TU Eindhoven wollte Männer ausschließen: Radikal ist meistens schlecht

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Fünf Jahre lang: keine Männer. Das kündigte 2019 die Technische Universität Eindhoven an. Fünf Jahre lang wollte sie nur Dozentinnen einstellen, sollten sich nur Frauen auf offene akademische Stellen bewerben. Erst wenn ein halbes Jahr lang keine gefunden war, kamen Männer in Betracht. Das ging sogar der kommunal gestützten Antidiskriminierungsstelle Radar zu weit, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderung einsetzt. Sie legte Beschwerde beim Institut für Menschenrechte ein, und dieses rügte das Vorgehen 2021 als gesetzeswidrig. Die TU schränkte in der Folge den Ausschluss von Männern ein: Fortan galt er für 30 bis 50 Prozent der offenen festen akademischen Stellen.

Der Mann hinter dem Programm, Präsident Robert-Jan Smits, geht in Kürze in Pension und hat im F.A.Z.-Gespräch Bilanz gezogen. Der Frauenanteil am akademischen Personal ist in gut fünf Jahren von 22 auf jetzt 30 Prozent gestiegen – und hat damit die Zielquote erreicht. In sechs von neun Fakultäten wurde das Programm voriges Jahr verlängert, weil sie die 30 Prozent noch nicht erreicht hatten.

Radikal ist meistens schlecht

Die Argumente für und wider positive Diskriminierung sind oft erörtert worden. Im Kern geht es um die Frage, wie man Unterrepräsentation einer Bevölkerungsgruppe heilt: indem man in der Gegenwart alle gleichberechtigt behandelt – dann dauert es bis zu völliger Gleichverteilung länger. Oder indem man den Prozess über Förderprogramme und Quoten beschleunigt – dann gibt es Verlierer, in diesem Fall die jetzige Generation von Männern. Über dieses Problem wird seit jeher erhitzt diskutiert.

Ein liberaler, universalistischer Ansatz lehnt jede Art der Unterscheidung ab. So weit muss man nicht gehen. Wenn wie in Eindhoven ein Dekan in einem stark männlich dominierten Fach für eine Besetzung nicht mehr nur sein altes Netz konsultiert, sondern gezielt Frauen anfragt – dann spricht dagegen wenig. Dito, wenn die TU einen Kulturwandel vorantreibt. Als Beispiel nennt sie die Art, Einstellungsgespräche zu führen, und Kinderbetreuung auf dem Campus – wiewohl Letztere eigentlich nicht mehr reine Frauensache sein sollte. Man kann auch argumentieren, ein eingefahrener Zustand werde sich ohne besondere Initiativen nie ändern. Und schließlich ist zu bedenken: Reformen der Gegenwart werden zwanzig Jahre später, mit Abstand, manchmal auch von ursprünglichen Gegnern als Errungenschaft gewertet.

Aber die TU Eindhoven ist ein extremer Fall, sie spricht selbst immer wieder von ihrer „radikalen“ Genderpolitik. Das an sich ist schon ungewöhnlich für die Niederlande mit ihrer ausgesprochenen Kultur von Maß und Ausgleich. „Radikal“ ist fast immer eine schlechte Idee – und das wird auch derzeit politisch deutlich. Smits hat zwar nach eigenen Worten bisher keinen Gegenwind aus der neuen Rechts-Mitte-Regierung in Den Haag. Aber anderswo ist die Gegenreaktion zu sehen. In den USA drehen Unternehmen nach der Präsidentenwahl gerade reihenweise ihre Initiativen für Diversität zurück – und die Rhetorik nimmt unangenehme Züge an. Egal, ob es um Geschlecht, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung geht – das Pendel schwingt zurück. „Radikale“ Politik droht immer eine ebensolche Reaktion hervorzurufen.

Mangelnde Empathie für die Verlierer

Positive Diskriminierung der einen Gruppe bedeutet stets negative Diskriminierung der anderen – und deren Befindlichkeit sollte man zumindest im Auge behalten. Hier ist oft genug ein erstaunlicher Mangel an Empathie zu konstatieren, wie sie ansonsten doch immer für Benachteiligte zu Recht gefordert wird. Wie fühlt sich ein junger Ingenieur, der aufgrund seines Geschlechts per se ausgeschlossen wird? Lapidar kommt als Antwort, leider auch in Eindhoven: Jahrhundertelang seien schließlich Frauen diskriminiert worden. Verkürzt: Pech gehabt, halt.

Smits hätte zumindest selbst seinen Posten an eine Frau abgeben sollen, um ein Zeichen zu setzen. Zwar gilt seine Vorgabe nur für den akademischen Zweig, nicht die Verwaltung. Und sie gilt nur für Neueinstellungen, nicht Bestandsstellen. Aber dann hätte der Ideengeber selbst einen Preis gezahlt für sein Prinzip.

Eindhoven bitte meiden

Die TU berichtet von wohlwollendem Interesse anderer Universitäten und Organisationen in den vergangenen Jahren. Kopiert habe das Modell aber niemand. Zum Glück. Der Männerausschluss von Eindhoven ist der falsche Weg, in seiner ursprünglichen Variante sowieso. Hoffentlich bewerben sich die besten Frauen und Männer an einer anderen Universität – in Eindhoven nur, wenn es nicht anders geht.