Als Donald Trump in seiner Antrittsrede auf das Thema Migration zu sprechen kommt, ist es Stephen Miller, der bei jeder Runde Applaus als erster aufspringt. Die Einwanderung in die Vereinigten Staaten und die mit ihr angeblich verbundenen Gefahren sind nicht nur sein Lebensthema. Auch dürfte Miller großen Einfluss auf genau diese Passage des Redetextes gehabt haben.
Miller ist ein Phänomen in Trumps Orbit – ein Mann, der nicht erst seit Trump, sondern schon seit seiner Jugend von der Idee „geschlossener“ Grenzen besessen ist. Als Trumps Chefstratege in der Migrationspolitik entwarf er in dessen erster Amtszeit die radikalsten aller Maßnahmen. Als sein Redenschreiber machte er die Angst vor Einwanderung salonfähig.
Miller verspricht „spektakuläres Durchgreifen“
Heute 39 Jahre alt, überlebte Miller bislang viele Weggefährten Trumps, die über die Jahre in dessen Ungnade fielen. Er wiederum, künftig stellvertretender Stabschef im Weißen Haus, ist auch in der zweiten Präsidentschaft Trumps Einflüsterer beim Thema Einwanderung. „Amerika ist für Amerikaner und nur für Amerikaner“, rief Miller im vergangenen Oktober bei der großen Wahlkampfveranstaltung im New Yorker Madison Square Garden als einer der Einheizer vor Trumps Auftritt. Die Menge jubelte.
In einem Interview mit dem Sender Fox News hob er in dieser Woche noch einmal hervor, dass es in den Vereinigten Staaten künftig eine „massive Zunahme“ an Razzien geben. Man stehe erst am Anfang der Bemühungen, „dieses Land vor der Belagerung zu retten“. Dann drohte Miller denjenigen, die „kriminelle Ausländer“ beschützten: Das Blatt habe sich gewendet. Vor acht Jahren war er der Architekt der harten Migrationspolitik, die unter anderem vorsah, Kinder illegal eingereister Familien von ihren Eltern zu trennen und Bürgern aus mehrheitlich muslimischen Ländern die Einreise zu verbieten. Diesmal versprach Miller wieder ein „spektakuläres Durchgreifen“.
Einwanderung als Lebensthema
Miller wurde 1985 in Santa Monica in Kalifornien geboren und fiel schon an seiner High School in linksliberal geprägtem Umfeld mit konservativen Thesen auf. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 etwa schrieb er einen Leserbrief an die Lokalzeitung. Der Tenor: Osama bin Laden würde sich an der Santa Monica High School wohl fühlen. Ein Jahr später beklagte er die „um sich greifende politische Korrektheit“, sprach sich gegen die Koexistenz von Spanisch und Englisch an der Schule aus und machte sie über die Würdigung indigener Kultur in den Vereinigten Staaten lustig.
Er sei nach der Lektüre des Buches „Waffen, Verbrechen und Freiheit“ des früheren Chefs der Waffenlobby NRA, Wayne LaPierre, zum überzeugten Konservativen geworden, sagt Miller. Heute ist ihm das Migrationsthema in Fleisch und Blut übergangen. Amerikanische Medien berichten unter Berufung auf frühere Mitarbeiter, Miller kämen manchmal die Tränen, wenn er über seine Arbeit spreche. Über die „Null-Toleranz-Politik“, die im Frühjahr 2018 für einige Monate in Kraft trat und Kinder an der Südgrenze von ihren Eltern trennte, sagte ein ehemaliger Berater des Weißen Hauses: „Stephen genießt es wirklich, diese Bilder an der Grenze zu sehen.“ Schon in seiner Abschiedskolumne an der Duke-University, an der Miller Politikwissenschaften studierte, schrieb er, es sei seine Verantwortung, „den Kampf mit der Linken aufzunehmen“.
Rechte Ideengeber
Im Laufe seiner Karriere knüpfte Miller Kontakte zu rechten Anti-Einwanderungsgruppen wie der „Federation for American Immigration Reform“ und dem „Center for Immigration Studies“. Beide wurden von John Tanton gegründet, einem Anhänger der Theorie von der „Vorherrschaft der Weißen“ und deren angeblicher genetischer Überlegenheit. Miller weist Verbindungen in diese Szene zurück. Doch 2015 schrieb er eine E-Mail an einige Redaktionsmitarbeiter der rechten Breitbart-Nachrichten und schlug vor, sie sollten doch mal über die Parallelen des Buch „The Camp of Saints“ des französischen Autors Jean Raspail zur heutigen Gesellschaft schreiben. Darin geht es um die Zerstörung einer westlichen Zivilisation durch massenhafte Einwanderung. Migranten werden als „Monster“ und „Bestien“ bezeichnet.
Unter früheren Mitarbeitern gilt Miller als fordernd und bisweilen unbeherrscht – man halte den Kopf lieber gesenkt und versuche, es ihm recht zu machen. Trump dürfte es gefallen, dass er mit Miller in Migrationsangelegenheiten einen glühenden Loyalisten an seiner Seite hat. Schon im Wahlkampf 2016 sagte Miller über Trump, er wolle, „dass Amerikaner in ihrem eigenen Land an erster Stelle stehen“. Dabei schalt ein Onkel Millers ihn in einem öffentlichen Beitrag einmal „Heuchler“ – seine eigenen Vorfahren seien Anfang des 20. Jahrhunderts vor Pogromen aus Belarus in die Vereinigten Staaten geflohen und hätten es in Jahrzehnten geschafft, sich aus der Armut zu einer erfolgreichen Familie hochzuarbeiten.
Düsterer Ton und radikale Maßnahmen
Miller wurde 2009 Mitarbeiter des damaligen Senators Jeff Sessions aus Alabama und lernte so, seinen Interessen in Washington Gehör zu verschaffen. Er soll damals maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, eine parteiübergreifende Reform des Einwanderungsrechts zu Fall zu bringen. In Reden für Sessions setzte er im Kampf gegen „Entgrenzung“, Einwanderung und Globalisierung den düsteren Ton, der Jahre später auch Trumps Antrittsrede 2017 beherrschte. Der Satz: „Dieses amerikanische Gemetzel endet hier und jetzt“, stammte aus der Feder Millers. Er war eingebettet in die Darstellung eines Landes am Rande des Untergangs: mit rostigen Fabriken, in Armut lebenden Müttern und Kindern und außer Kontrolle geratenen Gangs.
Auch als Trump nicht wiedergewählt wurde, blieb Miller an seiner Seite. Er gründete die Organisation „America First Legal“, die es sich zur Aufgabe machte, gegen „linksradikale“ Gesetze zu kämpfen. Sein Ziel war es außerdem, konservative Anwälte auszusieben, um jene zu finden, die genug „Rückgrat“ für eine zweite Trump-Präsidentschaft hätten. Dieses Bemühen dürfte vor allem daher rühren, dass Trump und Miller mit ihren radikalen Maßnahmen in der Migrationspolitik mehrfach an amerikanischen Gerichten gescheitert waren. Diesmal sei man besser vorbereitet, heißt es nun in Washington.
Miller ist über die Jahre fester Bestandteil des engen Trump-Umfelds geworden. Nach Trumps Wahlsieg im vergangenen November zog er mit seiner Frau und den drei kleinen Kindern nach Palm Beach in Florida, um seine Rolle in Trumps Übergangsteam einzunehmen. Der bislang umstrittenste Erlass zur Migrationspolitik stammt von ihm: der Versuch, in den Vereinigten Staaten geborenen Kindern von Eltern ohne Aufenthaltsgenehmigung künftig die amerikanische Staatsbürgerschaft vorzuenthalten. Ein Bundesrichter stoppte den Erlass am Donnerstag vorübergehend und bezeichnete ihn als „eklatant verfassungswidrig“. Vom Justizministerium hieß es daraufhin, man werde die Anordnung Trumps „energisch verteidigen“. Allen voran dürfte bei diesen Bemühungen Miller stehen.