So steht die Union nach den Abstimmungen mit der AfD da

5

Einen so heißen Wahlkampf hat es schon lange nicht mehr gegeben. Und kurz bevor dieser endet, hat Oppositionsführer Friedrich Merz ihn noch spannender gemacht. Noch vor der Wahl wollte er in drei Abstimmungen Asylverschärfungen durchsetzen und nahm dafür Mehrheiten mit der AfD in Kauf, in einem Fall kam es zu einer solchen Mehrheit.

Nicht nur in den Parteizentralen von CDU und CSU dürfte man daher dieser Tage noch gebannter als ohnehin schon auf die Umfragen schauen. Unionskanzlerkandidat Merz wollte mit seinem Vorstoß „All-in“ gehen, wie er gesagt haben soll. Zahlt sich das aus? Oder gefährdet Merz gar den sicher geglaubten Wahlsieg?

Nicht rechts und nicht links

Zunächst ein Blick zurück und ein Blick auf die AfD. Die war vor einem Jahr in den Umfragen abgesackt, nachdem viele Menschen auf der Straße gegen Rechtsextremismus demonstriert hatten. Vom Sommer an verbesserte sich die Partei in den Umfragen langsam, seit kurz vor Weihnachten hat sie einen kräftigen Satz nach oben gemacht (siehe Grafik). Dies dürfte viel mit dem Anschlag eines Saudis in Magdeburg zu tun haben.

Am 22. Januar war Merz bei der F.A.Z. zu Gast und drückte vor Lesern der Zeitung seine Sorge über den Höhenflug der AfD aus. Die Union, sagte er, überlege intensiv, wie sie die Partei stellen könne. Etwa durch ein Duell Friedrich Merz gegen Alice Weidel im Fernsehen. Am gleichen Tag machte die Nachricht vom Messerangriff eines Afghanen in Aschaffenburg die Runde. Merz kannte da noch nicht alle Details zur Tat. Zwei Tage später, am 24. Januar, kündigte er dann an, Migrationsanträge im Bundestag zu stellen, und sagte: „Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.“

Da war also klar: Er würde Mehrheiten mit der AfD in Kauf nehmen, auch, um deren Höhenflug zu stoppen. Denn seine Sorge war groß, dass der AfD noch mehr Wähler zulaufen, sollte die politische Mitte nach der Tat von Aschaffenburg nicht sofort ein migrationspolitisches Signal senden. Einen Kompromiss aber fand die politische Mitte in der Woche darauf nicht. Zehntausende gingen in den vergangenen Tagen auf die Straße und kritisierten dort, die Union habe die Brandmauer gegen die AfD eingerissen, was CDU und CSU anders sehen. Sie argumentieren, es handle sich nicht um eine Zusammenarbeit, wenn ihrem Antrag eine andere Partei zustimmt.

Ein Blick auf die Umfragen, deren Befragungszeitraum die Ankündigung der Migrationspläne von Merz und die Abstimmungen im Bundestag selbst abdecken, zeigt: Die Union rutscht in der Tendenz etwas ab, wie unsere Grafik zeigt. Jedoch könnte der Rücksetzer nur vorübergehend sein, wie zwei neue Umfragen von Infratest dimap vom Donnerstag und von der Forschungsgruppe Wahlen von diesem Freitag zeigen.

Die AfD wiederum bleibt vorerst stark. Auffällig ist, dass SPD und Grüne weiterhin in den Umfragen stagnieren. Profitiert von den Debatten der vergangenen zwei Wochen hat hingegen offenbar eine Partei, die schon tot geglaubt war: die Linke. Sie stand in den Umfragen über Monate hinweg bei drei bis vier Prozent. Manche Meinungsforscher wiesen die Partei nicht einmal mehr aus. So musste die Linke hoffen, wie schon 2021 auch diesmal wieder mindestens drei Direktmandate zu gewinnen, um dank einer Sonderregel doch wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen. Plötzlich sehen zahlreiche neue Umfragen die Partei wieder bei fünf bis sechs Prozent.

Merz hat der Linken also offenbar neues Leben eingehaucht. Die Union hingegen muss bangen, ob sie am Wahltag mindestens 30 Prozent erhält. Zumindest aber sieht es auch nach den turbulenten Tagen weiter danach aus, dass CDU/CSU Platz eins holen dürften.

Merz, der einer Koalition mit der AfD eine klare Absage erteilt hat, werden aber sicherlich bestimmte Umfragewerte zu denken geben. So geben laut Infratest dimap 43 Prozent an, ihm das nicht zu glauben. Auch immerhin 20 Prozent der Unionsanhänger denken, Merz werde sich nicht daran halten und im Falle eines Wahlsiegs doch eine Koalition mit der AfD bilden. Die Union muss also offenbar in den nächsten Tagen in dieser Frage noch Überzeugungsarbeit leisten.