Am dritten Tag ihrer disruptiven Anwesenheit haben Vertreter der amerikanischen Regierung eine Art neue Zeitrechnung angekündigt: Trump-Time. Das bedeute, so der ehemalige General Keith Kellogg, dass nicht drei Jahre gewartet werde, ehe der Präsident mit Putin telefoniert, sondern es sofort passiere. Und dass es nur „Tage oder Wochen“ dauern werde, bis es einen dauerhaften und fairen Frieden für die Ukraine gebe. Selbstverständlich, so der Ukraine-Unterhändler des Präsidenten, dürfe die Ukraine mit dabei sein, wenn Trump den Krieg beende. Und die Europäer? Nun, sagte Kellogg, er sei für „realistische Diplomatie“, deswegen: Nein, die Europäer nicht.
Kellogg war nach Trump, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident J.D. Vance der vierte US-Politiker, der diese Woche verheerende Nachrichten für Deutschland und Europa mitbrachte. Doch wer hatte in München dieser Mischung aus Hochmut, Geringschätzung und schlechtem Benehmen etwas Substantielles entgegenzusetzen? Deutschland jedenfalls wirkte paralysiert, eine Woche vor der Wahl.
Der Applaus verhalten, das Interesse mäßig
Der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fehlte, als Vance Deutschland zur sowjetähnlichen Halbdemokratie erklärte und die AfD für das Kanzleramt empfahl. Erst am nächsten Morgen, vor schwach besetzten Reihen der Sicherheitskonferenz und ohne rechten Schwung, fand der Kanzler der stärksten europäischen Macht ein paar widerständige Worte: „Das gehört sich nicht, erst recht nicht unter Freunden und Verbündeten“. Immerhin.
Dennoch kam gleich das Versprechen, weiter brav Waffen in Amerika zu kaufen. Und dann fabulierte Scholz noch vom nötigen Wachstum des Verteidigungsetats, das er selbst drei Jahre lang blockiert hatte. Der Applaus war verhalten, das Interesse mäßig. Sah man in Angela Merkel während Trumps erster Amtszeit noch eine Anführerin des werteorientierten Westens, glich der Bundeskanzler in München einem Huhn, das, längst geköpft, noch ein paar Meter läuft.
Ähnlich musste es Boris Pistorius ergehen, der als Erster und in gewohnter Offenheit Vance seltsamen Äußerungen entgegentrat. Hinter den Kulissen muss Pistorius zugleich versuchen, aus der schlimmen Lage das Beste zu machen. Da gilt die Zusage schon als Erfolg, den bevorstehenden (Teil-)Abzug des US-Militärs nicht in „Trump-Time“ zu machen, sondern zumindest einen Fahrplan zu vereinbaren.
Es gibt Protest – doch nicht von den großen Ländern
Als tags darauf beim traditionellen Mittagessen der Ukraine-Freunde im Münchner Literaturhaus Kellogg den Europäern den Zutritt zu Ukraine-Gesprächen verweigerte, gab es dort Protest. Aber nicht etwa von deutschen oder französischen oder britischen Spitzenpolitikern, sondern von denen, die da waren, um Europa zu repräsentieren: Estlands Präsident, Islands Premierministerin und Kroatiens Ministerpräsident sagten das Notwendige.
Das war aufrecht und nötig, allerdings repräsentieren sie nicht gerade die gewichtigsten Länder des Kontinents. Die fehlten auch bei diesem Aufeinandertreffen. Kellogg und der ebenfalls anwesende Deutschland-Kritiker Richard Grenell dürften sich prächtig amüsiert haben, ebenso wie die Entourage von Vance. Auf deren Stimmung wirkte das Entsetzen der Europäer im Bayerischen Hof wie etliche Dosen des Muntermachers Red Bull.
Die Idee dahinter ist klar: Wenn die Europäer etwas machen wollen, dann sollen sie halt 50.000 bis 100.000 Mann in bewaffneten Friedenstruppen in die Ostukraine schicken. Für die Bundeswehr kann das eigentlich nicht in Frage kommen. Denn sie bemüht sich gerade, mit dem Ziel 2029 endlich einsatztauglich zu werden. So peinlich es ist: Auf ein Ende der Kampfhandlungen ist im Verteidigungsministerium niemand vorbereitet. Jetzt tausende Soldaten als Peacekeeper zu entsenden, statt daheim wenigstens einige Kampfbrigaden für die NATO zu ertüchtigen, würde den endgültigen Ruin des Heeres bedeuten. Darüber würde sich dann vor allem Putin freuen.