Es sind schwere Vorwürfe, die der 39 Jahre alte Lkw-Fahrer aus Simbabwe erhebt. Nachdem er im Streit über seine Bezahlung seinem Auftraggeber mitgeteilt habe, dass er nicht weiterfahren werde, habe dieser versucht, ihn mitsamt dem Lastwagen von einem Rastplatz bei Erlangen nach Tschechien bringen zu lassen – so berichtet der Afrikaner es der F.A.Z. am Telefon. Nur weil die Polizei eingeschritten sei, sei er noch in Deutschland. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.
„Die Behauptung, dass Vertreter unseres Unternehmens versucht haben, einen Fahrer mit Gewalt aus einem Lkw zu entfernen oder ihn gegen seinen Willen mitzunehmen, ist falsch“, schrieb das Unternehmen Global Transporte am Freitagabend an die Redaktion. Unter der Grußformel steht „Management Global Transporte Slovakia“, die E-Mail wurde allerdings von der Adresse einer Mitarbeiterin von Global Transporte in der Tschechischen Republik verschickt. Dort hat das Unterenehmen seinen Hauptsitz.
Zuvor hatte das Polizeipräsidium Mittelfranken auf F.A.Z.-Anfrage mitgeteilt, eine Streife habe am 28. Januar nach Hinweisen eines Zeugen auf der A 3 einen Lastwagen mit zwei Insassen aus Simbabwe und Belarus gestoppt. Der Afrikaner habe angegeben, dass der andere Mann ihn gegen seinen Willen mitgenommen habe. Der Belarusse sei wegen Verdachts auf Freiheitsberaubung vorübergehend festgenommen worden. In der Mail von Global Transporte heißt es, die zuständige Staatsanwaltschaft habe einem Anwalt des Unternehmens schriftlich mitgeteilt, dass kein Straftatbestand festgestellt worden sei. Überprüfen ließ sich diese Angabe am Wochenende zunächst nicht.
Angeworben in Südafrika
Der Vorfall hat eine lange Vorgeschichte, sie beginnt im Dezember 2023 in Südafrika. Dort war der Simbabwer, dessen Name hier zu seinem Schutz verschwiegen wird, damals als Lkw-Fahrer unterwegs. Und dort habe damals Global Transporte Slovakia über einen Mittelsmann Fahrer angeworben, berichtet der Familienvater. Ein Monatsverdienst von 1500 Euro sei versprochen worden.
In den Verträgen, die das Unternehmen dann über seinen Agenten nach Südafrika geschickt habe, sei allerdings nur von 875 Euro die Rede gewesen. Gleichwohl seien ihm mündlich 1500 Euro zugesagt worden. „Das war viel im Vergleich zu dem, was ich in Afrika bekam“ – dort habe er 12.000 Südafrikanische Rand erhalten, das entspricht nach dem aktuellen Wechselkurs rund 600 Euro.
Der Lkw-Fahrer entschied sich also für einen Einsatz in Europa und beantragte mithilfe des Mittelsmanns Einreisepapiere bei der slowakischen Botschaft in Südafrika. Im Mai 2024 habe er ein Visum erhalten, im August sei er in Bratislava angekommen, sagt er. Den Flug habe er selbst bezahlt, ebenso wie die Reisedokumente und Gebühren für den Vermittler.
Bei seinem neuen Arbeitgeber habe er dann zusammen mit rund 30 weiteren Afrikanern einen Kurs machen müssen. Dieser, so sei ihm gesagt worden, sei zur Erlangung einer Fahrerlaubnis für die EU nötig.
„Gelebt habe ich im Truck“
Erst im Oktober 2024 seien alle nötigen Papiere da gewesen, seitdem sei er mit dem Lastwagen unterwegs. „Gelebt habe ich im Truck“, sagt der Mann. Andere Unterkünfte habe er sich nicht leisten können, denn seine Bezahlung sei viel schlechter gewesen als erwartet: Mitte Oktober habe er zwar einen „Vorschuss“ von 200 Euro erhalten, damit er sich Essen kaufen konnte, Ende Oktober dafür aber gar kein Geld. Im November habe er 395 Euro bekommen, im Dezember 580, zuletzt dann Mitte Januar 699 Euro.
Dass es nicht die im Vertrag festgeschriebenen 875 Euro gegeben habe und erst recht keine 1500 Euro, habe das Unternehmen mit Ausgaben für die Fahrer-Dokumente, den Kurs und die währenddessen gestellte Unterkunft in einem Hostel in der Slowakei begründet. Davon, dass er all dies bezahlen müsse, sei vorher keine Rede gewesen, sagt der Mann. Auf einem Foto eines Gehaltszettels, das er der F.A.Z. geschickt hat, sind tatsächlich hohe Abzüge für „employment documents“ aufgeführt, also für Dokumente, die für seine Beschäftigung beschafft worden sein sollen.
Von afrikanischen Kollegen, mit denen er nach dem Kurs eine Chat-Gruppe gegründet hatte, habe er erfahren, dass es ihnen nicht besser erging. Am 24. Januar, einem Freitag, hätten sie beschlossen, einfach nicht mehr weiterzufahren – und dies ihrem Ansprechpartner im Unternehmen, der in Tschechien sitze, auch mitgeteilt. Rund zehn Männer hätten sich an dem Ausstand beteiligt, alle an verschiedenen Orten, er selbst auf einem Rastplatz nahe Erlangen.
Am Montag seien dort vier Männer aufgetaucht und hätten ihn aufgefordert, ihnen den Lastwagen zu überlassen, was er abgelehnt habe. Sie hätten daraufhin die Polizei gerufen, die aber gesagt habe, sie werde sich nicht in eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung einmischen – daraufhin seien die vier abgezogen.
Bei einigen Dokumenten besteht Verdacht auf Fälschung
Am nächsten Morgen seien aber drei andere Männer gekommen und hätten versucht, in den Lastwagen einzudringen. Dieses Mal rief der Simbabwer die Polizei, die daraufhin die Dokumente aller Beteiligten kontrollierte – und auf Verdächtiges stieß: Sowohl der Simbabwer als auch seine Kontrahenten hätten „mutmaßlich gefälschte ADR-Bescheinigungen“ mitgeführt, heißt es vom Polizeipräsidium Mittelfranken. Das Kürzel stehe für eine Erlaubnis zum Führen von Gefahrguttransporten. Nach einer „erkennungsdienstlichen Behandlung“ in der Verkehrspolizeiinspektion Erlangen habe man den Fahrer zum Rastplatz zurückgebracht.
Doch kurz nachdem die Polizei weg war, kam einer der anderen Männer zurück. Der Simbabwer wurde nach eigener Aussage in der Fahrerkabine von dem Mann aus Belarus überrumpelt, der kurzerhand das Steuer übernommen und ihm gesagt habe, er werde nun nach Tschechien fahren. „Die Polizei dort wird dich festnehmen und nach Simbabwe zurückschicken“, habe der Mann gedroht.
Dem Afrikaner gelang es jedoch, einen Gewerkschafter anzurufen, den einer seiner Kollegen schon am Vortag kontaktiert hatte: Den Niederländer Edwin Atema von der Stiftung Road Transport Due Diligence (RTDD), die 2021 von mehreren Gewerkschaften gegrüdet wurde, um Missstände in der Transportbranche zu bekämpfen. Atema alarmierte die Polizei – die dann den Lastwagen stoppte.
Auch der Kontakt zur F.A.Z. kam über Atema zustande. Er hatte 2023 bereits zwei wochenlange Streiks osteuropäischer Lkw-Fahrer in Südhessen begleitet.
Die Gewerkschaft Verdi hat sich ebenfalls eingeschaltet und die Arbeitsbedingungen der simbabwischen Fahrer scharf kritisiert. In der Pressemitteilung ist auch von „Einschüchterungsversuchen durch die Arbeitgeber“ die Rede, die zu polizeilichem Einschreiten geführt hätten. Laut dem Gesprächspartner der F.A.Z. ließ das Unternehmen bei Kollegen, zu denen er in Kontakt steht, einfach die Anhänger von den Lkw abkoppeln und abtransportieren. In der Mail von Global Transporte heißt es, man sei „in Diskussionen mit den betreffenden Fahrern, um eine freundschaftliche Lösung zu finden“.
In der Verdi-Mitteilung wird darauf hingewiesen, dass Global Transporte zur in Baden-Württemberg ansässigen Spedition Hegelmann Group gehöre. Diese teilte auf Anfrage mit: „Die Hegelmann Group besteht aus verschiedenen Unternehmen, die in unterschiedlichen Ländern und Branchen als eigenständige rechtliche Einheiten tätig sind und keine gemeinsame juristische Person darstellen. Global Transporte ist ein Subunternehmen im Transportbereich, das von verschiedenen Unternehmen in Europa, unter anderem auch von uns, eingesetzt wird. Es agiert jedoch völlig unabhängig und wird von einer eigenen Geschäftsleitung geführt.“ Weiter heißt es: „Global Transporte handelt in Übereinstimmung mit allen geltenden gesetzlichen Vorschriften und arbeitet eng mit den zuständigen Institutionen zusammen.“ Die Hegelmann Group kontrolliere „kontinuierlich die Praktiken ihrer Lieferanten, um höchste Standards in der Geschäftstätigkeit zu gewährleisten“.