Die brutale Demontage der amerikanischen Entwicklungshilfeagentur USAID (United States Agency for International Development) mit ihren rund 10.000 Beschäftigten sendet Schockwellen durch die Welt und provoziert harsche Reaktionen. „Einfach ausgedrückt ist das Ende von USAID das Ergebnis der Tatsache, dass der reichste Mann der Welt ein Programm beendet, das Millionen von armen Menschen hilft.“ So schreibt der in Amerika bekannte Jesuit und Priester James Martin auf der Plattform X. „Man braucht keinen Doktortitel in Moraltheologie, um zu erkennen, dass dies ein Übel ist. Man muss nur die Gleichnisse Jesu über die Reichen und die Armen lesen“, schreibt er weiter.
Wenige Beiträge spiegeln die Empörung in Amerika über die Vorgänge und über Elon Musk so treffend wie dieser Tweet des Priesters. Mehr als zwei Millionen Ansichten verzeichnet die Plattform X für seine Worte, Zehntausende Male wurden sie geteilt.
Dabei fußt der Tweet auf der Theorie, Elon Musk sei der Strippenzieher dieser Demontage. Als sei er derjenige, der die Behörden und Institutionen identifiziere, die die Trump-Regierung der Zertrümmerung anheimfallen lässt: Erst die Entwicklungshilfe, dann das Bildungsministerium und danach die Steuerbehörde, deren Beschäftigte sich aktuell für schwere Tage wappnen. Denn Musk droht, als Nächstes über sie zu kommen.
Den Verdacht, dass er der entscheidende Machtfaktor sei, nährt Musk selbst mit Tweets zu jeder Tag- und Nachtzeit. Er transportiert die Idee beispielsweise mit seinen rüden Verbalattacken auf USAID, die er als Schlangennest linksradikaler Marxisten und Amerikahasser und als kriminelle Organisation diskreditiert. Sich selbst stellt er bei der Wiedergabe eines Gesprächs mit Präsident Trump als Urheber der Idee dar, die Behörde mit ihrem 40-Milliarden-Dollar-Jahresbudget zu schließen. „Ich habe es mit ihm im Detail besprochen, und er stimmte zu, dass wir sie schließen sollten“, sagte Musk. „Und ich habe mich tatsächlich ein paar Mal bei ihm erkundigt [und] gefragt: ‚Bist du sicher?‘“ Die Antwort sei Ja gewesen, sagte er. „Und so schließen wir sie“, verbreitete Musk.
Musk soll auf X Lärm machen
Die Selbstinszenierung entspricht allerdings nicht dem wahren Machtgefüge, wie die Ereignisse rund um USAID zeigen. Schon am 20. Januar, an seinem ersten Tag im Oval Office, hatte Trump per Dekret angeordnet, dass sämtliche Entwicklungshilfe für 90 Tage ausgesetzt wird, um in der Zeit zu prüfen, ob die Programme effizient sind und mit der Außenpolitik der Vereinigten Staaten im Einklang stehen. Mit dem Abstand von zwei Wochen liest sich dieses Dekret wie die Ankündigung zur Zerschlagung der Einrichtung und zur Verlagerung einer Handvoll erhaltenswürdiger Programme ins Außenministerium. Dessen Chef Marco Rubio leitet USAID inzwischen kommissarisch. Die Idee, die Behörden abzuwickeln, kam nicht von Musk. Sie hat Tradition in der republikanischen Partei und ihrer konservativen Basis. Zuletzt brachten vor zwei Jahren Vertreter des rechten Parteiflügels einen Gesetzentwurf ins Repräsentantenhaus ein, der die Abschaffung von USAID zum Zweck hatte. Der Entwurf versandete im Gesetzgebungsverfahren.
![Russell Vought im Januar in Washington Russell Vought im Januar in Washington](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2025/02/Elon-Musk-gibt-Trumps-umstrittenen-Vollstrecker.jpg)
Doch jetzt hat dieser Parteiflügel einen Verbündeten an einem entscheidenden Schalthebel der Macht des Weißen Hauses. Die Rede ist nicht von Donald Trump, sondern von Russ Vought. Er ist Mitverfasser des „Project 2025“ – einer Art Plan, wie Trumps zweite Amtszeit aus ultrakonservativer Sicht genutzt werden könnte – und nun Chef des mächtigen Office of Management and Budget (OMD). Er hatte diese Rolle schon in Trumps erster Amtszeit und damals, noch vergeblich, versucht, die Entwicklungshilfe zusammenzukürzen. Der Kongress hatte andere Vorstellungen. Diesmal versucht Vought, die Grenzen des Rechts auszutesten und die Behörde am Kongress vorbei dichtzumachen. Das wäre zwar möglicherweise illegal, aber auch schwer reversibel.
Bemerkenswert ist, welche Institutionen Vought noch im Visier hatte als OMD-Chef und später als politischer Lobbyist: Das waren die staatliche Krankenkasse Medicaid, das Bildungsministerium und die Steuerbehörde Internal Revenue Service. Heute attackiert Musk just jene Einrichtungen auf seinem Netzwerk X. Das ist die eine Teilaufgabe, die ihm zugewiesen wurde. Er soll die Institutionen, die für eine Demontage vorgesehen sind, verbal sturmreif schießen. So prangerte er in rund 30 Tweets binnen acht Stunden dieses Mittwochs USAID an. Seinen 216 Millionen Followern teilte er mit, dass USAID seine Mittel für Nichtregierungsorganisationen, Auftritte von Prominenten und Subventionen für linke Zeitungen verpulvert, Kriege und Revolutionen provoziert und Menschenhandel ermöglicht.
Schlaf im Tesla-Werk
Dahinter verbergen sich echte Skandale. Die Lautstärke, mit der die Kritik vorgetragen wird, soll aber den Gedanken gar nicht erst aufkommen lassen, dass einiges vielleicht doch sinnvoll und schützenswert wäre. „USAID ist voller nutzloser Verschwendungen, die keinem humanitären Zweck dienen und beseitigt werden sollten“, sagt Brian Riedl, einflussreicher Haushaltsexperte der konservativen Denkfabrik Manhattan Institute. „Aber verzeihen Sie mir, dass ich nicht auch den Tod von 20 Millionen HIV-Patienten verursachen möchte, die ihre lebensrettenden Medikamente über das USAID-Programm PEPFAR erhalten, oder die Streichung von Malarianetzen.“ PEPFAR wurde inzwischen wieder in Kraft gesetzt.
Musks zweite Teilaufgabe ist die, für die er bekannt wurde. Er hat bewiesen, dass er Unternehmen restrukturieren, fokussieren und wieder aufbauen kann. Das jüngste Beispiel lieferte er mit Twitter ab. Er kaufte es, feuerte vier Fünftel der Belegschaft, ohne dass die Nutzer gravierende Störungen im Sendebetrieb registrierten, und positionierte das Medium als populistische Plattform, die konventionelle Medien als korrupt und als verschränkt mit einer abgehobenen linken Elite abzukanzeln trachtet. Inzwischen kommen die Anzeigenkunden zurück, die sich kurz nach der Übernahme noch angewidert abgewendet hatten.
Bei Twitter wie zuvor bei Tesla zeigte Musk jenen geradezu leidenschaftlichen Fokus auf eine auserkorene Mission, den Leute, die ihn dabei erlebt haben, als ungewöhnlich beschreiben. Bei Tesla schlief er wochenlang mit einer Handvoll Getreuen in einem Feldbettlager im kalifornischen Werk des Unternehmens, um ohne Zeitverzug die Produktion in Gang zu bringen. Jetzt übernachtet er zumindest gelegentlich offenbar im Eisenhower-Bürokomplex, der direkt mit dem Weißen Haus verbunden ist.
Jeden Tag meldet DOGE seine Erfolge
Dort ist seine berüchtigte Regierungsabteilung DOGE untergebracht, die Musk selbst ins Gespräch gebracht hatte – mit ihm als Leiter. Trump konnte seinem größten Spender diese Bitte nicht abschlagen. Am Anfang wollte Musk mit DOGE zwei Billionen Dollar aus dem Bundeshaushalt herausschneiden, inzwischen ist es nur noch eine Billion. Selbst das Ziel ist hochambitioniert und wirft die Frage auf: Wenn so viel zu sparen ist, wieso fängt man dann bei der Entwicklungshilfe an? Und nicht zum Beispiel beim Pentagon? Dort wäre etwas zu holen. Im November 2024 bestand das Verteidigungsministerium zum siebten Mal in Folge seine jährliche Überprüfung nicht. Das Militär war nicht in der Lage, vollständig Rechenschaft über die Verwendung seines 824 Milliarden Dollar schweren Budgets abzulegen.
![Demonstranten gegen Trump und Musk am Mittwoch in Washington Demonstranten gegen Trump und Musk am Mittwoch in Washington](https://adaglobalconcept.com/wp-content/uploads/2025/02/1738911216_985_Elon-Musk-gibt-Trumps-umstrittenen-Vollstrecker.jpg)
Es gibt trotzdem keine Indizien dafür, dass Musks Rasselbande jugendlicher Intelligenzbestien demnächst ins Pentagon einmarschiert. Oder ins Veteranenamt. Fünf Prozent des Bundeshaushalts oder 300 Milliarden Dollar werden für Veteranen ausgegeben. Die zuständige Behörde gilt als bürokratisches Monster und notorisch überfordert, während die Ausgaben seit Jahren davongaloppieren. Das klingt wie eine Einladung für den ambitionierten Chefsanierer aus dem Silicon Valley. Doch DOGE hat noch nicht angeklingelt. Aber bei Medicare und Medicaid, den großen staatlichen Gesundheitsprogrammen, spüren Musks Leute nun der Verschwendung nach.
Musk darf sich mithin vor allem in den abgegrenzten Bereichen austoben, die für Trump und seine Gefolgsleute ohnehin ein rotes Tuch sind: nicht weil sie zu viel Geld verschlingen, sondern weil sie als links, woke und unpatriotisch gelten. So meldet DOGE Tag für Tag auf der Plattform X seine vermeintlichen Erfolge: 20 Beraterverträge, die sich hauptsächlich auf „strategische Kommunikation“ und „Führungskräftecoaching“ konzentrierten, wurden gekündigt. Die Mietverträge für 20 schlecht genutzte Gebäude wurden gekündigt. Schulungen, die Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion vermitteln sollen, wurden ersatzlos gestrichen. Zahlungen an ausländische Organisationen ohne genauere Zweckbestimmung wurden eingestellt. Das Angebot der Regierung an seine Beschäftigten, gegen Lohnfortzahlung bis Ende September das Arbeitsverhältnis aufzugeben, trägt Musks Handschrift, wurde aber vermutlich von Russ Vought auf den Weg gebracht. 40.000 von zwei Millionen Mitarbeitern wollen von dem Angebot Gebrauch machen.
Dient Musk nur als Nebelkerze?
„Ich bin nicht begeistert, wenn DOGE Regierungsverträge im Wert von einer Milliarde Dollar kündigt. Oder drei Milliarden Dollar durch den Abbau von Bundespersonal bei einem Budget von 7000 Milliarden US-Dollar einspart“, rechnet Riedl vor. Selbst wenn 20 Prozent der Bundesangestellten entlassen würden, würde das gerade 60 Milliarden Dollar einsparen. „Bei allem Getöse von DOGE würden Verwaltungs- und Exekutivreformen bestenfalls ein bis zwei Prozent der Bundesausgaben einsparen“, sagt der konservative Haushaltsexperte.
Ins Bild passt, dass Trump selbst nie wie ein Politiker wirkte, dem Staatsdefizite oder Staatsschulden schlaflose Nächte bescherten. Zu freimütig versprach er während des Wahlkampfes ziemlich spezifische Steuersenkungen aller Art, während seine Sparankündigungen verdächtig vage blieben. Riedl kalkuliert, dass die Steuersenkungspläne der Republikaner das Staatsdefizit um 800 Milliarden Dollar erhöhen, und rät seinen alten Freunden in der Republikanischen Partei, nicht mit Einkleben von Rabattmarken zu prahlen, wenn Sie gleichzeitig einen Ferrari für 250.000 Dollar kaufen. Er werde Trump und DOGE nicht dafür bejubeln, dass sie die Defizite „nur“ um 750 Milliarden Dollar statt um 800 Milliarden Dollar erhöht haben.
Musk scheint sich zumindest einen Überblick über die Finanzströme verschaffen zu wollen. Sein Einmarsch ins Finanzministerium wurde als Putsch gedeutet. Der neue Finanzminister Scott Bessent musste dem Kongress zusichern, dass die DOGE-Leute „nur Lesezugriff“ auf das Zahlungssystem der Regierung haben werden.
Der reichste Mann der Welt speist die Illusion, man könne den Bundeshaushalt in die schwarzen Zahlen bringen, wenn man nur die Verschwendung aufspürte, die Beamten feuerte, links-grüne Projekte austrocknete und Mittel fürs Ausland und für Immigranten kürzte, während man die wahrhaft großen Batzen im Budget verschonte und Steuern senkte. In dieser Deutung dient Musk samt seinem leidenschaftlich inszenierten Dauerspektakel dem Zweck, eine nüchterne Budgetkalkulation zu verhüllen, die zeigt, dass Trumps Pläne die Defizite zwangsläufig erhöhen. Ob Musk das sieht oder selbst Opfer eines politischen Missbrauchs ist, wird nicht klar.