Falschinformationen zur Windkraft weit verbreitet

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Stand: 06.02.2025 06:33 Uhr

Mehr als ein Viertel des Stroms ist in Deutschland zuletzt mit Windrädern erzeugt worden. Für oder gegen Windkraft gibt es eine Reihe sachlicher Argumente – aber es gibt auch etliche Desinformationen.

Sucht man im Netz zum Thema Windkraft, begegnen einem früher oder später Statements, wie: “Windräder verursachen mehr CO2 als sie einsparen” oder “Die Fundamente der Windräder schädigen unser Grundwasser”. Bei all diesen Aussagen geht die Wissenschaft so nicht mit.

Warum es ausgerechnet rund um die Windkraft besonders viel Desinformation gibt, dazu hat Kevin Winter von der Uni Hohenheim eine Theorie. Es gehe einerseits darum, worauf die Akteure, beispielsweise die fossile Industrie oder konservative Thinktanks, die solche Falschinformationen verbreiten, ihre Schwerpunkte legten, so Winter gegenüber dem SWR. Andererseits habe es damit zu tun, dass Windräder sehr präsent im Landschaftsbild sind. Die Menschen seien sehr direkt von Windrädern betroffen. Und schließlich spielt seiner Meinung nach auch ein zunehmendes Misstrauen gegenüber der Regierung oder politisch verantwortlichen eine Rolle.

Viele Menschen glauben die Falschinformationen

Kevin Winter hat dazu geforscht, wie sich die falschen Informationen zur Windkraft verbreiten und wie viele sie glauben. Ergebnis: Über ein Viertel der Befragten stimmt einer Vielzahl von Falschinformationen zu. Etliche glauben sogar an geheime Machenschaften beim Bau von Windrädern. Wie empfänglich Menschen für irreführende Behauptungen über Windräder sind, hängt laut der Studie vor allem von den Weltanschauungen der Befragten und weniger von fehlendem Wissen ab.

Befragt wurden im Rahmen der Untersuchung auch Menschen in Australien, Großbritannien und den USA. Auffällig bei den deutschen Befragten ist die hohe Zustimmung bei Falschinformationen zu Gesundheitsproblemen. Etwa 30 Prozent glauben, dass der Lärm von Windrädern Gesundheitsschäden wie Kopfschmerzen oder Impotenz bei Menschen auslösen kann.

Und das, obwohl es zahlreiche Studien gibt, die belegen, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den (hörbaren und nicht hörbaren) Geräuschen von Windrädern und Gesundheitsrisiken gibt.

Vogelschutz ist möglich

“Windräder rotten geschützte Vögel aus, und man kann nichts dagegen tun!” Auch das ist eine Falschinformation, die immer wieder aufs Neue verbreitet wird. Wie bei vielen Falschinformationen gibt es auch hier einen wahren Kern. Es sterben tatsächlich etliche Vögel und auch Fledermäuse durch Windräder. Wie viele es genau sind, lässt sich laut Experten schwer beziffern und noch schwerer mit anderen Todesursachen, wie Glasscheiben oder Kollisionen mit Autos, vergleichen.

Das liegt unter anderem daran, dass Windräder zum Beispiel für Greifvögel wie Rotmilane ein großes Risiko darstellen, Fensterscheiben eher ein kleines. Von “Ausrottung” zu sprechen, hält aber unter anderem das Bundesamt für Naturschutz nicht für angebracht. Und auch Vogelschützer halten die Klimakrise für eine deutlich größere Bedrohung für die Artenvielfalt. Hinzu kommt: Es gibt Möglichkeiten die Tiere zu schützen. Das fängt schon bei der Standortwahl der Windräder an. Aber auch Abschalt- oder Geschwindigkeitssteuerungen helfen Kollisionen zu vermeiden.

Windräder sind keine heimlichen CO2-Schleudern

Eine weitere populäre Falschinformation zur Windkraft behauptet, dass die Technologie am Ende mehr CO2 erzeugt, als durch ihre Nutzung eingespart werden kann. Auch hier gebe es einen wahren Kern, erklärt Kevin Winter. Denn betrachtet man den gesamten Lebenszyklus, von der Produktion der Windkraftanlagen bis zur Entsorgung, dann erzeugt auch Windenergie CO2. Allerdings sei die Bilanz nach weniger als einem Nutzungsjahr wieder ausgeglichen, so Winter.

Das Umweltbundesamt kommt in einer Studie sogar zu dem Schluss, dass Windenergie an Land von allen erneuerbaren Energieträgern den größten Beitrag zum Klimaschutz leistet, weil vergleichsweise große Mengen an Treibhausgasen eingespart werden.

Zahlreiche Verbreitungswege für Falsch- und Desinformationen

Die Liste solcher falschen Fakten rund ums Thema Windkraft ist lang. Grundsätzlich kann man die falschen Aussagen in zwei Gruppen unterteilen: Falschinformationen, die aus Unwissenheit weiterverbreitet werden und Desinformationen, also wirklich bewusst gestreute falsche Fakten. Die Verbreitung erfolgt durch ganz verschiedene Akteure. Teilweise kommen solche Aussagen aus der fossilen Industrie oder von konservativen Thinktanks.

Sie finden sich aber zum Beispiel auch im Wahlprogramm der AfD für die Bundestagswahl wieder. Über die sozialen Medien verteilen sie sich dann schnell weiter. Julius Schmidt arbeitet für das Dialogforum Energiewende und Naturschutz, ein Gemeinschaftsprojekt von BUND und NABU. Er betont, dass auch manche Bürgerinitiativen eine entscheidende Rolle spielen. Diese setzen Desinformationen ganz gezielt ein, um Windkraftprojekte bei sich vor Ort zu verhindern, sagt er.

Mehr Beteiligung hebelt Des- und Falschinformationen aus

Ein gutes Mittel gegen falsche Informationen und für mehr Akzeptanz sehen viele Experten in mehr Beteiligung. So sieht es auch Julius Schmidt. Denn wer finanziell vom Windpark um die Ecke profitiert und auch bei Planung und Konzeption mitreden konnte, der hat oft einen ganz anderen Blick auf die Windräder als Unbeteiligte.

Auch Kevin Winter sieht in der Beteiligung der Menschen Chancen. Zudem verweist er auf die Notwendigkeit, beim Thema Windkraft bewusster zu kommunizieren. Es sei wichtig, Menschen in ihrer Lebensrealität abzuholen und im Zweifel zunächst über eine gesicherte Energieversorgung oder finanzielle Vorteile durch Windkraft zu reden – und erst dann über Umweltschutz.