Pharmakonzern Merck liebäugelt mit Milliardenzukauf

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Zunächst waren es nur Gerüchte. Doch inzwischen hat Merck sie bestätigt: Der Dax-Konzern befindet sich tatsächlich in fortgeschrittenen Gesprächen über eine mögliche milliardenschwere Übernahme im Pharmageschäft. Darüber hatte am Montag zuerst die Nachrichtenagentur Reuters aus Insiderkreisen berichtet. Übernahmeziel ist das US-Biotechnologieunternehmen Springworks Therapeutics mit Sitz in Connecticut, eine Abspaltung des US-Pharmariesen Pfizer, mit dem Merck schon das derzeit für Umsatz sorgende Krebsmedikament Bavencio entwickelt hat. Springworks ist ebenfalls im Bereich der Onkologie tätig und konzentriert sich auf seltene Tumore, Blutkrebs und bestimmte, durch Biomarker definierte metastasierende solide Tumore.

Kommt der Deal zustande, wäre es die zweitgrößte Übernahme des Darmstädter Dax-Konzerns in der Pharmasparte nach dem 10,3 Milliarden Euro teuren Kauf der Schweizer Serono im Jahr 2006. Es wäre außerdem der größte Zukauf der amtierenden Konzernchefin Belén Garijo. Doch ob es wirklich so kommt, ist nicht sicher, betonte Merck am Montagabend in einer knappen Ad-hoc-Mitteilung an den Kapitalmarkt. Vieles rund um den Deal ist noch unklar. Genaue Details werden nicht genannt. Auch sei noch keine verbindliche Vereinbarung getroffen worden, zudem müssten noch „kritische“ Bedingungen erfüllt werden, hieß es von Merck weiter.

Der Deal könnte teurer werden als gedacht

Was damit gemeint sein könnte: Der Aktienkurs von Springworks ist seit Veröffentlichung der Insidermeldung rasant gestiegen. Mehr als 30 Prozent legte das Papier am Montag an der Nasdaq zu, was die Marktkapitalisierung der Amerikaner auf knapp vier Milliarden Euro katapultierte. Für Merck bedeutet das im Umkehrschluss, dass der Übernahmekandidat nun deutlich teurer werden könnte als gedacht.

Nach der jüngsten Doppelpleite der Darmstädter in der Entwicklung neuer Medikamente ist Nachschub für die Pharmapipeline zwar dringend nötig. Und Konzernchefin Belén Garijo weiß, dass gerade bei fortgeschrittenen Medikamentenentwicklungen externe Innovationen die Lücken füllen müssen, bis die eigenen Projekte reif genug sind. In einem Gespräch mit der F.A.Z. im Sommer hatte sie allerdings große Transaktionen eigentlich nur für die größte Sparte des Konzerns, das Zuliefergeschäft Life Science, ins Auge gefasst und auf das große Risiko hingewiesen, das im Pharmabereich mit Innovationen verbunden sei. Dass Merck finanziell gut aufgestellt sei, um eine milliardenschwere Übernahme zu stemmen, bekräftigte sie dennoch.

„Das richtige Ziel zur richtigen Zeit zum richtigen Preis“, lautet die Maxime von Merck. Und genau der Preis dürfte nun entscheidend sein. Denn inhaltlich könnte Springworks gut zu Merck passen.

Was Springworks zu bieten hat

Mit Ogsiveo hat das Biotech im Bereich der Spezialonkologie ein erstes in den USA zugelassenes Medikament zur Behandlung von fortgeschrittenen Weichteiltumoren (sogenannten Desmoidtumoren) im Portfolio, das bereits Millionenumsätze generiert und dem in der Spitze Jahresumsätze bis zur magischen Milliardengrenze zugetraut werden. Die Pharmawelt spricht in solchen Fällen von Blockbuster-Kandidaten. Merck hat mit dem gefloppten Multiple-Sklerose-Medikament Evobrutinib und dem Krebsmittel Xevinapant zwei davon verloren. Ersatz wäre also willkommen. Außerdem hat Springworks mit Mirdametinib ein weiteres Präparat kurz vor der Zulassungsentscheidung in den USA, dem Analysten von J.P. Morgan bis zu 700 Millionen Dollar Spitzenumsatz zutrauen, und ein drittes in der Entwicklung.

Der Kapitalmarkt reagiert allerdings verhalten auf das Vorhaben der Darmstädter. Einigen Analysten erscheinen die vier bis fünf Milliarden Dollar, die der Kauf Merck kosten könnte, nicht sehr attraktiv, zumal das Geld dann für Zukäufe im Life-Science-Bereich fehlen könnte. Im Gegensatz zu der durchstartenden Springworks-Aktie verlor die Merck-Aktie am Montag in einem von Unsicherheiten über den neuen Kurs der US-Regierung im Gesundheitssektor geprägten Markt mehr als drei Prozent an Wert und verharrte auch am Dienstag auf diesem Niveau.