In Sturzflughaltung saust das Männchen abwärts – mit dem Kopf voran. Für den Spielwarenhersteller Playmobil soll diese Neuheit aber genau das Gegenteil bringen, nämlich einen Aufwärtskurs nach Jahren des Schrumpfens mit Stellenabbau. Bahri Kurter, seit eineinhalb Jahren an der Spitze der Traditionsmarke aus dem fränkischen Zirndorf, ist der Manager, der mithilfe der schnell rutschenden Figur die Wende herbeiführen soll. Auf der Nürnberger Spielwarenmesse preist er die meterhohe, individuell steck- und formbare Rutschbahn, die „Sky Trails“ – also Pfade am Himmel – getauft wurde, schon als „Innovation des Jahres“.
Und für Playmobil-Maßstäbe sind die Sky Trails überaus innovativ. In der Welt der 7,5 Zentimeter großen Figuren ging es bislang eher beschaulich zu. Bauernhof, Einkaufszentrum, Bauarbeiterszenerie. Und die Figuren haben immer ein Lächeln im Gesicht. Man kann sagen, es war so beschaulich, dass auch das Interesse von Kindern schwand. Gemessen an den Endkundenausgaben im deutschen Spielwarenhandel soll die Marke, die dort mal mit Lego in der Spitzengruppe war, nach Marktforschungsdaten 2024 nur noch auf Rang acht gelandet sein.
An der Rutschschiene hängend kommen die Figuren nun auf Tempo. Auf Bahnen, auf denen etwas über Loopings und Katapulte abwärtsrauscht, haben allerdings in den vergangenen Jahren auch die deutschen Anbieter Ravensburger und Kosmos gesetzt. Bei denen rollen allerdings Kugeln, Playmobil lässt seine charakteristischen Figuren sausen.
Neues in Rekordzeit entwickelt
Mehr Geschwindigkeit, das will der 58 Jahre alte Kurter auch für die Horst Brandstätter Holding , das Unternehmen hinter der Marke Playmobil. Die Sky Trails seien „in Rekordzeit von nur zwölf Monaten“ entwickelt worden. Er kündigt eine „Produktoffensive“ an, für die nächsten zwei Jahre habe man schon eine ganze Reihe an Innovationen „in petto“.
Lange stand die Marke dafür, dass Kinder mit Playmobil-Figuren Alltag nachstellen. Das begeistere noch Kinder bis acht Jahre, früher habe die Spanne aber bis zu einem Alter von zehn Jahren gereicht, lautet eine Erklärung Kurters für das geschrumpfte Playmobil-Geschäft. Nun gibt er den Dreiklang „Bauen, Action, kreatives Spiel“ aus. So werde man auch wieder Zwölfjährige mit Playmobil-Figuren sehen.
In Markttests hätten 90 Prozent der befragten Kinder gesagt, sie liebten das Sky-Trails-Produkt, fast alle hätten es sofort kaufen wollen, sagt Kurter. Offen bleibt, ob ihnen auch der Preis genannt wurde. Playmobil will das Startset vom kommenden Herbst an für 79 Euro anbieten. Das ist mehr, als andere Hersteller für ihre Kugelbahnen verlangen – und wirkt sehr ambitioniert, zumal für die Herstellung der Rutschbahnteile und -stützen weniger Kunststoff nötig sein dürfte als für traditionelle Playmobil-Häuser.
Ein Drittel des Umsatzes verloren
Hohe Zahlen gab es für das Unternehmen zuletzt seltener. Im Geschäftsjahr bis Ende März 2024 war der Umsatz der Horst Brandstätter Group auf 490 Millionen Euro gefallen, im Vorjahr waren es noch 571 Millionen Euro, noch zwei Jahre zurück waren es 721 Millionen Euro – ein Drittel des Geschäfts brach binnen kurzer Zeit weg. Das Unternehmen veröffentlichte das stets etwas verdruckst. Kurters Art scheint das nicht zu sein. „Playmobil hat bessere Zeiten erlebt“, gibt er offen zu. Mehr noch: Er spricht von einem „dramatischen Rückgang“. Auf den habe er nach der Übernahme seines Posten reagieren müssen. „Das war schmerzhaft und nicht leicht“, sagt er.
Im vergangenen Jahr hatte Playmobil den Abbau von 700 Stellen angekündigt. Kompliziert wurde dieser Schritt, weil Kurter zur Übernahme des Postens eine scheinbar endlose Fehde zwischen Management und Arbeitnehmervertretern erbte, die Gerichte beschäftigte. Über eine Einigungsstelle gelang es zuletzt dann doch, einen Sozialplan für die betroffenen Beschäftigten im Konsens zu finden. „Mein Ziel ist es, die Belegschaft mitzunehmen. Da haben wir Fortschritte gemacht, wir sind auf einem guten Weg“, sagt er.
Dass gerade der Betriebsrat komplett zurückgetreten ist, soll kein Zeichen einer neuen Eskalation sein. Zwar gebe es mal Meinungsverschiedenheiten, das Verhältnis habe sich aber normalisiert. Dazu passt, dass auch der Betriebsrat öffentlich Spekulationen über Unstimmigkeiten widersprach. Der Rücktritt soll vielmehr erfolgt sein, um nach möglichen Fehlern bei der letzten Betriebsratswahl einen Zustand der Rechtsunsicherheit zu vermeiden und möglichst schnell zu Neuwahlen zu kommen.
Anstoß von außen
In Branchenkreisen wähnte zuletzt sogar mancher sorgenvoll Playmobil mit Umsatzschwund und Streitereien schon im freien Fall. Kurter tritt dem nun entgegen. Dass er Produkte vorführen kann, die es so noch nie von Playmobil gab, ist dafür hilfreich. Schließlich kann er nun über Spielstunden statt über Querelen sprechen. Das garniert er mit prägnanten Sätzen. „Wir wecken Superkräfte“, gibt er als Slogan aus. „Wir wollen aus unseren Kunden Fans machen“ ist noch ein Ausspruch.
Kurter präsentiert sich als der branchenfremde Manager in der Spielewelt, der nur geholt werden musste, damit ein traditionsreicher Hersteller wieder auf Kurs kommt. Denn mit Artikeln für Kinderzimmer hatte er vorher nie zu tun. Er kümmerte sich in verschiedenen Positionen um Konsumgüter von Procter & Gamble, Turnschuhe von Nike und Puma, Küchenartikel von Krups und Tefal sowie Reifen von Nokian Tyres. Playmobil will er zu größeren Zahlen und einem neuen Antlitz verhelfen.
Und einiges deutet darauf hin, dass der Anstoß von außen, durch einen branchenfremden Manager, etwas in Bewegung gebracht hat. Beobachter hatten in dem Unternehmen auch Beharrungskräfte für das Traditionelle ausgemacht. Undenkbar dürfte vor nicht langer Zeit gewesen sein, dass eine Produktserie eben nicht Playmobil heißt. Bei den Sky-Trails-Packungen soll der Name der neuen Linie groß aufgedruckt sein, Playmobil steht nur noch klein in der unteren Ecke. Denn Kurter kalkuliert damit, Kinder für die sausenden Figuren zu begeistern, die in jüngeren Jahren gar keine Berührungspunkte mit dem Namen Playmobil hatten.
Mit diesem für das Unternehmen neuen Ansatz sieht er sich trotzdem in einer Tradition stehend. „Nichts ist schlimmer, als wenn alles so bleiben soll, wie es ist“, zitiert er den wirtschaftlichen Vater der Playmobil-Figuren, Horst Brandstätter, der 2015 verstorben ist. Besucher auf seinem Stand auf der Nürnberger Spielwarenmesse sehen noch eine Änderung: Bislang trat das Personal dort in Anzügen so blau wie Playmobil-Schachteln an, nun gibt es legere Baseballjacken mit Playmobil-Aufnäher.