Hinter den Grünen liegen schwierige Wochen. Ihr Wahlkampf läuft anders als gedacht und schlechter als von ihnen erhofft. In Umfragen liegt die Partei bei etwa 13 Prozent. In der Partei ist von einer starken Mobilisierung der Anhänger die Rede; Habecks Küchentisch-Aktion habe Aufmerksamkeit und Interesse gefunden.
Zu Tausenden strömen die Anhänger zu den Wahlveranstaltungen. Mehr als 30.000 Personen sind Bündnis 90/Die Grünen seit Anfang November beigetreten. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Mitgliedschaft auf etwa 150.000 mehr als verdoppelt. Ganz gegen den Trend bei SPD, Union oder FDP. Wo Habeck derzeit auftritt, wirkt er auf seine Anhänger wie ein Popstar.
Binnenerfolg ohne Außenwirkung
Der Binnenerfolg täuscht über die Außenwirkung hinweg. Von dem „Momentum“, das ihr Spitzenkandidat Robert Habeck auf seinen Wahlkampfveranstaltungen beschwört, ist außerhalb der Hallen wenig zu spüren. Vielerorts hat sich die Abneigung gegen die Grünen zur strikten Ablehnung verfestigt. Die Abstimmungsschlacht im Bundestag zur Migration hat daran wenig verändert.
In der Parteizentrale wird das registriert. So erklärt sich, warum die Grünen kurzfristig 10 Punkte für eine „Sicherheitsoffensive“ veröffentlichten. Wenige davon finden sich im Wahlprogramm. Im Gegenteil: Dort setzen sie einen Schwerpunkt bei der Ausweitung des Familiennachzugs und dem Verzicht auf den Nachweis von Deutschkenntnissen. Grüne Spitzenpolitiker erneuerten fast täglich ihr Angebot an Friedrich Merz und die Union, über Migrations- und Sicherheitsgesetze zu verhandeln. Sie tun das, um aus der Defensive zu kommen.
Die Misserfolge grüner Wirtschaftspolitik, Entscheidungen zum Klimaschutz, Auftritte der Außenministerin Annalena Baerbock, ihre Haltung in der Migrationspolitik – das alles hat viele Wähler verstimmt. Auch solche, die sich vor drei Jahren noch vorstellen konnten, der Partei ihre Stimme zu geben. Vergeblich versuchen die Parteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak bisher, Teile der Union, vor allem in Ostdeutschland und in der CSU, von einer Koalitionsabsage abzubringen.
Anführer der Bewegung ist Markus Söder. Der CSU-Vorsitzende sagte kürzlich: „Für mich ist schwarz-grün echt tot.“ Auch Friedrich Merz macht nun verschärften Wahlkampf gegen die Grünen. Und Habeck seinerseits lässt den „Wortbruch“-Vorwurf gegen Merz plakatieren, bestreitet ihm die Eignung zur Kanzlerschaft.
Schwarz-grün ist in weitere Ferne gerückt, da konnte Armin Laschet noch so lange an der Regierungsbank bei Annalena Baerbock stehen oder bei sich zu Hause zum Cocktail einladen. Doch auch davor lief es schlecht: Zunächst hat Habeck mit unüberlegten Steuervorschlägen daran erinnert, wie er als Wirtschaftsminister mit seinem unüberlegten Heizungsgesetz die Republik gegen sich aufgebracht hat. Er habe nichts dazugelernt, war da noch ein milderes Urteil.
Dann sorgte der Fall um einen Abgeordneten für Schlagzeilen, den die Grünen in Berlin-Pankow wegen zumindest teilweise erfundener Belästigungsvorwürfe im Standgerichtsmodus erledigt haben. Die Grüne Jugend, sich zügig weiter radikalisierend, erklärte dazu, Unschuldsvermutung und faires Verfahren seien ihre Sache nicht. Auch diverse Aufklärungskommissionen der Partei kommen zu keinem Ergebnis, warum auch immer.
Wohlgesinnte Demokraten
Das alles macht den grünen Wahlkampf zäh. Habecks Idee, die wohlgesinnten Demokraten im Kampf gegen den Populismus zu einen, wirkt derzeit sehr romantisch. Und doch gibt es zum Zusammenwirken im Land, zur Stärkung der europäischen Sicherheit und zum selbstbewussten transatlantischen Dialog keine Alternative. In Sachen Ukraine und Wehrhaftigkeit, Schlüsselfragen der Zukunft, haben sich die Grünen als entschlossen und standfest erwiesen. Ihr Russland-Kurs war klar.
Ihre Haltung zu Waffenlieferungen an Kiew und zur Wiederausrüstung der Bundeswehr ist selbst in den linken Randbezirken der Bündnisgrünen unumstritten. Anders als in der Mützenich-Fraktion der SPD, aber auch in Teilen der Union, wo besonders im Osten weiterhin für russisches Gas und gegen Waffenhilfe getrommelt wird. Dabei fällt auf, dass gerade dort, wo in der Union Zweifel an der Lieferung des Marschflugkörpers Taurus herrschen, nämlich in Sachsen und Bayern, die Grünen besonders hart bekämpft werden.
Die Grünen wollen ein möglicher Koalitionspartner bleiben. Friedrich Merz hatte es lange für eine gute Idee gehalten, sich möglichst breite Machtoptionen zu schaffen, theoretisch also mit den Sozialdemokraten, den Grünen oder der FDP koalieren zu können. Kategorische Ausschließerei verengt diese Optionen und schwächt damit die Chance der Union, möglichst viel vom eigenen Programm durchzusetzen.