Reiseanbieter Dertour kauft groß in der Schweiz zu

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Trotz konjunktureller Krisenzeichen: Einen halben Monat vor der weltgrößten Reisemesse ITB stehen die Aussichten für ein florierendes Urlaubsgeschäft 2025 gut. Das Reisen sei eine „liebgewonnene Gewohnheit“, dozierten schon die Wissenschaftler der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen. Zukunftssorgen seien daher „nicht grundsätzlich ein Hindernis für Urlaubsreisen“. Und Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen erklärte, Urlaube würden von den meisten Bürger als „essenzieller Bestandteil des Lebens gesehen“, als „bewusste Auszeit vom belastenden Alltag“.

Zu hohen Frühbucherzahlen passt, dass auch Reiseunternehmen die Lust auf Zukäufe nicht vergangen ist. Vor der ITB kommt es zu einem Konsolidierungsschub auf dem Urlaubsmarkt. Die Profiteure sind zwei deutsche Unternehmen: die Dertour-Group, in der der Rewe-Konzern sein Reisegeschäft gebündelt hat, und der Ferienwohnungsportalbetreiber Hometogo aus Berlin.

Dertour und Hometogo teilen die Schweizer Hotelplan-Gruppe unter sich auf, von der sich der Schweizer Einzelhandelskonzern Migros trennt, wie die Unternehmen mitteilten. Die Hotelplan-Gruppe hatte im vergangenen Geschäftsjahr nach eigenen Angaben knapp 1,8 Milliarden Franken (1,9 Milliarden Euro) umgesetzt.

Schweizer Kauf stärkt auch Geschäft in Deutschland

Die Dertour-Gruppe mit einem Jahresumsatz von 7,3 Milliarden Euro im Jahr 2023 ist hierzulande die Nummer zwei der Branche – mit einigem Abstand hinter Marktführer TUI. In der Schweiz avanciert die Rewe-Reisesparte nun zum Marktführer mit deutlichem Vorsprung. Dertour dürfte Schätzungen zufolge dort künftig für knapp 40 Prozent des Reiseveranstaltergeschäfts mit Pauschalreisen stehen. Und auch in Deutschland wird mit dem Zukauf der Rückstand auf TUI kleiner.

Denn der zur Hotelplan-Gruppe gehörende Anbieter Vtours aus Aschaffenburg, der vor allem auf Online-Urlaubsportalen präsent ist, gelangt mit ins Dertour-Portfolio. Vtours ist auf Pauschalreisen spezialisiert, für die dynamisch im Moment der Kundenanfrage aus Datenbeständen Flüge und Hotels zusammengefügt werden. Auch die Dertour-Präsenz auf dem britischen Markt wird durch die Transaktion größer.

Hometogo übernimmt indes das Hotelplan-Segment für Ferienhäuser und Ferienwohnungen, das unter dem Namen Interhome 40.000 Unterkünfte im Portfolio hat, darunter viele, die bei Interhome exklusiv unter Vertrag sind. Hometogo wurde 2014 als Start-up gegründet und ist mittlerweile in Frankfurt börsennotiert.

Das Unternehmen, das für 2024 Buchungsumsätze von 255 Millionen Euro prognostiziert hat , sieht sich schon als Marktplatz mit der größten Auswahl an Ferienwohnungen an – mit nach eigenen Angaben 15 Millionen Angeboten. Der Zukauf soll den Weg frei machen, die führende europäische Plattform in diesem Tourismussegment zu werden, wie Hometogo-Mitgründer und -Chef Patrick Andrae ankündigte. Andere große Vermittler sind Booking.com und Airbnb.

Wie sich Dertour und Hometogo den Zukauf aufteilen

Beide Käufer bejubeln ihre Zukäufe. „Wir freuen uns sehr, die Hotelplan-Group mit ihren beliebten und traditionsreichen Reisemarken in unserem touristischen Verbund zu weiterem Wachstum zu führen”, sagte Dertour-Zentraleuropachef Ingo Burmester. Für Hometogo sagte Andrae zur Interhome-Übernahme aus dem Hotelplan-Portfolio: „Dieser Deal ist eine einmalige Gelegenheit, uns gemeinsam auf die Wachstums- und Profitabilitätsstufe zu heben.“ Wettbewerbsbehörden müssen die Transaktionen noch freigeben.

Während die bei Finanzkennzahlen traditionell äußerst schweigsame Dertour-Gruppe keine Angaben zum Kaufpreis macht, gibt das börsennotierte Unternehmen Hometogo Einblicke. Hometogo zahlt für die größte Akquisition in seiner jungen Geschichte 150 Millionen Franken (160 Millionen Euro). Weitere 85 Millionen Franken werden zunächst aufgeschoben und in Tranchen bis 2029 fällig. Begleichen will Hometogo den Kaufpreis mit Erlösen von 85 Millionen Euro durch die nun angekündigte Ausgabe neuer Aktien, die schon in der kommenden Woche an der Börsen notiert sein sollen, mit einem Darlehen und mit Barmitteln.

Bei Dertour landet der größte Teil von Hotelplan mit dem Volumengeschäft für Pauschalreisen zu Badezielen sowie mit Spezialanbietern für Ski- und Wanderreisen. Hometogo erhält den kleineren Teil mit der Ferienhausmarke Interhome, der in Branchenkreisen aber als chancenreich und somit lukrativ angesehen wird. Den Anstoß für Verhandlungen über die Transaktionen hatte vor knapp einen Jahr der Schweizer Migros-Konzern gegeben, als er ankündigte, im Zuge einer Konzentration auf sein Einzelhandelsgeschäft das in der Hotelplan-Gruppe gebündelte Reisegeschäft abstoßen zu wollen.

Hotelplan-Gruppe in Glattbrugg in der Schweiz: Ein verkauftes Unternehmen, zwei Käufer
Hotelplan-Gruppe in Glattbrugg in der Schweiz: Ein verkauftes Unternehmen, zwei KäuferDertour

Für den Schweizer Reisemarkt ist das eine Zäsur. Der hierzulande wenig bekannte Name Hotelplan ist dort eine Traditionsmarke, die allerdings zuletzt nicht mehr im größten Glanz erstrahlte. Michel Gruber, Präsident der Hotelplan-Verwaltungsrats und Leiter des Departements Handel beim Migros-Genossenschafts-Bund, sagte, der Abschied von Hotelplan falle „nicht leicht“, aber man habe „eine gute Zukunftslösung“ gefunden. Man freue sich, „dass Hotelplan so erfahrene neue Eigentümer erhält, welche die Stärken von Hotelplan Group und Interhome optimal weiterentwickeln möchten.“

Damit dürfte man auch dem Eindruck entgegentreten wollen, dass die Schweizer Reisebranche einen Ausverkauf erlebt, der deutsche Unternehmen stärkt. Dertour aus dem Rewe-Konzern ist in der Schweiz schon stark, weil das Unternehmen vor einigen Jahren dort den Reiseanbieter Kuoni, ebenfalls eine Schweizer Traditionsmarke, übernommen hatte. Der Markenname wurde damals beibehalten, Dertour-Manager Burmester beteuerte, dass es bei Hotelplan im Zuge eines „Zusammenschlusses auf Augenhöhe“ genauso ablaufen werde.

Obwohl Prognosen von Marktfachleuten und Frühbucherzahlen für die Reisebranche ein abermals starkes Sommergeschäft andeuten, sehen sich Urlaubsanbieter unter Druck, ein lange margenschwaches Geschäft renditeträchtiger zu gestalten – auch durch das Bündeln von Kräften im Zuge von Übernahmen. Dertour deutete das an: Mit dem Hotelplan-Kauf gehe man den „nächsten langfristigen Wachstumsschritt“ und wolle „verstärkt vom Skaleneffekt im Veranstaltergeschäft“ profitieren.