Donald Trump buhlt um Panama: Der Kanal des Anstoßes

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Was Mitte des 16. Jahrhunderts nicht mehr als ein Traum war, wurde durch den Baubeginn des Kanals durch den Isthmus des tropischen Panamas ab 1880 Wirklichkeit. Entworfen und gebaut wurde er von Franzosen unter Ferdinand de Lesseps, dem Architekten des Suezkanals, finanziert von einem internationalen Investorenkonsortium, die den Erfolg des Suezkanals mit einer Einzahlung von rund 400 Millionen Dollar wiederholen wollten.

Sie scheiterten. 1902 verkaufte die französische Kanalgesellschaft ihre von Kolumbien erhaltene Baulizenz an die Amerikaner. Kolumbien wandte sich dagegen, eine von der US-Armee gestützte Rebellion aber führte zur Erklärung der Unabhängigkeit der Provinz Panama im November 1903. Damit ging auch die 1432 Quadratkilometer große „Kanalzone“ an Washington. „Gefeiert wurde die Fertigstellung 1915 in San Francisco mit einer Weltausstellung der Panama-Pacific International Exposition. Die Verknüpfung von imperialen und Handelsinteressen stand ganz unverblümt im Vordergrund“, schreibt der amerikanische Historiker Stephen C. Topik von der University of California.

Nun könnte der Kanal zur leichtesten Beute Donald Trumps unter seinen imperialen Zielen werden – Kanada ist ein eigenständiges Land, Grönland zählt zu Dänemark, der Panamakanal aber hat enge historische Bindungen mit den USA. Er zähle neben dem englischen Channel, der Straße von Malakka, dem Suezkanal und der Straße von Hormus zu den fünf wichtigsten Engpässen auf See, betonte das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum, WEF) in Davos gerade. „Unterbrechungen dieser Schlüsselrouten können die Weltwirtschaft empfindlich treffen, weil weiterhin 90 Prozent des Güterhandels über den Seeweg transportiert werden“, warnt das WEF.

Wie stark Einschränkungen sich auswirken, zeigen die Blockaden des 162 Kilometer langen Suezkanals zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer nach Havarien, die militärischen Planspiele, auf eine befürchtete Sperrung der Straße von Malakka zu reagieren, oder die Unsicherheiten in der Straße von Hormus durch die Angriffe der aufständischen Huthi.

Trump hat in den vergangenen drei Monaten fünfmal davon gesprochen, den Panamakanal wieder für Amerika zu übernehmen. Dabei hatte er wirtschaftlichen Druck, aber auch Waffengewalt nicht ausgeschlossen. In seiner Rede zur Amtseinführung sagte er unverblümt, „wir holen ihn uns zurück“. Sein Vorhaben fußt auf einer langen Tradition. Bei der Eröffnung des Kanals schwärmte der Leitartikler der Zeitschrift „The World’s Work“, er beweise das „Entstehen eines neuen Amerika. Wir eröffnen unter eigener Kontrolle eine der großen Handelsrouten der Welt“. Ähnlich denkt wohl auch Trump, der Amerika „wieder groß machen“ will.

Die Wahrheit ist Trumps erstes Opfer

Doch war fast alles falsch, was der neue alte Präsident bei seiner Antrittsrede über die Wasserstraße von sich gab. Damit wird am Beispiel des umstrittenen Kanals ein weiteres Mal deutlich, wie der mächtigste Mann der Welt mit Lügen und Halbwahrheiten die Stimmung anheizt.

Unumstritten ist freilich die Bedeutung des Kanals. Im vergangenen Jahr (30. September) wurden rund 286 Millionen Tonnen Fracht durch ihn zwischen Atlantik und Pazifik transportiert. Etwa 40 Prozent des amerikanischen Containerverkehrs gehen hier entlang. Jeden Monat nutzen ihn rund eintausend Schiffe. Denn die 82 Kilometer lange Wasserstraße erspart den Reedern den gut 11.000 Kilometer langen Umweg um Kap Hoorn.

Der Präsident sprach von einem „dummen Geschenk, das niemals hätte gemacht werden dürfen“. Wahr aber ist, dass die USA den Kanal nicht verschenkt haben. Die Übertragung an Panama wurde über Jahre verhandelt und schließlich vom gerade verstorbenen Trump-Vorgänger Jimmy Carter besiegelt. Die vollständige Übertragung dauerte von 1977 bis Ende 1999.

Marktübliche Gebühren

Panama, so Trump, habe „sein Versprechen an uns gebrochen“. Wissenschaftler halten das für sehr fragwürdig: Denn bis heute hat jedes Schiff das Recht, den Kanal zu nutzen – natürlich gegen eine Gebühr, die aber als marktüblich gilt. Sie hängt an der Größe des Frachters und seiner Ladung. Größere Schiffe werden mit mehreren Hunderttausend Dollar belastet, was im Suezkanal nicht anders ist. Stauen sich Containerschiffe, etwa weil der Kanal im Klimawandel trockenfällt, sollen Reeder schon bis zu vier Millionen Dollar für eine bevorzugte Durchfahrt bezahlt haben. Die Kanalverwaltung plant, wegen der wachsenden Trockenheit in den nächsten Jahren ein Rückhaltebecken und eine Landbrücke für Container für jeweils mehr als eine Milliarde Dollar zu bauen. Die Gebühren für das Buchen einer Durchfahrt ein Jahr im Voraus hat Panama gerade um bis zu 3000 Dollar erhöht. 2023 hatte die Kanalgesellschaft umgerechnet gut drei Milliarden Dollar eingenommen. Zudem gilt weiterhin, dass Panama in dem Vertrag den Vereinigten Staaten das Recht einräumte, den Kanal verteidigen zu dürfen. Auch dagegen ist bislang nicht verstoßen worden.

Panamas Nähe zu Peking

Vollkommen falsch ist die Behauptung „und vor allem betreibt China den Panamakanal“. In Wirklichkeit betreibt ihn die Panamakanal-Behörde (Autoridad del Canal de Panamá, ACP), die von der Regierung eingesetzt wird. Gerade haben Panamas Behörden eine Prüfung von Hutchison angeordnet – wohl um Trump Wind aus den Segeln zu nehmen. Panamas Präsident José Raúl Mulino hatte schon im Dezember die Anwesenheit chinesischer Streitkräfte am Kanal dementiert. „Es gibt keine chinesischen Soldaten am Kanal, um Himmels willen“, sagte er noch im vergangenen Dezember.

Trump hätte allenfalls erwähnen können, dass der Hongkonger Hafenbetreiber Hutchison die Häfen am Ein- und Ausgang des Kanals betreibt. Die Nähe seines Gründers, des Multimilliardärs Li Ka-shing, zur chinesischen Regierung ist seit Jahrzehnten bekannt. Allerdings hatten sich die Amerikaner immer wieder an der „chinesischen Festung“ gestört – wie der frühere Verteidigungsminister Caspar Weinberger die Häfen vor einem Vierteljahrhundert nannte. Zudem sind chinesische Ingenieure an weiteren Kanalprojekten beteiligt. Zwar ist auch das nicht unüblich: Doch erntete auch Australien herbe Kritik aus Washington, weil es sogar seinen strategisch wichtigen Marinehafen in Darwin an einen chinesischen Betreiber verpachtete – in der nordaustralischen Stadt liegen starke amerikanische Militärkräfte.

Für Chinas Exportwirtschaft ist der Kanal fast genauso bedeutend wir für die Amerikaner: Die Zahl ihrer Durchfahrten beträgt schon fast ein Viertel der amerikanischen. Peking bezeichnete den Kanal im Dezember noch als „goldene Wasserstraße für die Verbindung zwischen den Ländern“. China akzeptiere den Kanal als eine „permanent neutrale internationale Wasserstraße“. Und wahr ist auch – was Trump nicht erwähnte –, dass China sich in Argentinien und Chile immer stärker engagiert, um von hier die Antarktis zu erreichen.

Auch trat Panama der weltumspannenden Infrastrukturinitiative der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI) als erstes lateinamerikanisches Land schon früh bei. Zuvor brach es, ganz Pekings Verlangen, die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab – ein übliches Vorgehen auch vieler Pazifikinseln, die sich von Peking finanzielle und militärische Sicherheit versprechen.

Zahlenspiele mit Opferzahlen

Unfug ist allerdings Trumps Behauptung, die Amerikaner hätten „38.000 Menschenleben beim Bau des Panamakanals verloren“. Noch einmal Topik: „Die Arbeiter waren mehrheitlich Afroamerikaner aus Panama, dem benachbarten Kolumbien sowie aus Jamaika und Barbados.“

Nachdem de Lesseps den Bau dieses industriellen Weltwunders begonnen hatte, sollen sollen mehr als 22.000 Franzosen, vor allem aber Einheimische beim Bau meist an tropischen Krankheiten gestorben sein. Während der amerikanischen Bauzeit dürften dann weitere 5600 Menschen ihr Leben verloren haben. Auch diese sollen allerdings ganz überwiegend Gastarbeiter aus Barbados gewesen sein. Die BBC berichtete, insgesamt hätten rund 300 Amerikaner ihr Leben gelassen.