Wieso Donald Trumps Lieblingspräsident William McKinley ist

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Eine der Herzensangelegenheiten Donald Trumps in diesen Tagen ist, einen weitgehend unbekannten Präsidenten aus Amerikas glorreicher Vergangenheit zu Prominenz zu verhelfen. Andere Wahlsieger mögen in ihren Inaugurationsreden George Washington, Abraham Lincoln, die Roosevelts, John F. Kennedy oder Ronald Reagan lobpreisen. Trump hebt William McKinley auf den Podest, Präsident von 1897 bis 1901.

Wundern muss man sich darüber nicht. Es gibt verblüffende Übereinstimmungen. McKinley war ein entschlossener Verfechter von Zöllen. Im Jahr 1890, noch bevor er Präsident wurde, setzte der Republikaner als Kongressabgeordneter aus Ohio und Vorsitzender des mächtigen „Ways and Means“-Ausschusses eine kräftige Zollerhöhung durch von 38 Prozent auf durchschnittlich 49 Prozent auf nahezu alle importierten Waren.

Nicht umsonst galt McKinley als „Napoleon der Zölle“. Er erfüllte mit dem Gesetz nicht nur ein Wahlversprechen der Republikaner, er folgte auch der Traditionslinie der Partei, sagt Robert Merry, der eine tiefschürfende Biografie über den Präsidenten verfasst hat. Ob Alexander Hamilton, Abraham Lincoln oder McKinleys Mentor Rutherford Hayes – sie waren alle für hohe Zölle. Von Lincoln ist das Zitat überliefert: „Meine Politik ist kurz und bündig wie der Tanz einer alten Frau. Ich bin für die Nationalbank, ich bin für interne Verbesserungen und ich bin für hohe Zölle.“

Demokraten für Freihandel

Die Republikaner hatten triftige Gründe: Sie kamen aus Amerikas jungen Industrieregionen Ohio, Illinois, New York, Massachusetts oder Pennsylvania. Die Produktionsstandorte litten besonders unter der Konkurrenz aus England, wo die industrielle Revolution früher Fahrt aufgenommen hatte, sagt Douglas Irwin, Wirtschaftshistoriker an der Dartmouth Universität. Demokratische Politiker dagegen vertraten die Südstaaten, die Baumwolle und Tabak in die ganze Welt lieferten und deshalb dem Freihandel gewogen waren.

Der zweite gute Grund für hohe Zölle waren die Staatseinnahmen. Bis zum Bürgerkrieg stellten die Zölle bis zu 90 Prozent der Einnahmen des Staatshaushaltes, danach wurden zusätzliche Verbrauchssteuern erfunden, um die horrenden Kriegsschulden zu decken. Der Anteil der Zölle an den Einnahmen sank danach auf immer noch hohe 50 Prozent. Doch die Einkommensteuer wurde erst im Jahr 1913 eingeführt.

McKinley regierte von 1897 bis 1901 mitten im sogenannten vergoldeten Zeitalter (gilded age), das von großem Bevölkerungswachstum, Produktivitätszuwächsen und Wirtschaftswachstum geprägt war. Diese Phase hat offenbar Trumps Aufmerksamkeit erregt. „Als wir noch ein kluges Land waren in den 1890ern, als das Land so reich war wie nie wieder, da hatten wir alle diese Zölle und keine Einkommensteuer.“ Der Gedanke ist ja auch verführerisch. Wenn in den Zeiten mit hohen Zöllen und ohne Einkommensteuer die Wirtschaft boomt, warum nicht das nochmal versuchen?

„Mathematisch unwahrscheinlich“

Auf dieser Erkenntnis fußend flirtete Trump schon während des Wahlkampfs mit der Idee, die Einkommensteuer durch Zölle zu ersetzen. Mit seiner jetzt angeordneten Gründung eines Finanzamtes für Zolleinnahmen von Ausländern verleiht er diesem Ansinnen eine gewisse Ernsthaftigkeit.

Sie ist allerdings hochambitioniert – oder wie es Joe Bidens Ökonomen in einer Analyse im vergangenen Jahr ausdrückten: „mathematisch unwahrscheinlich“. Denn um die Einkommens- und Lohnsteuer zu ersetzen, müsste die Importzölle auf rund 70 Prozent steigen. Dabei ist noch nicht einbezogen, dass mancher Handel nicht mehr zustande kommt. Und dass die Partnerländer mit Zöllen antworten.

McKinleys Haltung zu Zöllen änderte sich im Laufe der Jahre. Sein Biograph Merry führt dafür den Grund an, dass die amerikanische Wirtschaft mehr Güter produzierte als das Land konsumierte. Immer mehr Unternehmen und Farmen waren auf den Export angewiesen, der nur mit Ländern möglich war, die nicht durch zu hohe Zölle bestraft wurden. „Er erkannte, dass man im Ausland nichts verkaufen kann, wenn man nicht selbst im Ausland einkauft.“ Dazu kam, dass er als Präsident eben eine geweitete Perspektive bekam, die auch Unternehmen einbezog, die vom internationalen Handel profitiertem – während er als Abgeordneter von Ohio vor allem die heimische Schwerindustrie im Auge hatte, die unter britischer Konkurrenz ächzte.

Von Mount McKinley zu Denali und zurück: Donald Trump will den höchsten Berg der USA umbenennen.
Von Mount McKinley zu Denali und zurück: Donald Trump will den höchsten Berg der USA umbenennen.AFP

Der Politiker begann, für eine Handelspolitik zu werben, die auf Reziprozität setzte. In seiner letzten Rede redete er fast wie ein Freihändler, sagt Merry. Das Reziprozitätskonzept erinnerte an den Trump der ersten Amtszeit und speziell an seinen Unterhändler Robert Lighthizer, der beständig die Reziprozität betonte. Trump 2.0 allerdings hat diesen Gedanken hinter sich gelassen und droht nun auch mit Zöllen, um illegale Einwanderung, Drogenschmuggel oder Kriege zu beenden.

Doch die Zölle sind es nicht allein, die es Trump, angetan haben. McKinley machte die USA zu einer Weltmacht. Unter seiner Ägide wurde Hawaii annektiert, er besiegte Spaniens Flotten in einem kurzen Krieg und zwang das Land, Puerto Rico und Guam abzutreten und die Philippinen aufzugeben. Und er legte die Basis für den Bau des Panamakanals. Amerika hatte sich gegenüber England verpflichtet, eine mögliche Schiffspassage durch Panama nur gemeinsam zu entwickeln und zu betreiben. Es gelang McKinleys Unterhändlern, Amerika von dieser Zusage zu befreien. Wenn Trump imperiale Tagträume wie die Annexion von Grönland oder des Panamakanals hegt, dann könnte McKinley ihn inspiriert haben.

Und es gibt noch eine interessante Parallele: Wie Trump konnte McKinley im Wahlkampf auf einen schwerreichen Gönner bauen. Der Unternehmer Mark Hanna aus Cleveland stellte sich und seine umfangreichen Mittel in den Dienst McKinleys. Er organisierte den Wahlkampf, spendete und warb Spenden ein und bildete politische Koalitionen.

Anders als Elon Musk allerdings, der knapp 300 Millionen Euro und viel Zeit in den Wahlkampf für Trump gesteckt hatte, war Hanna ein ausgefuchster Politiker. „Er war sehr gut im Verhandeln. Er war sehr gut darin, Bündnisse zu schmieden und, Menschen zusammenzubringen. Dabei half sein Geld“, so Biograph Merry. Im Falle von Musk dagegen sei nicht klar, ob er politisches Talent habe. „Vielleicht ist es da, aber ich sehe es nicht“.

Ein bescheidener Mann

Auch die Unterschiede zwischen Trump und McKinley sind ausgeprägt. Nach Deutung seines Biographen war McKinley „ein besonnener Mann großem Charakter. Er war freundlich und hatte ein freundliches Auftreten. Er war nicht prahlerisch. Er gab keinerlei Anzeichen von Prahlerei oder Aufschneiderei von sich, ganz im Gegensatz zu Trump, und er war kein Populist“. Seine Stärke war das methodische Denken und Entscheiden. Und die Fähigkeit, die Gunst der Stunde zu wittern und zu nutzen.

Im September des Jahres 1901 wurde McKinley von einem Attentäter in Buffalo angeschossen und erlag acht Tage später den Verletzungen. Als er mit zwei Schusswunden am Boden lag, bat er darum, das Unglück seiner Frau schonend beizubringen.

Trump will jetzt per Präsidentendekret dafür sorgen, dass Amerika höchster Berg wieder Mount McKinley heißt, nachdem Barack Obama ihn hatte umtaufen lassen auf Denali. Es ist nicht klar, dass Trump die Kompetenz dazu hat. Und es ist auch nicht klar, ob dem Geehrten die Würdigung recht gewesen wäre – denn nach Einschätzung seiner Biografen war er eben ein bescheidener Mann.