“Civilization VII”: Mach dir die Weltgeschichte, wie sie dir gefällt

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Alle Strategiespiele, so unterschiedlich sie auch sind, haben
ein zentrales Thema gemeinsam: das Herrschen. In Stronghold verwalten die Spielenden eine überschaubare Burg im
Mittelalter. In Anno 1800 kann das
eigene Reich bereits etliche Inseln umfassen. Am Ende dieser Größenskala steht
zuletzt die Civilization-Reihe des
US-amerikanischen Entwicklers Firaxis Games, die sich schon immer den absoluten
Superlativ auf die Fahne geschrieben hat: Die Spielenden gestalten hier nicht
weniger als das Schicksal der Menschheitsgeschichte auf dem gesamten Planeten.

Civilization VII ist der neueste Teil dieser mehrteiligen
Spielreihe, die seit über 30 Jahren existiert. Trotzdem gibt es bis jetzt kein perfektes
Civilization-Spiel, das alle Fans glücklich macht. Jeder Teil hat seine
Besonderheiten: So gilt Civilization V
als spielerisch rund, aber grafisch veraltet. Civilization VI dagegen macht unheimlich Spaß, aber sieht vielen
Leuten zu cartoonig aus. Was also macht den neuesten Teil der
Reihe aus, der neun Jahre nach seinem Vorgänger erscheint? Vielleicht das: Civilization VII setzt auf den vollen
Kombinationsspaß und pfeift dabei auf historische Akkuratheit, aber vermutlich
nicht nur.

Menschheit in der Tuningwerkstatt

Das wird direkt zu Beginn des Spiels deutlich. Hier können die Spielenden zwischen drei
Startzeiten (Antike, Entdeckung, Moderne), 24 historischen Oberhäuptern (von
Amina bis Xerxes) und 31 Völkern (von Ägypten bis Amerika) wählen. Der Clou: Das jeweilige historische Oberhaupt lässt sich unabhängig von seinem Volk küren. So kann beispielsweise der Renaissance-Philosoph Machiavelli das antike Griechenland anführen
oder der indische Kaiser Aśoka das Zarenreich des 18. Jahrhunderts. Außerdem können
die Spielenden nicht nur das Zeitalter, sondern auch gleich das Land wechseln,
beispielsweise von Hawaii zu Preußen. Was sich für jeden Geschichts- oder Geografielehrer wie purer Blödsinn anhören mag, schafft in Civilization VII
einen historischen Sandkasten zum Experimentieren.

Die Spielenden können aus einem bunten Cast historischer Persönlichkeiten wählen, die alle unterschiedliche Stärken mitbringen. Dazu gehören unter anderem Benjamin Franklin (mehr Wissen), Machiavelli (mehr Einfluss) oder Hatschepsut (mehr Kultur). © Firaxis Games /​ 2K

Der Plot der Menschheitsgeschichte bleibt dabei unverändert, mit seinen düsteren Kapiteln und seinen großen technologischen Errungenschaften. Aber der Weg, von der kleinen Siedler-Einheit im Jahr 4.000 v. Chr. hin zur modernen Gesellschaft der 1950er-Jahre, kann durch die Spieler und Spielerinnen sehr individuell gestaltet werden. Ertragreichere Ernten, exklusive Vorteile bei einer Seeschlacht, ein Boost durch besondere Technologie – es gibt unzählige Kombinationen, die verschiedene Vorteile mit sich bringen und letztlich punktetechnisch in die vier Siegeskategorien zählen: So können die Spielenden entweder mit Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft oder Militär die Weltherrschaft erlangen und alle anderen Kontrahenten ausstechen. 

Wie seine Vorgänger findet Civilization VII auf einem Spielbrett aus sechseckigen Feldern
statt und läuft rundenbasiert ab. Die Spielenden haben genügend Zeit, ihre
begrenzten Züge zu planen und durchzuführen, bis die anderen (künstlichen oder
menschlichen) Gegner an der Reihe sind. So lassen sich die Ländereien erweitern,
neue Gebäude errichten, Armeen bewegen, Technologien erforschen und
Dekrete erlassen. Eine praktische Anzeige am unteren Bildschirmrand zeigt alle
Stationen an, die noch unbeschäftigt sind. So lässt sich
Leerlauf verhindern und die Spieler sind immer über alles im Bilde.

Ein gemächliches Brettspiel um Krieg und Frieden

Beim Spielen merkt man schnell, dass Civilization VII viel Geduld und
Vorausschau erfordert. Kriege, Umweltkatastrophen, gesellschaftliche Unruhen,
wirtschaftliche Krisen – es gibt viele Probleme, aber keine schnellen oder
einfachen Lösungen. Es dauert oft mehrere Runden lang, bis neue Bauvorhaben,
Forschungsaufträge oder neue Politiken abgeschlossen sind. Egal, ob es sich
dabei um die Durchsetzung des Nationalismus, die Modernisierung der Industrie
oder den Einzug mystischer Überzeugungen geht. 

Aus einer kleinen Stadt mit ein paar Bauernhöfen und Bezirken wird irgendwann ein großes Territorium. © Firaxis Games /​ 2K

In manchen Runden hat man dabei als Spielerin viel zu tun, in anderen
Runden spielt sich das Spiel quasi von selbst. Da muss man nicht mehr erledigen,
als ein paar Truppen zu entsenden und die Errichtung eines neuen Bezirks in Auftrag zu
geben. Das macht Civilization VII zu einem Spiel, das zwischen langweiliger, entspannter Ruhe und
überfordernder, schweißtreibender Angespanntheit hin- und herpendelt. Als
Spieler beobachtet man die meiste Zeit nur das allgemeine Weltgeschehen und
überlegt sich, wie man darauf am besten reagieren
soll. Generell müssen die Spieler in Civilization
VII
mehr planen, es wird weniger aktiv gespielt. Hier
bauen sich komplexe Konflikte erst langsam auf, bis es zu weitreichenden
Eskalationen kommt. Erst dann wird das Können als Herrscher wirklich auf die
Probe gestellt.