Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will im Falle seiner Wahl zum Bundeskanzler ein „faktisches Einreiseverbot“ für alle Menschen ohne gültige Einreisepapiere verhängen. Er werde an seinem ersten Tag als Bundeskanzler eine entsprechende Anweisung an das Bundesinnenministerium erlassen, sagte Merz am Donnerstag in Berlin als Reaktion auf das Messerattentat in Aschaffenburg. Merz stellte einen Fünf-Punkte-Katalog für Verschärfungen in der Migrationspolitik vor, bei denen er nach eigenen Angaben nicht zu Kompromissen bereit ist.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder sagte am Donnerstag, es brauche eine „180-Grad-Wende in der Migrationspolitik“. Afghanen sollten nicht mehr aufgenommen werden, überhaupt sei eine „Grenzschließung für illegale Migration“ notwendig. Allerdings werde das nicht reichen. „Wer ausreisepflichtig ist, der muss nach Hause – freiwillig oder mit Druck“, sagte Söder. Nur so sei die Sicherheits zu gewährleisten. Der Bund solle nationale Ausreisezentren an Flughäfen aufbauen und mit Bundespolizisten betreiben. Die Bundesregierung müsse Rückführungen organisieren – auch nach Afghanistan oder Syrien. Es brauche wöchentliche Abschiebeflüge dorthin, vielleicht sogar tägliche, forderte Söder.
Der Landesgruppenchef und Spitzenkandidat der CSU, Alexander Dobrindt, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: Der Staat müsse straffälligen Migranten ein „klares Zeichen“ geben und sagen: „Ihr seid hier nicht willkommen, wir wollen euch nicht haben, und wir werden euch auch zurückführen.“ Straftaten wie jene in Aschaffenburg trügen zur gesellschaftlichen Polarisierung bei, warnte Dobrindt. Der bisherigen Ampel-Regierung warf Dobrindt Wortbruch bei ihren angekündigten Abschiebeplänen vor.
Scholz: „Ich bin es leid“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits nach der Tat am Mittwoch erklärt, gegenüber Tätern, die als Schutzsuchende nach Deutschland gekommen seien, sei „falsch verstandene Toleranz völlig unangebracht“. Scholz forderte Aufklärung von den Behörden, warum der Täter noch in Deutschland war. „Ich bin es leid, wenn sich alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen.“ Er traf sich am Mittwochabend mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Leitern der Sicherheitsbehörden zu einem Krisengespräch. Aus dem Innenministerium hieß es am Donnerstag, das Gespräch zwischen dem Kanzler und der Ministerin sei vertraulich gewesen.
Auch die Aschaffenburger CSU-Bundestagsabgeordnete und Innenpolitikerin Andrea Lindholz sagte, es müsse aufgeklärt werden, warum sich der Täter überhaupt noch in Deutschland aufgehalten habe, nachdem er ausreisepflichtig gewesen sei. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck verwies darauf, dass der mutmaßliche Täter psychische Probleme habe und bereits gewalttätig aufgefallen sei. „Wie konnte er trotzdem aus dem Blick geraten?“, fragte Habeck auf der Plattform X.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner mahnte, Deutschland müsse ein tolerantes Land bleiben. „Aber das muss zu unseren Regeln stattfinden, nicht zulasten unserer Sicherheit“, schrieb Lindner auf X. In einem Video auf Instagram sagte Lindner: „Wir haben ein veritables Staatsversagen in Deutschland, denn Aschaffenburg ist kein Einzelfall. Es gibt so ein Muster aus Herkunft, Auffälligkeit, Ausreiseverpflichtung.“ Im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung werde seine Partei eine andere Einwanderungs- und Migrationspolitik zur Bedingung machen.
Innenminister will Unterbringung psychisch Kranker überprüfen
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, die Maßstäbe für die Unterbringung psychisch Kranker zu überprüfen. „Das ist immer eine schwere Entscheidung, die Lage der Menschen zu beurteilen. Und es ist natürlich auch in unserem Freiheitsverständnis nicht einfach zu entscheiden, da kommt jemand in eine geschlossene Einrichtung und wird dann ,eingesperrt’. Aber wir müssen natürlich auch sehen, welche Risiken für unsere Bevölkerung ganz offensichtlich da sind. Und wir müssen da, glaube ich, schon noch mal mit den Fachleuten diskutieren, ob da die richtigen Maßstäbe hinsichtlich der Gefährdung der Öffentlichkeit, der Gefährdung anderer Menschen wirklich auch angewendet werden“, “, sagte der CSU-Politiker dem Bayerischen Rundfunk.
Der Aschaffenburger Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) warnte vor Hass und Hetze. „Wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer ganzen Bevölkerungsgruppe anrechnen“, sagte er am Donnerstag bei einer Kranzniederlegung am Tatort im Schöntal-Park. „Die furchtbare Tat eines Einzeltäters darf keine Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen.“
Noch drei Schwerverletzte im Krankenhaus
Herzig fuhr fort, die schrecklichen Bilder vom Mittwochmittag würden sich „in das Gedächtnis vieler Menschen“ und der ganzen Stadt eingraben: „Wie in Magdeburg vor wenigen Wochen, wie in Solingen im vergangenen Jahr, wie in Würzburg vor vier Jahren.“ Jedes Mal habe ein Geflüchteter unschuldige Menschen angegriffen, verletzt und getötet, sagte Herzing. Der Schöntal-Park werde zwar seit einigen Zeit verstärkt von Polizei-Kräften kontrolliert: „Aber wir müssen mit der Erkenntnis leben, dass absolute Sicherheit nicht möglich ist.“
Der 28 Jahre alte Tatverdächtige aus Afghanistan wurde am Donnerstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Dieser solte dann entscheiden, ob er in einer Psychiatrie untergebracht wird oder in Untersuchungshaft kommt. „Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung seiner offensichtlich psychischen Erkrankungen“, hatte Herrmann am Vorabend in Aschaffenburg gesagt.
Die drei Schwerverletzten der Messerattacke befinden sich nach wie vor im Krankenhaus. „Sie sind aber alle außer Lebensgefahr“, sagte ein Polizeisprecher. Der Angreifer hatte ein zweijähriges Mädchen aus Syrien nach bisherigen Erkenntnissen dreimal im Halsbereich mit einem Küchenmesser verletzt. Zudem wurde ein 72 Jahre alter Mann attackiert und erlitt nach Angaben der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) multiple Verletzungen im Thoraxbereich. Eine 59 Jahre alte Erzieherin brach einen Arm. Am kommenden Sonntag planen die Kirchen einen Gedenkgottesdienst für die Opfer und deren Angehörige. Dazu werden in der Stiftskirche zahlreiche Landes- und Bundespolitiker erwartet.