ländlichen Amerika hin, die nur durch Trump zusammengehalten würden.