Dieser Text ist ein Gastbeitrag von Wissenschaftlern der RWTH Aachen. Nähere Informationen zu den Autorinnen und ihren Forschungsgebieten finden sich am Ende des Artikels.
Sie werden für
die Energiewende gebraucht, genauso wie für Elektroautos oder künstliche
Intelligenz. Mikrochips, auch Halbleiter genannt, sind zwar meist kleine, aber
sehr elementare Bauteile für viele Produkte unserer Zeit. Deshalb wollen Europa
und Deutschland unabhängiger vor allem von asiatischen Herstellern werden. Das europäische Chip-Gesetz sieht vor, den Marktanteil europäischer Chips bis 2030
von etwa 10 auf 20 Prozent zu erhöhen. Um dazu beizutragen, versucht Deutschland, ausländische Unternehmen mit Milliarden-Subventionen ins Land zu locken, nicht
zuletzt, da die modernsten Chiptechnologien ausschließlich von TSMC, Intel und
Samsung gefertigt werden. Dieser Ansatz war bisher jedoch wenig erfolgreich. Mit
Intel
in Magdeburg und Wolfspeed
im Saarland wurden jüngst zwei wichtige Projekte auf unbestimmte Zeit
verschoben.
Diese vorläufig
gescheiterten Ansiedlungen haben auch mit den Auf- und Abschwüngen zu tun, die
für die Halbleiterindustrie typisch sind. Dennoch zeigen sie, dass eine ausschließlich
auf Subventionen basierende Industriepolitik nicht ausreicht. Hinzu kommt: Mit
dem Amtsantritt von Donald Trump ist eine größere Dringlichkeit entstanden,
nach mehr technologischer Unabhängigkeit zu streben. Die neue US-Regierung könnte
noch stärker Exportkontrollen und andere Handelsbeschränkungen einsetzen. Zudem
besteht die Gefahr einer Eskalation des Taiwan-Konflikts, der globale
Lieferketten unterbrechen könnte.
Nur: Welchen innovationspolitischen
Ansatz sollte eine neue Bundesregierung nach der Wahl verfolgen, wenn
Subventionen kaum funktionieren und darüber hinaus auch ein finanzielles Risiko
für den Staat bedeuten?
Kleine Ansätze groß machen
Eine
denkbare Alternative stellt klassische Ordnungspolitik dar, die auf
marktwirtschaftlich-unternehmerische Selbstorganisation innerhalb
allgemeingültiger
Regeln
setzt.
Eine solche Strategie wird jedoch den besonderen geopolitischen Bedingungen nicht gerecht,
die den weltweiten Subventionswettlauf in der Halbleiterbranche erst in Gang
gesetzt haben. Es ist fraglich, ob Ordnungspolitik überhaupt zum Aufbau
nennenswerter Produktionskapazitäten in Europa mit seinen vergleichsweise hohen
Energie- und Lohnkosten beitragen würde.
Vielmehr hat
Europa in den letzten Jahren Marktanteile verloren. Hohe Investitionen in Asien
und den USA haben dazu geführt, dass
sich der Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion von 21 Prozent im
Jahr 2000 halbiert hat. Wenn die Politik an den Zielen des Chip-Gesetzes
festhalten will, müssen daher andere Wege gefunden werden.
Ein solcher Weg
könnte eine aktive, missionsorientierte Innovationspolitik sein, die sich aus
der Idee der Ökonomin Mariana
Mazzucato ableiten lässt. Diese Politik umfasst erstens, stärker auf
Eigenentwicklungen aus Deutschland und Europa zu setzen, statt vorwiegend auf
die großskalige Subventionierung ausländischer Konzerne. Dieser Weg mag
zunächst steiniger erscheinen, eröffnet aber einen innovatorisch eigenständigen
Pfad. Der Fokus der finanziellen Förderung sollte dabei auf Innovationen
mittleren Reifegrades liegen, also Technologien, die bereits in kleinerem
Maßstab funktionieren und in einigen Jahren Marktreife erlangen können.
In Europa
finden aktuell vielversprechende Entwicklungen in Bereichen wie
Quantencomputing und neuromorphem
Computing statt. Letzteres macht sich Funktionsprinzipien des Gehirns
zunutze. Wenn Zukunftstechnologien wie diese gezielt gefördert und zu
unternehmerischem Erfolg geführt werden können, ergibt sich die Chance, in
bestimmten Bereichen in der mittleren Frist technisch führend (und damit
unabhängiger) zu werden.
Hier bietet es
sich an, parallel auf technisch führende Unternehmen ohne eigene Produktion
(fabless) zu setzen. Diese können Keimzellen regionaler Innovationsökosysteme
darstellen, die auch vom traditionell starken Maschinenbau profitieren können.
So entstehen Chancen für organischen, weniger von einzelnen Großunternehmen
abhängigen Fortschritt und zukunftsgewandten Strukturwandel, wie er zum
Beispiel derzeit im Rheinischen Revier stattfindet. Die damit verbundenen
technologischen Vorsprünge eröffnen Möglichkeiten aktiver geopolitischer
Mitgestaltung, statt im Kopiermodus innovatorischen Entwicklungen andernorts
hinterherzulaufen.