Die Hitzetoten zu Tode gerechnet

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Sicher sind diese Zahlen nicht, die Aufrechnung wirkt auch einigermaßen obszön, und sie geht noch weniger auf, wenn man anfängt, den Norden und den Süden einzeln zu betrachten. Immerhin aber kommen solche Zahlen aus wissenschaftlichen Quellen. Wozu also Klimaschutz, fragen sich nun die Trumpisten dieser Welt, wenn die Bilanz für den Klimawandel so positiv ausfällt? Die Erwiderung könnte lauten: Weil es nicht so bleibt; weil in vielen Gegenden schon jetzt viel mehr an Hitze sterben, und weil es nicht bloß um die Toten geht, sondern auch um Kranke, Kosten, Gerechtigkeit und die Destabilisierung der Gesellschaften schlechthin. Das alles aufzurechnen, ist allerdings so komplex, dass die Forscher das Problem in der Regel herunterbrechen müssen.

Britische Forscher, deren Expertise die Modellierung des Klimas und der sozioökonomischen Folgen der Erderwärmung ist, haben das nun in „Nature Medicine“ versucht. Sie haben sich abermals die hitze- und klimabedingte Sterblichkeit vorgenommen, und zwar für 854 Städte in 30 Ländern Europas. Ihr Fazit: Im schlimmsten Fall, wenn klimapolitisch nichts vorangeht und die Menschen sich nicht energischer vor Extremhitze schützen, müsse man bis Ende des Jahrhunderts mit mehr als zwei Millionen Hitzetoten rechnen. Die Schwelle, wann genau netto mehr Hitze- als Kältetote zu beklagen seien, werde bald schon erreicht.

Die Forscher haben sich durchaus bemüht, außer diesem Worst-Case-Szenario auch „realistischere“ politische und sozioökonomische Szenarien zu berücksichtigen. Am Ende aber taugt die von Daten beinahe berstende Studie kaum, um Klimawandelanhänger ins Zweifeln zu bringen: Die vielen verschiedenen Annahmen, die darin über die Zukunft, das Klima, die Demographie, die Sterblichkeit und künftigen Maßnahmen angestellt wurden, addieren sich am Ende zu einem großen Berg, der jede Erkenntnis verschüttet.