Trump, Putin und die Ukraine: Deutschlands neue Rüstungsrechnung

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Selten begann die Sicherheitskonferenz in München für die Bundesregierung so unerfreulich wie dieses Mal. In den vergangenen Jahren kreisten die Diskussionen vor allem um die Gefahr, die von Russlands Präsident Wladimir Putin für den Westen ausgeht. Nun führt auch die neue amerikanische Regierung den Europäern ihre Verletzlichkeit vor Augen. Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung, weniger amerikanische Truppen in Europa und die Friedenssicherung in der Ukraine eine Sache allein der Europäer: Die Ansagen aus dem Team von Donald Trump erhöhen den Druck allen voran auf Deutschland, seine Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen.

Doch woher soll das Geld kommen, wenn das nach dem Beginn des Ukrainekrieges geschaffene Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro Ende 2027 aufgebraucht ist? Der Einzeletat für das Verteidigungsministerium ist seit dem Jahr 2022 nur um rund eine Milliarde Euro jährlich erhöht worden. 2024 betrug er 52 Milliarden Euro. Die mittelfristige Finanzplanung sieht zwar einen sprunghaften Anstieg für das Verteidigungsministerium von 53,5 Milliarden Euro im Jahr 2027 auf 80 Milliarden Euro im Folgejahr vor. Doch dieser Plan ist alles andere als durchfinanziert.

Die Lücke zwischen den absehbaren Einnahmen – einschließlich der zulässigen Neuverschuldung – und den vorgesehenen Ausgaben wird mit einer „globalen Minderausgabe“ kaschiert. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, dass an anderer Stelle weniger Geld abfließt als geplant. Auf rund 28 Milliarden Euro beziffert das Finanzministerium die Finanzlücke in besagtem Jahr, die auf die Aufstockung der Verteidigungsausgaben entfällt.

Trump und die NATO-Quote

In Berlin wird derzeit viel darüber diskutiert, ob die nächste Bundesregierung ein weiteres Sondervermögen für die Verteidigung schaffen oder die Schuldenbremse lockern wird, um höhere Investitionen in die Verteidigung und womöglich in auch andere Bereiche zu ermöglichen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte kürzlich in Brüssel, die Schuldenbremse müsse modernisiert werden, um langfristig mehr Geld in das Militär investieren zu können. „Mehr Sicherheit braucht mehr Geld.“ Wenn die NATO-Quote von aktuell zwei Prozent Verteidigungsausgaben auf drei oder gar fünf Prozent steigen soll, kommt man mit einem Bruttoinlandsprodukt von 4400 Milliarden Euro in Größenordnungen von 130 bis 220 Milliarden Euro in einem Jahr. Zum Vergleich: 2024 hatte der Bundeshaushalt ein Ausgabevolumen von insgesamt 480 Milliarden Euro.

Ökonomen warnen vor voreiligen Reaktionen auf Trumps Forderungen, etwa die Vorsitzende des Sachverständigenrats Monika Schnitzer. Im Jahr 2022 hatte sie noch einen „Energie-Soli“ gegen die hohen Gaspreise ins Spiel gebracht, 2023 einen „Ukraine-Soli“ für die militärische Unterstützung des Landes. Jetzt aber erneuert Schnitzer diese Forderung auf Nachfrage nicht, spricht nur von einem „langfristigen Konzept für die Finanzierung der Verteidigung“, das nicht allein durch die Forderungen Trumps getrieben sein dürfe und das „sorgfältig überlegt“ werden müsse. „Die Schuldenbremse stabilitätsorientiert reformieren, die Ausgaben für Verteidigung verbindlich machen, um Ausgabensteigerungen für die Mütterrente und eine Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie zu verhindern“, rät sie in Anspielung auf die Wahlversprechen von CDU/CSU. Was der Ökonomin wichtig ist: „Keine Einmallösungen wie Sondervermögen, sondern dauerhaft durchhaltbare Lösungen.“

Macron gegen Schuldenregeln

Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, sagt: „Bei kurzfristig stark steigenden Ausgaben ist ein Verschuldungsanteil zu rechtfertigen. Im Zeitablauf sollte das allerdings durch Ausgabenumschichtung und/oder Steuererhöhungen ersetzt werden.“ Fuest verweist auf das Beispiel Israel. Das Land gebe mehr als fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aus. Ein großer Teil werde mit Krediten finanziert, es habe aber auch Ausgabeumschichtungen, Kürzungen im Sozialen und eine Erhöhung der Umsatzsteuer gegeben. Die Wirtschaftskraft Israels habe das nicht geschmälert, im Gegenteil: Andere Bereiche der Wirtschaft profitierten von den Innovationen der Rüstungsindustrie.

Auch eine Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass höhere Verteidigungsausgaben die Wirtschaft stimulieren können. Wenn der Staat 100 Milliarden Euro mehr für Verteidigung ausgebe, steige das Bruttoinlandsprodukt ebenfalls um rund 100 Milliarden Euro. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte schon im vergangenen Sommer auf eine Stärkung der Rüstungsindustrie gedrängt, mit dem Argument, diese könne Wachstum erzeugen.

Ifo-Ökonom Fuest würde zur Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben zum einen das Wachstum des Bundeszuschusses zur Rente auf ein Prozent im Jahr begrenzen und die Finanzhilfen des Bundes, Steuervergünstigungen sowie die Ausgaben für Flüchtlinge halbieren. Eine Gesundheitsreform könne den Zuschuss des Bundes zur Krankenversicherung reduzieren. „Zusätzlich könnte man die Umsatzsteuer um einen Punkt erhöhen und die Mehreinnahmen von schätzungsweise 17 Milliarden ganz dem Bund zufließen lassen“, sagt Fuest. Wenn auch die Länder einen Beitrag leisteten, ließen sich nach seiner Rechnung 94 Milliarden Euro für die Verteidigung gewinnen.

Laut der bisherigen NATO-Verpflichtung investiert jedes Land mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in seine Verteidigung. Diesen Wert hat Deutschland erst erreicht, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Putins Einmarsch in der Ukraine zusammen mit CDU/CSU das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro neben die Schuldenregel in das Grundgesetz schrieb. Für derartige Eingriffe bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Ob die Parteien der Mitte diese nach dem 23. Februar noch haben, ist offen.

Boris Pistorius hat sich auch für eine Anpassung der europäischen Schuldenregeln ausgesprochen, „wenn es um Ausgaben für Verteidigung geht“. Damit rennt er vor allem im hoch verschuldeten Frankreich offene Türen ein. Emmanuel Macron hat die Schuldenregeln im Lichte der aktuellen Herausforderungen gerade erst „obsolet“ genannt. „Der finanzielle und monetäre Rahmen, in dem wir leben, ist veraltet“, sagte Frankreichs Präsident am Freitag der britischen Zeitung „Financial Times“. Von den Defizitgrenzen des EU-Wachstums- und Stabilitätspakts müsse man sich befreien. Um den Staaten höhere Verteidigungsausgaben zu ermöglichen, plädierte Macron zudem für mehr „innovative Finanzierungslösungen“. Das könnte eine gemeinsame Kreditaufnahme der EU einschließen, wie es sie während der Coronapandemie gab. Laut dem Bericht hofft Macron, dass sich Berlins Widerstand dagegen nach den Bundestagswahlen ändern könnte.