Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, hat die Chance seiner Parteitagsrede genutzt, um ein Angebot zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft auszusenden. Auf diese klare Kursbestimmung haben vermutlich nicht nur in der Wirtschaft viele gewartet. Nach zwei Schrumpfungsjahren zeugen Umfragen von großen Sorgen einer Mehrheit der Bürger über die Schwäche der deutschen Wirtschaft, die auch wegen politisch verursachter Standortnachteile schwer zu kämpfen hat. Es gibt wachsende Zweifel, ob sie wieder so stark und wettbewerbsfähig werden kann, um jene Erträge zu liefern, ohne die sich Freiheit, Sicherheit und Wohlstand nicht erhalten lassen.
Merz griff die Sorgen im ernsten Ton auf, ein wichtiger Kontrast zu seinem auf Pointen zielenden Vorredner Söder. Anders als der CSU-Chef schielte Merz nicht auf den Unterhaltungswert seiner Worte: Seine Rede sollte noch einmal glasklar machen, dass die Union am 23. Februar um ein Mandat für zwei gleichermaßen wichtige Richtungsentscheidungen bittet. In beiden geht es um Rückbesinnung des Staates auf seine eigentliche Rolle. In der Migration ist das ein stärkerer Schutz der Grenzen, in der Wirtschaftspolitik muss der Staat hingegen wieder lernen, die Grenzen seiner Zuständigkeit zu respektieren – im Interesse größerer wirtschaftlicher Freiheit seiner Bürger.
Zurecht strich Merz heraus, was SPD und Grüne verkennen: Der Staat ist in der deutschen Wirtschaftsordnung nicht als Unternehmer gefragt. Seine wichtigsten Aufgaben liegen im Schutz von Eigentum und Berufsfreiheit als Voraussetzung für Leistungsbereitschaft. Und sie liegen darin, gute Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu setzen, statt wenige mit Subventionen in politisch erwünschte Geschäfte zu lenken oder überholte Geschäftsmodelle zu stützen, um Arbeitsplätze zu halten. Scharf attackiert Merz die „übermäßige Staatsgläubigkeit“ von SPD und Grünen, die freilich von großen Koalitionen unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel genährt wurde.
Der Staat muss effizienter werden
Merz zeigt sich entschlossen, Fehlentscheidungen der Merkel-Jahre nicht nur in der Migrationspolitik auch gegen Widerstände zu korrigieren. Mit Blick auf den unter Merkel vorangetriebenen Atomausstieg sagt er nun zu: Die Union werde sich vom Zeitgeist und den Grünen „nie wieder“ in Entscheidungen treiben lassen, die sich – wie der Atomausstieg – später als falsch herausstellten. Als Lehre setzt Merz auf Offenheit für neue Technologien, nicht zuletzt, um Klimaschutz effizienter zu erreichen.
Knapp drei Wochen vor der Wahl hat Merz die Bürger – wenn auch vorsichtig – darauf eingestimmt, dass aus dem angestrebten Richtungswechsel mehr Zumutungen folgen als im „Sofortprogramm“ der Partei erkennbar. Der Weg zurück an die wirtschaftliche Spitze werde angesichts des Tempos, mit dem sich die Welt wandele, nicht einfach. Es gelte, die „Ärmel aufzukrempeln“, mehr zu arbeiten. Eine von ihm geführte Regierung werde aber keine Entscheidung mehr treffen, die der Wettbewerbsfähigkeit schadet und sie werde den Abbau der überbordenden Bürokratie in Europa zu einer „Daueraufgabe“ machen. Eine über vier Jahre verteilte Steuersenkung von 30 auf 25 Prozent soll die Unternehmen entlasten, eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und höhere Spitzensteuersätze der Einkommensteuer schloss Merz aus.
Das sind die richtigen Signale, ebenso der Hinweis, dass der Staat viel effizienter werden muss, wenn er seine Aufgaben ohne Sprengung des geltenden Schuldenrahmens oder Erhöhung von Steuern und Abgaben zu Lasten privater finanzieller Spielräume erfüllen will. Das geht nicht ohne Umbau von Behörden und Reduzierung von Aufgaben. Daraus folgt auch: Geld für neue soziale Leistungen kann es – solange die Wirtschaft nicht wieder in die Spur findet – nur durch Kürzungen bestehender Hilfen geben.
In diese Kerbe hauen Rot und Grün, die mit noch mehr schuldenfinanzierter Umverteilung werben. Ihre misslungene Bürgergeldreform, der die Union fahrlässig zustimmte, zeigt aber: Auch im Sozialstaat ist Korrekturbedarf da überfällig, wo er Arbeits- und Leistungsanreize zerstört. Dass die Union das Bürgergeld wieder zu einer Grundsicherung im engen Sinn machen will, zeugt von ihrem Willen, sich der Sozialstaatsreform zu stellen – auch wenn hier im Programm Lücken klaffen. Wie will sie die Defizite der Sozialkassen in den Griff bekommen? Rentner steuerlich begünstigt zur Weiterarbeit zu animieren, wird der Größe der Aufgabe nicht gerecht.
Immerhin: Wer die zur Wahl stehenden Angebote der Parteien der Mitte mit marktwirtschaftlichem Blick prüft, wird bei der Merz-Union einiges finden. Für den doppelten Kurswechsel braucht Merz allerdings ein starkes Mandat.