Als Maja T. im vergangenen Sommer wegen des Vorwurfs linksextremer Gewalttaten nach Ungarn ausgeliefert wurde, ging es eilig zu. Am 27. Juni erklärte das Berliner Kammergericht die Auslieferung der sich selbst als non-binär identifizierenden Person für zulässig; in den folgenden Morgenstunden begann die Überstellung. Um 7.38 Uhr wandte sich T. unter Verweis auf die ungarischen Haftbedingungen an das Bundesverfassungsgericht und beantragte – erfolgreich – eine einstweilige Anordnung. Doch als die Karlsruher Richter die Auslieferung um 11.47 Uhr untersagten, war T. schon an die ungarischen Behörden übergeben worden. Zu Unrecht, wie das Verfassungsgericht nun entschieden hat.
In einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss gaben die Richter T.s nachträglicher Verfassungsbeschwerde statt. Sie stellten fest, dass das Kammergericht die in Ungarn drohenden Haftbedingungen nicht aufgeklärt hat und T. dadurch in Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) verletzt wurde. Er verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung.
Anlass für T.s Auslieferung waren Gewaltakte im Februar 2023 gewesen. Die ungarischen Behörden werfen T. vor, damals als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zusammen mit anderen Personen vermeintliche Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen und verletzt zu haben. Laut Generalbundesanwalt, der ebenfalls zu dem Komplex ermittelt, ereigneten sich die Angriffe anlässlich des sogenannten Tags der Ehre am 11. Februar. Alljährlich versammeln sich an diesem Datum Rechtsextremisten aus ganz Europa in Budapest und erinnern an den „heroischen Befreiungskampf“ ungarischer und deutscher Soldaten gegen die Rote Armee.
Gruppe um Maja T. soll Verbindungen zu Lina E. gehabt haben
T. soll der linksextremen Gruppe seit 2017 angehören, die ihrerseits Verbindungen zu Lina E. haben soll. Diese hatte das Oberlandesgericht Dresden im Mai 2023 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen linksextremen Vereinigung und Angriffen auf Neonazis zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt – eine Entscheidung, über die am Donnerstag der Bundesgerichtshof verhandelte. Sein Urteil soll am 19. März verkündet werden.
Maja T. wurde im Dezember 2023 in Berlin festgenommen. Gegen die Auslieferung wandte sie sich unter Verweis auf die in Ungarn drohenden Haftbedingungen. Dabei bezog sich T. etwa auf Berichte des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und der Nichtregierungsorganisation Hungarian Helsinki Committee (HHC). Als non-binäre Person sei sie besonders gefährdet, so T. Das HHC berichtete wiederholt über Angriffe, die es in ungarischen Gefängnissen auf homo- und transsexuelle sowie non-binäre Menschen gegeben habe.
Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft bat die ungarischen Behörden daraufhin um eine Zusicherung, dass T. in einer Haftanstalt untergebracht werden würde, die der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen genüge. Außerdem forderte die Staatsanwaltschaft Auskünfte über etwaige Übergriffe auf non-binäre Gefangene.
Es folgte eine Verbalnote des ungarischen Justizministeriums, versehen mit einer Garantieerklärung. Darin verwiesen die Behörden auf das in Ungarn geltende Recht, etwa die Europäische Menschenrechtskonvention. Übergriffe, die mit der Geschlechtsidentität der betroffenen Person in Verbindung gebracht werden könnten, seien nicht bekannt. Der Generalstaatsanwaltschaft genügten die Angaben, und sie beantragte beim Kammergericht die Auslieferung. Dem kamen die Richter nach. Dass die ungarische Erklärung nur allgemeine Hinweise enthielt, nicht aber eine Zusicherung für T., beanstandeten sie nicht. Konkrete Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention lagen aus Sicht des Kammergerichts nicht vor.
Das sahen die Karlsruher Richter anders. In deren Beschluss heißt es, durch T.s Erläuterungen hätten „hinreichende Anhaltspunkte für systemische oder allgemeine Mängel“ vorgelegen, etwa auf mangelhafte hygienische Bedingungen, unzureichende Ernährung und Gewalt. Die ungarischen Erklärungen seien auch nicht geeignet, „das Risiko einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung ohne Weiteres auszuschließen“. Da Maja T. schon ausgeliefert wurde, hat der Karlsruher Beschluss vor allem feststellenden Charakter.