Warum die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen kleiner wird

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Die durchschnittlichen Monatsverdienste von Arbeitnehmerinnen sind im vergangenen Jahr um acht Prozent auf 2851 Euro gestiegen. Die Monatsverdienste ihrer männlichen Kollegen haben sich um fünf Prozent auf 4078 Euro im Monat erhöht. Damit ist der vom Statistischen Bundesamt jährlich berechnete Verdienstunterschied („Gender Pay Gap“) ein Stück geschrumpft. Er beträgt einer neuen Auswertung zufolge nun 16 Prozent und ist damit zwei Prozentpunkte kleiner als 2023. Das sei der stärkste Rückgang innerhalb eines Jahres seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2006, teilten die Statistiker am Donnerstag mit.

Der dargestellte „Gap“ fällt geringer aus als der Abstand zwischen den von der Behörde angegebenen Monatslöhnen, da deren Höhe auch von unterschiedlichen Ar­beitszeiten beeinflusst ist. Auf Stundenlöhne umgerechnet, erzielten Frauen im Durchschnitt 22,24 Euro, Männer hingegen 26,34 Euro, also 4,10 Euro mehr. Frauen arbeiteten der Auswertung zufolge im Mittel 122 Stunden je Monat, Männer 149 Stunden. Umgerechnet auf Wochenarbeitszeiten sind das für Arbeitnehmerinnen im Mittel 28 Stunden und für Arbeitnehmer 34 Stunden.

Ein längerfristiger Vergleich der so berechneten Verdienstlücke ist derzeit nur eingeschränkt möglich, da sich die Methodik der Erhebung im Jahr 2022 geändert hat. Vor dem aktuellen Rückgang hatte sie bei 18 Prozent verharrt. Hierbei handelt es sich jeweils um die „unbereinigte Lücke“, wie die Statistiker sagen. Sie zeigt Unterschiede an, klärt aber noch nicht, inwieweit Frauen für gleiche Arbeit niedriger bezahlt werden als Männer. Denn neben dem Faktor Arbeitszeit, dessen Einfluss durch die Umrechnung auf Stundenlöhne schon bereinigt ist, gibt es weitere Faktoren, die den Unterschied erklären.

Bereinigt bleibt eine Lücke von sechs Prozent

Beispielsweise arbeiten Frauen – im Durchschnitt – auf einem geringeren Qualifikationsniveau als Männer. Und sie arbeiten häufiger in Berufen und Branchen, in denen das Lohnniveau unabhängig vom Geschlecht unterdurchschnittlich ist. Ebenso sind in Teilzeitjobs, die häufiger von Frauen ausgeübt werden, im Mittel die Stundenlöhne niedriger als in Vollzeitjobs (siehe Grafik). Rechnet man solche Faktoren heraus, bleibt be­rei­nigt eine Lücke von 1,52 Euro je Stunde oder sechs Prozent übrig.

Die Statistiker weisen außerdem darauf hin, dass es weitere Erklärfaktoren gibt, die aber mangels geeigneter Daten nicht berücksichtigt sind. Das betreffe etwa den Einfluss von Erwerbsunterbrechungen durch Kindererziehung und Pflege von Angehörigen, der sich negativ auf Berufserfahrung und Verdienste auswirkt. Politisch ist umstritten, inwieweit solche Faktoren berücksichtigt werden sollten. Es wird eingewandt, dass es auch ein Zeichen mangelnder Gleichberechtigung sei, wenn sich viel häufiger Frauen als Männer um Erziehung und Pflege kümmern und dann berufliche Nachteile haben. Umgekehrt passe es aber nicht zum Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, deswegen für Frauen mit geringerer Berufserfahrung höhere Löhne zu fordern als für Männer mit geringerer Berufserfahrung.

Warum die Lücke im Jahr 2024 so deutlich geschrumpft ist, klärt die Auswertung des Statistischen Bundesamts nicht. Eine Erklärung ist aber die strukturelle Krise der Industrie, wie ein ergänzender Blick in die Statistik der Tarifverdienste nahelegt: In deren oft männerdominierten Branchen hatte es früher regelmäßig überdurchschnittliche Lohnzuwächse gegeben. Damit ist es aber vorbei: Für die Gesamtwirtschaft machten sie in der Zeit von 2019 bis 2024 gut zwölf Prozent aus, im verarbeitenden Gewerbe, also den Kernbereichen der Industrie, aber nur knapp acht Prozent. Überdurchschnittlich stiegen die Ta­rif­ver­diens­te derweil im Gastgewerbe, im Gesundheits- und Pflegewesen sowie im öffentlichen Dienst.

Anders als die gebremsten Erhöhungen in der Industrie schlägt sich der beschleunigte Anstieg beim Staat (wo mehr Frauen arbeiten) allerdings gar nicht im amtlichen „Gender Pay Gap“ nieder. Denn der öffentliche Dienst ist aufgrund europäisch harmonisierter Statistikvorgaben aus der Berechnung ausgeklammert. Zuletzt hatte das Statistische Bundesamt 2018 ermittelt, wie die Lücke aussähe, würde er erfasst. Ergebnis: Sie wäre damals um 0,7 Prozentpunkte kleiner gewesen. Dies lässt vermuten, dass man heute von den gemessenen 16 Prozent annähernd einen weiteren Prozentpunkt abziehen könnte, würde der öffentliche Dienst mitgezählt.