Noch immer rätselt die Welt, wie Donald Trump seine Ankündigung, den russischen Krieg in der Ukraine zu beenden, in die Tat umsetzen will. Nach einem Schockmoment für Kiew am Wochenende, an dem Washington die Militärhilfe für die Ukraine kurzzeitig ausgesetzt und dann wieder zugelassen hatte, erklärte Trump am Montagabend vor Journalisten, er werde von der Ukraine Rohstoffe als Kompensation für Waffenlieferungen verlangen. „Wir sagen der Ukraine, dass sie sehr wertvolle Seltene Erden haben“, sagte der amerikanische Präsident. „Wir wollen einen Deal mit der Ukraine machen, bei dem sie das, was wir ihnen geben, mit ihren Seltenen Erden und anderen Dingen absichern.“
Die Verteidigung könnte damit zu einer Sache des Geschäfts werden, wobei der ukrainische Präsident daran nicht ganz unschuldig ist. In seinem fünf Punkte umfassenden „Siegesplan“, den er im vergangenen Herbst in den USA auch den Kandidaten für das Präsidentenamt, Kamala Harris und Donald Trump, vorstellte, enthält der vierte Punkt explizit Vorschläge für Vereinbarungen „zum Schutz und der gemeinsamen Nutzung kritischer Ressourcen“ wie Uran, Titan und Lithium. Dieser Punkt ist auch Ausdruck der verzweifelten Lage, in der sich Selenskyj nach drei Jahren Abwehrkampf gegen Russland befindet. Ohne weitere westliche Unterstützung wäre sein Land Putin praktisch ausgeliefert.
Die Ukraine hat die zweitgrößten Lithium-Vorkommen in Europa
Die Ukraine zählt zu einem der rohstoffreichsten Länder der Erde. Sie ist einer der größten Eisenerzproduzenten weltweit, und die zentralukrainische Region Krywbas, aus der auch Selenskyj stammt, gilt mit ihren Erzminen und Stahlwerken als wichtigste Eisenerzregion Osteuropas. Auch verfügt die Ukraine über erhebliche Kohlevorkommen die sich überwiegend im heute von Russland besetzten Donbass befinden, und sie hat nach Norwegen die zweitgrößten Erdgasvorkommen Europas sowie erhebliche Erdölreserven.
Besonders interessant für die heutige Weltwirtschaft sind jedoch bedeutende Vorkommen an Seltenen Erden, die Trump nannte. Dazu gehören etwa Kobalt, Mangan, Lithium und Titan. So zählt die Ukraine nach Angaben von Ministerpräsident Denys Schmyhal weltweit zu den zehn größten Produzenten von Titan, Kaolin, Mangan, Zirkon und Graphit. Der Europäische Union zufolge verfügt das Land über 22 der 30 von der EU als kritisch eingestuften Rohstoffe; erst 2021 hatte die EU mit der Ukraine eine „strategische Rohstoffpartnerschaft“ geschlossen. Vor allem aber Lithium, das für Batterien benötigt wird, ist wegen des weltweiten Trends zu regenerativen Energien und Elektromobilität besonders wertvoll geworden.
Nach Schätzungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften beträgt das Lithium-Vorkommen in der Ukraine zwischen 500.000 und 750.000 Tonnen. Verglichen mit den größten bekannten Lithium-Lagerstätten der Welt in Südamerika (Chile verfügt über gut neun Millionen Tonnen) klingt das nicht viel. Doch zählt die Ukraine damit nach Serbien, das über gut eine Million Tonnen verfügt, zu den Ländern mit den größten Lithiumreserven in Europa, die auch erheblich größer als die Vorkommen in Russland sind.
Russland hält rohstoffreiche Gebiete besetzt
Bisher baut die Ukraine jedoch nichts ab, weil sich ein erheblicher Teil der Lagerstätten nahe der Front im Gebiet Donezk befindet. Noch 2011 hatte sich dort die australische Firma European Lithium, die ihre Europazentrale in Kärnten in Österreich hat, wo sie ebenfalls Lithium fördern will, die Abbaurechte gesichert. Doch mit der russischen Besetzung der Ostukraine 2014 und erst recht seit dem großangelegten Überfall acht Jahre später ist ein Abbau in weite Ferne gerückt, zumal die nordwestlich von Donezk gelegene Kleinstadt Schewtschenko, in deren Nähe es eines der größten Vorkommen gibt, Ende 2024 in russische Hände fiel. Weitere Lagerstätten in den zentralukrainischen Gebieten Kirowograd und Saporischschja harren bisher des Abbaus.
Die kanadische Denkfabrik SecDev hat ermittelt, dass Russland Rohstoffvorkommen in der Ukraine im Wert von mehr als zwölf Billionen Euro besetzt hält, darunter zwei Drittel der Kohle- und fast die Hälfte der Erzminen, aber auch ein Drittel der Lagerstätten Seltener Erden. Diese stehen Kiew auf absehbare Zeit ohnehin nicht für die von Trump gewünschte Kompensation zur Verfügung. Aus Europa kam auch umgehend Kritik an Trumps Deal-Wünschen. Es wäre „sehr egoistisch, sehr selbstbezogen“, die Verteidigungshilfe mit ukrainischen Ressourcen zu kompensieren, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Montagabend. Die Ressourcen würden gebraucht, um den Wiederaufbau zu finanzieren.