„Und dann fliegen die Fetzen“

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Die aktuellen Umfragen sieht Friedrich Merz dieser Tage mit Freude und mit Besorgnis zugleich. Mit Freude, weil die Union von Meinungsforschern bei mehr als 30 Prozent und vom Institut Allensbach gar bei 34 Prozent gesehen wird. Mit Besorgnis, weil die AfD seit Wochen auf einem Höhenflug ist und darauf hoffen kann, am 23. Februar jede fünfte Stimme zu bekommen.

Die Union überlege daher, wie sie die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, in diesem kurzen Wahlkampf stellen könne, sagt Merz am Mittwoch im Gespräch mit Lesern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die zu einer Reihe mit Spitzenkandidaten eingeladen hat. Und dann schlägt der Kanzlerkandidat der Union ein TV-Duell vor: er gegen Weidel. „Und dann fliegen die Fetzen“, sagt Merz. „Ich gehe der Diskussion mit dieser Frau nicht aus dem Weg“, sagt er weiter. „In den fundamentalen Fragen“, sei es in der Wirtschafts- oder in der Außenpolitik, habe die Union „keine Gemeinsamkeiten“ mit der AfD. Das wolle er im Fernsehen herausarbeiten.

„Ich bin doch nicht so verrückt, denen noch die Hand zu reichen“

Damit greift Merz eine Idee seines Parteikollegen Mario Voigt aus Thüringen auf, der im vergangenen Jahr im Landtagswahlkampf ein direktes Rededuell im Fernsehen mit Björn Höcke wagte. Fünf Monate später schnitt dessen AfD aber sogar noch besser ab als in den Umfragen vor der Wahl.

Wie aber, fragt F.A.Z.-Innenpolitikchef und Moderator Jasper von Altenbockum den CDU-Vorsitzenden, könne er sich überhaupt die Stärke der AfD erklären? Habe er nicht einst mal versprochen, die AfD zu halbieren?

Das, sagt Merz, habe er aber zu einer Zeit als Ziel ausgerufen, als die Union noch in der Regierung war. „Ich kann aus der Opposition die AfD nicht halbieren, wenn die Regierung sie verdoppelt.“ In der Migrationspolitik habe seine Partei, die CDU, mittlerweile einen anderen Kurs eingeschlagen. Und sobald die Union wieder regiere, könne sie auch Versprechen wieder umsetzen und so die AfD schwächen. Sollte die nächste Bundesregierung keinen Erfolg haben, werde Deutschland im Jahr 2029, also nach der übernächsten Bundestagswahl, „keinen normalen Regierungswechsel mehr haben“, warnt Merz, auch mit Blick auf die Lage in Österreich, wo die Konservativen demnächst möglicherweise Juniorpartner der FPÖ werden, einer Partei, die der AfD nahesteht.

„Ich kann aus der Opposition die AfD nicht halbieren, wenn die Regierung sie verdoppelt“: der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz mit dem Innenpolitikchef der F.A.Z., Jasper von Altenbockum
„Ich kann aus der Opposition die AfD nicht halbieren, wenn die Regierung sie verdoppelt“: der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz mit dem Innenpolitikchef der F.A.Z., Jasper von AltenbockumLucas Bäuml

Merz stellt zum wiederholten Male klar, mit ihm werde es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Deren Ziel sei es, die CDU zu „vernichten“. „Ich bin doch nicht so verrückt, denen noch die Hand zu reichen“, sagt Merz.

„Angst ist mir weitgehend fremd“

Das Problem sei, dass die Union aufgrund der erstarkten AfD aller Voraussicht nach mit einer der ehemaligen Ampelparteien koalieren müsse. Da falle es im Wahlkampf schwer, den Menschen glaubhaft zu machen, dass die nächste Regierung für einen Wechsel stehen kann, für einen anderen Kurs. „Das ist das strategische Dilemma“, fasst Merz die Ausgangslage zusammen. Er sage den Wählern daher: „Wenn ihr wollt, dass sich was ändert, dann ist eine Stimme für die AfD eine verlorene Stimme.“ Er kämpfe für eine starke Union. Wenn diese doppelt so viele Sitze erringe wie der noch zu findende Koalitionspartner, könne man auch in den nächsten vier Jahren deutlich mehr von den eigenen Inhalten durchsetzen.

SonntagsfrageWie stehen die Umfragen vor der Bundestagswahl?

Würde es denn nicht helfen, wenn er eine Koalition mit den Grünen ausschließt? Oder habe er Angst, ehemalige Merkel-Wähler zu vergraulen, will von Altenbockum wissen.

„Angst ist mir weitgehend fremd“, entgegnet Merz. „Strategisch wäre es doch völliger Unsinn, jetzt zu sagen: Wir schließen das aus.“ Mit demokratischen Parteien der Mitte müsse man grundsätzlich gesprächs- und koalitionsfähig sein. „Wenn wir das aufgeben, dann haben wir auch unsere Demokratie aufgegeben.“ Daher könne er auch nicht die Grünen-Option streichen. „Wenn ich das heute ausschließen würde, dann könnte ich doch ein weißes Blatt Papier ins Willy-Brandt-Haus schicken und der SPD sagen: Schreibt mal auf, was ihr gerne hättet. Und das mache ich nicht.“ In der Grünen-Frage, das wird auch am Mittwoch deutlich, unterscheidet sich die Wortwahl des CDU-Vorsitzenden merklich von jener des CSU-Vorsitzenden Markus Söder.

Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) im Gespräch mit dem F.A.Z.-Innenpolitikchef Jasper von Altenbockum und Lesern der Zeitung
Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) im Gespräch mit dem F.A.Z.-Innenpolitikchef Jasper von Altenbockum und Lesern der ZeitungLucas Bäuml

Vor der Neuwahl dürften sich viele Wähler seit dieser Woche einmal mehr fragen, wer die deutschen Interessen gegenüber Donald Trump, dem neuen amerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten, vertreten soll. Scholz, Merz oder Habeck?

Merz über Trump: Europa kann zusammen stark sein

Auf den Regierungswechsel in Washington angesprochen, sagt Merz, ihm sei auf dem Weg zum F.A.Z.-Gespräch Trumps „Make America Great Again“-Satz durch den Kopf gegangen, den dieser immer wieder predige. „Warum sagen wir nicht eigentlich: Make Europe Great Again?“, fragt Merz. Trump werde Europa zwingen, sich untereinander enger abzustimmen, so wie bereits während dessen erster Amtszeit. Damals habe er Zölle auf importierte europäische Stahlprodukte verhängt, die EU habe mit Zöllen auf amerikanischen Whiskey und amerikanische Harley-Davidson-Motorräder und Jeans reagiert.

Vieles, was Trump in seiner Antrittsrede gesagt hat, habe ihm nicht gefallen, sagt Merz. Eine Sache aber doch: Trump habe gesagt, er wolle bei Entscheidungen jedes Mal die Frage stellen, ob sie der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft dienten. Das müsse künftig in Deutschland auch gelten. Möglicherweise biete sich mit Trump auch in Sachen Ukraine eine „neue Chance, den Krieg zu beenden“. Nämlich dann, wenn dieser Putin klarmachen würde: Entweder er beendet den Krieg – oder die USA unterstützen die Ukraine noch mehr als zuvor.

Angst und Bange, diese Botschaft will Merz jedenfalls setzen, wird ihm weder beim Gedanken an ein TV-Duell mit Weidel noch an Trump.