Deutlich hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Vorhaltungen des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance zurückgewiesen, der in Europa in die Meinungsfreiheit bedroht sieht und sich indirekt für eine Einbindung der AfD ausgesprochen hatte. Scholz wies bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Samstagmorgen auf die Verbrechen der Nationalsozialisten hin, und die zentrale Lehre der deutschen Demokratie daraus, dass so etwas nie wieder passieren dürfe.
Mit einer AfD, aus deren Reihe heraus der Nationalsozialismus als „Vogelschiss der Geschichte“ bezeichnet werde, sei das Bekenntnis „Nie wieder“ nicht in Einklang zu bringen. „Deshalb werden wir es nicht akzeptieren, wenn Außenstehende in unsere Demokratie, unsere Wahlen und unsere Meinungsbildung eingreifen“, sagte Scholz. „Das gehört sich nicht“, fügte er an. Erst Recht nicht unter Freunden und Verbündeten. „Das weisen wir entschieden zurück“, sagte Scholz. „Wie es mit unserer Demokratie weitergeht, entscheiden wir selbst.“
Scholz macht in seiner Rede auch deutlich, dass man einen „Diktatfrieden“ in der Ukraine nicht akzeptieren werde. Nichts dürfe über den Kopf der Ukraine hinweg entschieden werden. Man werde sich in Europa aber auch auf keine Lösung einlassen, „die zu einer Entkopplung europäischer und amerikanischer Sicherheit führt“. Das würde nur dem russischen Präsidenten Wladimir Putin helfen. Damit reagierte er auf Äußerungen aus Washington nach einem Telefonat des amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit Putin und der Ankündigung von Verhandlungen ohne Einbeziehung der Europäer. Scholz warb abermals für Ausnahmen bei der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und ebenso für Ausnahmen im EU-Stabilitätspakt zu diesem Zwecke.
Trump lobt die Rede von Vance als „brilliant“
Am Freitag hatte Vance mit seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz für Irritationen gesorgt. Allein schon deshalb, weil er gar nicht über Außen- und Sicherheitspolitik gesprochen hatte. Stattdessen behauptete er, dass in Europa Werte bedroht seien, die man doch mit Amerika teile. Er zielte damit vor allem die Meinungsfreiheit. So komme, äußerte Vance, die größte Gefahr für die Sicherheit Europas nicht aus Russland oder China, sondern von innen.
Und auch eine kaum verklausulierte Wahlempfehlung für die AfD sprach er aus, ohne die Partei zu erwähnen: „Es gibt keinen Platz für Brandmauern“, sagte er aber. Dazu passt, dass Vance und Scholz sich in München nicht gesprochen haben – als Scholz eintraf am Samstagmorgen, war Vance schon lange abgereist. Für ein Treffen mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel hatte der Amerikaner Freitagabend in seinem Hotel aber noch Zeit. Diese hatte seine Rede in den sozialen Medien begeistert kommentiert.
Der amerikanische Präsident Donald Trump lobte am Freitag die Rede von seinem Vizepräsidenten. Das sei „eine sehr brilliante Rede“ gewesen. Es sei wahr, das Europa das „wundervolle Recht auf Redefreiheit“ verliere, so Trump.
Steinmeier: „Diplomacy is not a cage fight!“
Auf der Sicherheitskonferenz hielt sich die Begeisterung hingegen in Grenzen. Die Fassungslosigkeit schien manchen ins Gesicht geschrieben. Vor Vance hatte bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gesprochen und auf englisch gewarnt: „Diplomacy is not a cage fight!“ Steinmeier sprach über die neuen Verhältnisse in Washington. „Die neue amerikanische Administration hat ein sehr anderes Weltbild als wir“, sagte er. „Eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf Partnerschaft und gewachsenes Vertrauen.“ Das könne man nicht ändern, das müsse man akzeptieren, und damit könne man umgehen.
„Aber ich bin überzeugt: Es ist nicht im Interesse der Staatengemeinschaft, dass dieses Weltbild das dominierende Paradigma wird.“ Steinmeier sagte: „Regellosigkeit darf nicht zum Leitbild für eine Neuordnung der Welt werden.“ Besonders deutlich wies dann nach der Rede von Vance Verteidigungsminister Boris Pistorius die Vorhaltungen von Vance zurück – und warf dafür sogar seine eigentlich geplante Rede um.
Am Samstag treten auf der Bühne der Sicherheitskonferenz neben Scholz und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auch noch die deutschen Wahlkämpfer Robert Habeck von den Grünen und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auf. Dieser hatte Vance bereits am Freitag gesprochen und vorgeschlagen, dass Gespräche zwischen Amerika und Russland über einen Friedensprozess mit einem Waffenstillstand in der von Moskau überfallenen Ukraine beginnen sollten. Dies könne eine vertrauensbildende Maßnahme sein, schrieb Merz dazu auf der Plattform X.