Ich glaube nicht, dass Trump die Schulden in den Griff bekommt. Es wäre schon gut, wenn er das Defizit nicht sehr ausweitet. Viele der alten Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit laufen in diesem Jahr aus. Jetzt kommt es darauf an, wie die Verhandlungen mit dem Kongress laufen. Es kann aber auch passieren, dass das Defizit noch weiter wächst. Es liegt jetzt schon bei 6,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Wie weit kann man das noch treiben?
In Deutschland lag die Quote zuletzt bei 2,1 Prozent. Aber wie geht es für die USA weiter?
Die gute Nachricht für die USA ist, dass der Rest der Welt auch nicht so gesund aussieht. Aber irgendwann leisten die Märkte Widerstand.
Früher waren amerikanische Staatsanleihen in Krisen bei Investoren oft als sicherer Hafen beliebt. Inzwischen ist das anders.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Ich glaube immer noch, dass amerikanische Staatsanleihen als die sicherste Geldanlage der Welt gelten und in schlechten Zeiten noch am ehesten einen Markt haben. Die Notenbank hat auch immer wieder in den Handel eingegriffen, um das zu sichern. Aber der Staatshaushalt ist schon wichtig. Wenn man ständig Defizite macht, fangen die Investoren irgendwann an, Fragen zu stellen. Das muss nicht plötzlich kommen, aber vielleicht ziehen die Zinsen allmählich an.
Was heißt das für die Stabilität der Finanzmärkte, wenn die sicherste Anlage der Welt nicht mehr so sicher ist?
Der Wert einer Staatsanleihe wird natürlich von der Politik beeinflusst. Kann man auch mal einen Kompromiss schließen? Oder wird man sich im Kongress nicht einig? Dann bleibt nur, mehr Geld auszugeben. Viele Schwellenländer sind in Schwierigkeiten gekommen, weil sie immer mehr Geld ausgegeben haben, statt ordentliche Kompromisse zu machen.
Daran ist auch in Deutschland die letzte Bundesregierung gescheitert.
Genau. In diesen unsicheren Zeiten stehen viele Länder vor so einer Frage: Wie bringen wir den Staatshaushalt in Ordnung? Und das heißt immer: Wie kriegen wir die Politik wieder in Ordnung?
Wir sind in unerforschtem Gebiet, so etwas gab es bisher nur nach dem Zweiten Weltkrieg für eine kurze Zeit. Die Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff haben gesagt: Wenn die Staatsverschuldung auf mehr als 90 Prozent steigt, wird es gefährlich. Jetzt ist es schwierig, überhaupt ein Land unter 100 Prozent zu finden, außer Deutschland.
Glauben Sie dieser Studie noch, nachdem darin ein Excel-Fehler gefunden wurde?
Da ist ein Versehen passiert, aber die Zahlen sprechen immer noch dafür, dass bei höheren Schulden das Wachstum schrumpft. Es gibt keine magische Grenze, ab der das Wachstum negativ wird. Reinhart und Rogoff haben die Welt vor den Risiken eines zu nachlässigen Umgangs mit Schulden gewarnt, und das ist die richtige Botschaft. Wir sind jetzt jedenfalls auf einem höheren Schuldenniveau als dem, das wir vor zehn Jahren gefährlich fanden.
Sollte Deutschland seine Schuldenbremse lockern?
Jede Beschränkung kann zeitweise gut sein: ein äußerer Zwang, der die Politik dazu bringt, sich zu einigen. In Schwellenländern übernimmt das oft der Internationale Währungsfonds. Aber wann werden die Regeln zu eng?
Deutschland hat den gesündesten Staatshaushalt in Europa. Ich sage also nicht, die Schuldenbremse sei schrecklich gewesen. Sie hat einen Zweck erfüllt. Die Frage ist: Bringt sie jetzt mehr Nutzen als Kosten? Deutschlands Infrastruktur hat zuletzt gelitten.
Man darf daran zweifeln, ob noch mehr Geld vor lauter Bürokratie und Arbeitskräftemangel überhaupt gut ausgegeben werden könnte.
All das muss man genau ansehen. Man wirft nichts weg, das mal gut war, ohne es sich genau anzusehen. Ich würde dann eher für eine gewisse Zeit davon abweichen.
Wann schafft es die Politik wieder, in vielen Ländern mit weniger Schulden auszukommen?
Das kann länger dauern. Ich persönlich glaube, dass der technische Fortschritt die Politik erschwert hat. Es sind viele Arbeitsplätze mit mittleren Einkommen verloren gegangen, vor allem von Männern.
Das hat besonders die USA getroffen.
In Europa ist es auch geschehen.
Da haben die Gewerkschaften einiges an Jobverlusten verhindert, indem sie für die Weiterbildung der Mitarbeiter gesorgt haben.
Sie haben es verzögert. Weiterbildung ist gut. Aber Aufgaben, die sich leicht automatisieren lassen, kann man auf Dauer nicht schützen.
Und jetzt kommt die Künstliche Intelligenz.
Das ist ein großes Thema. Niemand weiß, wie viel davon Hype ist – und niemand weiß, wo wir in fünf oder zehn Jahren stehen.
Es sind schon viele Fortschritte zu sehen, die jetzt erst noch in die Arbeitswelt gebracht werden müssen.
Da stellt sich die Frage: Welche Arbeitsplätze werden verschwinden? Und welche Aufgaben werden durch Technik so erleichtert, dass wir dafür weniger Arbeitskräfte brauchen? Eine Folge könnte sein, dass Arbeit dadurch günstiger wird – und wieder stärker nachgefragt. Niemand weiß, wie das ausgeht. Ich bin nicht so sicher, dass es viel Arbeitslosigkeit geben wird.
Erst recht nicht, wenn gleichzeitig die Zahl der Arbeitskräfte abnimmt.
Genau. Und wir wissen nicht, wie viele hoch qualifizierte Arbeitsplätze betroffen sein werden. Es ist jedenfalls für die KI noch ziemlich schwierig, einen Klempner zu ersetzen. Und dann die Jobs von Ihnen und mir, in denen es viel ums Denken geht. Auch da herrscht große Unsicherheit. Wir müssen also flexibler sein. Und uns fragen: Wodurch unterscheidet sich ein Mensch vom Roboter? Vielleicht durch Gefühlsregungen.
Künstliche Intelligenz ist empathischer als der durchschnittliche Arzt.
Das kann schon sein. Dann bekommt der Arzt Wettbewerb und muss besser werden, vielleicht auch selbst Künstliche Intelligenz einsetzen.
Zurück zu Donald Trump. Wie schwierig wird es mit ihm alles in allem für die Finanzmärkte?
Es wird ziemlich holprig. Er will einiges verändern. Und er arbeitet ganz anders als die vorherige Regierung. Es gibt natürlich eine breite Haltung in den USA, die sich nicht ändert: China wird als Bedrohung gesehen, sein Wachstum soll begrenzt werden. Aber die Methoden könnten sich unter Präsident Trump spürbar unterscheiden.
Man kennt ihn jetzt besser. Wir wissen, was Trump vor vier Jahren gemacht hat.
Wir kennen eine frühere Version von ihm. Und er ist ja ein Mann, der sich verändern kann. Wir müssen also abwarten, was jetzt herauskommt. Auf jeden Fall müssen wir für eine Weile Aufs und Abs erwarten. Es ist ja interessant, dass es in seiner Unterstützerkoalition so viele verschiedene Kräfte gibt. Normalerweise hat amerikanischer Populismus nicht so viele Milliardäre an der Spitze. Die Frage ist, wer sich durchsetzen wird, die Milliardäre oder die Populisten. Das müssen wir abwarten.
Und wenn Zölle kommen, was wird dann aus dem Dollarkurs?
Erst mal wird das amerikanische Handelsdefizit kleiner.
Dann werden die USA für Investitionen attraktiver, noch mehr Dollar gehen in die USA. Beides würde zu einem stärkeren Dollar führen. Aber was passiert, wenn die anderen Länder Zölle erheben – nicht nur auf amerikanische Exporte, sondern auch auf Dienstleistungen, zum Beispiel digitale Dienstleistungen? Dann geht es in die andere Richtung. Wir müssen sehen, wie das ausgeht.
Es könnte auch passieren, dass die anderen Länder mehr untereinander handeln, ohne die USA.
Solche Versuche wird es geben. Aber denken Sie daran: Wir kommen aus einem Ungleichgewicht. Wenn chinesische Güter aus den USA herausgedrängt werden, dann werden sie irgendwo anders hingehen wollen, und das ist für den Rest der Welt auch nicht schön. Der Rest der Welt wird sich dagegen wehren, und so führt das Ungleichgewicht selbst zu einem gewissen Antagonismus zwischen den anderen Ländern.
Jörg Kukies, unser aktueller Finanzminister, war mal Ihr Student. Wie gut erinnern Sie sich an ihn?
Er war ein sehr guter Student. Wir haben uns vor ein paar Jahren wiedergesehen. Es ist immer gut, wenn Studenten Erfolg haben.