Zuversicht“ steht in großen Lettern auf dem Wahlplakat des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck. Aufgestellt wurde es für den Neujahrsempfang der Frankfurter Grünen im Saalbau Südbahnhof am Mittwoch. Als die Einladungen zum Empfang an Gäste aus der Stadtgesellschaft und an Frankfurter Grünen-Prominenz versandt wurden, sollte der Wahlkampf mit den beiden Frankfurter Bundestagskandidaten, Omid Nouripour und Deborah Düring, im Zentrum stehen.
Am Tag, an dem im Bundestag erstmals ein Antrag der Union mit den Stimmen der AfD beschlossen wurde, rücken die Werbebotschaften jedoch in den Hintergrund. Düring spricht in einer Videobotschaft aus Berlin von einem „historischen Tag“. Sie sei „geschockt und voller Wut“, aber auch voller Energie, um auf der Straße und in Parlamenten gegen die Rechtsextremen zu kämpfen. „Es geht nun um nicht weniger, als die Demokratie zu verteidigen.“
„Alle reden über die AfD
„Heute war ihr größter politischer Tag“, sagt Friedman, „alle reden über die AfD.“ Die Frage sei, wie sich alle demokratischen Parteien seit Jahren zu der Realität stellten, dass nicht nur die AfD, sondern auch das, was sie sage, „immer mehr im Zentrum unserer Gesellschaft angekommen ist“. Auch die Grünen hätten in den ersten Jahren viel zu häufig von Protestwählern gesprochen. „Warum haben wir nicht ernst genommen, dass Millionen Menschen die AfD gewählt haben?“, fragt der Frankfurter Publizist. Vor allem habe man nur über die AfD-Wähler geredet und nicht mit ihnen gestritten, „nicht gefragt, warum sie zu gleichgültigen Demokraten geworden sind“.
Friedman macht sich deshalb Gedanken darüber, wie stark die Demokratie tatsächlich in Deutschland verankert sei. „Kann es sein“, fragt er, dass „die Demokratie, dieser Rasen, den wir entwickelt haben, weil er uns ja übergeben und auf den braunen Boden draufgelegt wurde, seine Wurzeln gar nicht so tief entwickelt hat, wie wir es uns eingeredet haben?“ Könne es sein, dass „wir uns überschätzt und die Gegner der Demokratie unterschätzt haben?“ Friedman fragt auch, wie es sein könne, dass die Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein Thema übersehen habe, das in der Bevölkerung, unabhängig davon, wo die Menschen politisch stünden, immer öfter zu Diskussionen führe – nämlich die Migration. Das von der Politik immer wieder angeführte Argument, Probleme gebe es nur bei der Umsetzung, sei den Bürgern einfach nicht mehr zu vermitteln. Wenn es ein Loch in der Straße gebe, dann reiche es nicht, zu versprechen, es zu stopfen, sondern es müsse tatsächlich passieren. Das wisse niemand besser als Lokalpolitiker, sagt er zu den Stadträten im Römer.
Nouripour: „Wir alle nicht wissen, wie es weitergeht“
Mit Blick auf Berlin warnt Friedman davor, jetzt das „Schwarze-Peter-Spiel“ zu spielen, wer für das Ergebnis verantwortlich sei. Das helfe nur der AfD. Stattdessen fordert er, in den verbleibenden Wahlkampfwochen über Wirtschaft, Industrie, soziale Fragen zu diskutieren und zu streiten.
Das ändere nichts daran, sagt Friedman, dass die Entscheidung der Union, sich der AfD auszuliefern, „einer der größten politischen Fehler der Bundesrepublik Deutschland ist“. Er habe die „naive“ Hoffnung, dass sich die Demokraten in Berlin nun berieten, um aus der Sackgasse herauszukommen. „Alles ist besser, als dass am Freitag die AfD ihren nächsten Triumph bekommt.“
Omid Nouripour, der aus Berlin gekommen ist, gesteht, dass „wir alle nicht wissen, wie es weitergeht – nicht an diesem Freitag und auch darüber hinaus nicht“. Das sei ein Novum in der Geschichte dieses Landes. Die Regel, nicht mit der AfD Politik zu machen, müsse „verdammt noch einmal wieder gelten“. Er wisse auch, dass es die Verantwortung der Politik sei, „zu liefern“. Das sei substanziell. „Wir müssen Demokratie erlebbar machen.“ Die Menschen müssten das Gefühl haben, es funktioniere, sagt Nouripour und wagt es dann, die Plakatparole „Zuversicht“ doch noch aufzugreifen. Es sei möglich, die Demokratie zu stärken – „mit dem Gang zur Wahlurne“.