Was wir aus Trumps erstem Handelskrieg lernen können

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Als Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit die Handelspolitik zu seiner Arena machte, lief das grob nach folgendem Muster ab: Er drohte über Twitter drakonische Zölle an. Handelspartner gerieten in helle Aufregung. Regierungen und Unternehmen suchen nach Lösungen, die Trump als große Siege verkaufen kann. Die Aufregung legte sich, die Zölle bleiben aus. Trump erklärte sich zum Sieger. Sein „Make America Great Again“-Fußvolk feiert seinen Helden. Und ein paar Jahre später entdeckte man, dass das alles ziemlich kostspielig ist. So beschreibt es Scott Lincicome, Handelsexperte der Denkfabrik Cato.

Tatsächlich hatte Trump in seiner ersten Amtszeit viel mehr Zölle angedroht, als sich am Ende materialisierten. Die Autozölle sind so ein Beispiel: Monatelang hielt Trump die EU, allen voran Deutschland, 2018 mit der Drohung in Bann. Mit Zöllen von mindestens 20 Prozent wollte Trump die Einfuhr belegen. Die Europäische Kommission stellte dem die Androhung von Gegenzöllen von bis zu 50 Milliarden Euro gegenüber. Dann reiste Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach Washington, um Trump zu treffen, und ersparte der EU die Autozölle mit einem Deal.

So zumindest lautet die Lesart, die von der Kommission verbreitet wurde. Dass Juncker mit Trump „konnte“, hat sicherlich eine Rolle gespielt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es großen innenpolitischen Druck auf Trump gab, auf die Autozölle zu verzichten. Im Gegenzug sagte Juncker Trump zu, mehr Soja und verflüssigtes Gas (LNG) zu importieren. Das geschah auch, wenn auch nur, weil sich die Einfuhr beider Produkte zu der Zeit für die Europäer lohnte. Dauerhaft Ruhe hat der EU der Deal von Juncker und Trump auch nicht eingebracht. Trump droht bis heute mit Autozöllen.

Jeans, Whiskey, Motorräder von Harley-Davidson

Was ist die Lehre? Trump reagiert auf Druck, zumindest gelegentlich, ohne je Ruhe zu geben. Und so richtig verlassen kann man sich nicht darauf. Denn als er in seiner ersten Amtszeit Zölle von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium erhob, die die EU und viele andere Länder trafen, protestierten amerikanische Wirtschaftsverbände und Ökonomen. Sie warnten, dass damit Amerikas stahlverarbeitende Betriebe in die Krise gerieten, nur um ein paar Stahlkocher zu retten. Es half nichts. Auch die Gegenmaßnahmen der EU und andere Länder führten nicht dazu, dass Trump nachgab.

Dabei ging die EU besonders gezielt vor. Sie erhob Gegenzölle auf Stahlprodukte und traditionelle amerikanische Waren wie Jeans, Whiskey, Motorräder von Harley-Davidson oder auch Erdnussbutter. Letztere sollten vor allem die Wähler und Unterstützer von Trump treffen. Die EU traf damit Waren im Wert von 2,8 Milliarden Euro, während die US-Zölle Waren im Wert von 6,4 Milliarden Euro trafen. Erst unter Trumps Nachfolger Joe Biden wurde der Handelskonflikt auf Eis gelegt.

Etwas anders verlief der Konflikt mit China, das Trump schon im Wahlkampf attackiert und mit heftigen Zollaufschlägen bedroht hatte. Keine drei Monate nach Beginn seiner ersten Amtszeit empfing Trump seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping im Luxusressort Mar-a-Lago. Trump sprach dort von „enormen Fortschritten“, die man im Verhältnis zu China gemacht habe. Xi stimmte zu. Wenig später gab es sogar ein kleines Handelsabkommen. China war es gelungen, Trump Honig um den Mund schmieren, so schien es. Doch die Beziehung kippte.

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“

Wenige Monate später begann Trump, Zölle zu erheben. Erst ging es um einzelne Produkte. Als er dann chinesische Einfuhren in Höhe von 60 Milliarden Dollar mit Zöllen belegte, konterte China mit Gegenzöllen. Es folgten in den Monaten danach immer neue Zölle, China entgegnete nach dem Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Die Strategen in Peking nahmen vor allem jene Produkte ins Visier, die symbolische Wirkung hatten und Trump wehtaten: Stahl, Autos und Sojabohnen aus Trump-Hochburgen. Das ging so lange, bis die USA so viele chinesische Einfuhren mit Zöllen belegt hatte, dass den Chinesen keine US-Einfuhren mehr blieben, die sie hätten kontern können.

Peking fuhr in dieser Zeit eine doppelte Strategie. Einerseits wollte die Führung um Präsident Xi ins Inland Stärke demonstrieren, um sich die Unterstützung der Bevölkerung in dem Handelskonflikt zu sichern. Kam es zu wirtschaftlichen Folgen im Inland, war damit immer klar, dass der Schuldige in Washington sitzt. Anderseits präsentierte sich China als Verfechter eines freien Welthandels und Trump als Gefahr für dessen Stabilität.

China konterte die US-Maßnahmen, eskalierte aber nicht. Gleichzeitig untergrub Peking die Wirksamkeit der Zölle. Es wertete die chinesische Währung ab und verbilligte so Chinas Ausfuhren. Die USA bezichtigten China der Währungsmanipulation. Anfang 2020 gab es dann einen Waffenstillstand. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt einigten sich auf ein „Phase Eins“-Abkommen. China versprach, 200 Milliarden US-Dollar mehr an Produkten aus den USA zu importieren. Einige Zölle wurden erlassen, viele blieben jedoch in Kraft. Umgesetzt wurde das aber nie, weil die Welt wenige Tage später von der Corona-Pandemie erfasst wurde.

Inzwischen hat China seine Waffen für den Handelskrieg geschärft. So nutzt es die dominante Position bei wichtigen Rohstoffen, indem es deren Export einschränkt. Der Anteil der USA am chinesischen Export ist deutlich gesunken. Der erste Handelskrieg war ein Weckruf für Chinas Wirtschaft, sich zu internationalisieren. Sie baute Fabriken in Mexiko oder Südostasien, um die Zölle zu umgehen. Die meisten Zölle blieben auch unter Biden in Kraft. Hier spiegelte sich, dass Demokraten und Republikaner China zunehmend als feindselige Macht betrachteten, die mit unlauteren Handelspraktiken und geostrategischen Expansionsplänen globale Hegemonie anstrebt.

Die Folgen der Handelskonflikte für die US-Wirtschaft blieben überschaubar. Zwar erhöhten sich die Importzölle zum Teil deutlich, aber sie betrugen im Schnitt trotzdem nur 2,5 Prozent in einem Land, in dem der Außenhandel eine deutlich kleinere Rolle spielt als in den meisten Industrieländern. Studien kamen zum Ergebnis, das die Importeure die Kosten weitgehend auf die US-Kunden überwälzten und sich inflationäre Effekte eingestellt hätten. Weil aber schnell die Pandemie mit ihren Lieferketten-Disruptionen ausbrach, waren die Wirkungen schwer auseinander zu halten.

Trump verfehlte allerdings das Ziel, die US-Industrie zu vergrößern. Die Federal Reserve verzeichnete 12,4 Millionen Industrie-Arbeitsplätze, als Trump im Januar 2017 Präsident wurde, und 12,2 Millionen, als er im Januar 2021 aus dem Amt schied. Auch beim zweiten großen Ziel, der Reduzierung des Handelsbilanzdefizits der USA, scheiterte er grandios. Das kombinierte Handelsdefizit der USA bei Waren und Dienstleistungen stieg im Jahr 2020 auf 679 Milliarden US-Dollar, verglichen mit 481 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016, dem Jahr vor Trumps Amtsantritt. Das Handelsdefizit allein bei Waren erreichte sogar ein Rekordhoch.