Aufruf zu einer neuen Reconquista

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Nach dem Wahlsieg von Donald Trump fühlen sich die „Patrioten für Europa“ stark wie nie. Auch die Inspiration für ihren Slogan hat sich die Rechtsaußen-Fraktion des Europaparlaments in den USA geholt: „MEGA“ statt „MAGA“ – Make Europe Great Again. Bei ihrem ersten „Gipfeltreffen“ in Madrid sind am Samstag die Attacken auf die EU der kleinste gemeinsame Nenner. Als Logo prangt hinter der Bühne im Saal vor blauem Hintergrund die Silhouette der Madrider Almudena-Kathedrale, um zu zeigen, dass es für die Gipfelteilnehmer selbstverständlich ein christliches Europa ist.

In fast jeder Rede gibt es einen passenden Aufruf – zu einer christlichen „Reconquista“ Europas nach dem Vorbild der katholischen Könige. „Mutigen Ritter“, die einst den Islam vertrieben, um Europa zu retten, wie es der niederländische PVV-Chef Geert Wilders formulierte. „Viva la Reconquista“, rief unter dem Jubel von knapp 2000 Anhängern der spanischen Vox-Partei der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Er hatte schon während der europäischen Ratspräsidentschaft den Slogan „Macht Europa wieder groß“ verwendet.

Viel Zeit nahmen sich Marine Le Pen, Andrej Babis, Geert Wilders und Matteo Salvini nicht. Vom nicht vollständig gefüllten Saal eines Flughafenhotels an der Autobahn reisten sie am Samstag gleich wieder nach Hause. FPÖ-Chef Herbert Kickl, wird als der nächste Regierungschef Österreichs gefeiert, schaltete sich wegen der Koalitionsverhandlungen in Wien nur kurz zu.

Vom Kampf gegen die „linken Faschisten“

Aus Venezuela lobte Oppositionsführerin María Corina Machado in einem Video die „Patrioten“ als ihre europäische Verbündeten „an vorderster Front“ im Kampf gegen das Maduro-Regime. Und Präsident Javier Milei grüßte aus Argentinien, den die Abschlusserklärung dafür feiert, dass er den „Wind der Freiheit“ in sein Land gebracht habe.

Aber der große Held des Tages ist Donald Trump. „Vom amerikanischen Präsidenten haben wir gelernt: Fight, fight, fight“, ruft der Vorsitzende der portugiesischen Chega-Partei, André Ventura. Dieser Kampf gilt in Madrid den „linken Faschisten“, dem „woken Wahnsinn“, dem „Klimafanatismus“ und vor allem einer „korrupten EU-Elite“, die einen „Megastaat“ schaffen wolle.

Obwohl in einigen Ländern schon Nationalpatrioten regierten, sei die EU immer noch in der Vergangenheit „verankert“, lautet der sehr vage Text der gemeinsamen Erklärung, der zeigt, wie schwer es immer noch für die im Europäischen Parlament in drei Gruppen gespaltenen Rechtspopulisten ist, sich zu einigen – auch wenn sie sich sehr stark fühlen: 86 Europaabgeordnete gehörten zu den „Patrioten“, hinter denen 19 Millionen Wähler aus 14 Ländern stehen.

Beziehungen zu den USA werden ausgebaut

Für Santiago Abascal, den Vorsitzenden der spanischen Vox-Partei, ist das Treffen in Madrid ein Fest und Erfolg: Mit nur sechs Europaabgeordneten ist der Spanier der Vorsitzende des neuen Rechtspopulisten-Bündnisses; 30 stellt Le Pens RN-Partei, die den neuen Zusammenschluss dominiert.

Für den spanischen Gastgeber sind Patrioten die Märtyrer dieser Tage. Die Gegner „schrecken nicht einmal vor Mordversuchen zurück, weil wir Patrioten sind“, sagte Abascal und erwähnte die Schüsse auf Donald Trump. Die großen Feinde sind Politiker wie der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der auf der Seite von Diktatoren wie Nicolas Maduro in Venezuela und der Hamas-Organisation in Gaza stehe.

Abascal war der einzige spanische Politiker, der zu Trumps Amtseinführung in Washington eingeladen war. Die Patrioten vertiefen aber auch in Madrid ihre Beziehungen zu den USA. Ehrengast des Festessens vor dem Gipfeltreffen war am Freitagabend Kevin Roberts, der Präsident der Heritage Foundation. Der konservative amerikanische Thinktank hat sich zum Ziel gesetzt, den „Trumpismus zu institutionalisieren“.

Die Madrider Treffen, die Vox organisiert, haben schon eine längere Tradition. Anfang 2022 lud Vox zum „Madrider Gipfel der europäischen Patrioten“ in einem Luxushotel an der Madrider Plaza de España. Er war jedoch von Beginn des Ukraine-Kriegs überschattet. Die Teilnehmer konnten damals keine gemeinsame Haltung gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin finden.

Eine fehlt: die AfD

Auf dem Viva24-Kongress vor der Europawahl im vergangenen Mai feierten Spaniens Rechtspopulisten den argentinischen Präsidenten Javier Milei in einer Stierkampfarena wie einen Superstar. Mit seinen bejubelten Attacken auf Ministerpräsident Pedro Sánchez und dessen Ehefrau provozierte der Argentinier damals einen diplomatischen Eklat. Zu keinem der Treffen war ein prominenter Vertreter der deutschen AfD eingeladen.

Nach der Europawahl, bei der dann Vox schlechter abschnitt als Rechtspopulisten in anderen Ländern, positionierte sich die spanische Partei neu. Sie verließ die Parteienfamilie der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und schloss sich den „Patrioten“ an. Die Fratelli d’Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni und die polnische PiS-Partei, zu der Vox eigentlich enge Kontakte unterhält, gehören nicht zur neuen Fraktion.

In Spanien hatte sich Vox im vergangenen Sommer für die Fundamentalopposition entschieden und war aus allen Bündnissen mit der konservativen Volkspartei (PP) in mehreren Regionalregierungen und Dutzenden Rathäusern ausgetreten. 2023 wollten die Rechtspopulisten noch überall mitregieren. Vergeblich hatte Vox bei den Parlamentswahlen im Juli 2023 versucht, wenigstens zum Königsmacher zu werden und der konservativen PP an die Regierung zu verhelfen.

In der Partei hat ein kleiner nationalkonservativer und radikaler Zirkel um Abascal die Macht übernommen. Die neue Strategie zahlt sich im Umfragen aus. In den vergangenen Monaten legte sie auf mehr als 14 Prozent zu; das ist mehr als bei der Parlamentswahl 2023. Victor Orbán machte Abascal Hoffnung. Die Zeit des Leidens sei für Vox bald vorüber, sie werde regieren wie er in Ungarn. Der Vox-Chef wiederum erwähnte zumindest kurz die deutsche AfD und wünschte Alice Weidel einen großartigen Sieg.