Ferrands umstrittene Ernennung zum Verfassungschef

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Der französische Präsident Emmanuel Macron hat einen engen Vertrauten, Richard Ferrand, als neuen Präsidenten des obersten Verfassungsgerichtes vorgeschlagen. In Frankreich störte sich lange niemand daran, dass an der Spitze des Conseil constitutionnel nicht qualifizierte Juristen, sondern politisch verdiente Persönlichkeiten wirkten. Der sozialistische Präsident François Hollande etwa ernannte seinen Parteifreund und ehemaligen Premierminister Laurent Fabius, der Anfang März nach neun Jahren im Verfassungsrat aus dem Amt scheidet. Doch dieses Mal stößt die Ernennung eines loyalen Mitstreiters ohne juristische Vorbildung auf erheblichen Widerstand.

Dem 62 Jahre alten Ferrand trauen viele nicht zu, den Herausforderungen der nächsten Jahre gewachsen zu sein. In einem an „Checks and Balances“ armen Präsidialregime könnte das insgesamt neun Verfassungsrichter zählende Organ eine wichtige Rolle erhalten, sollten die Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) 2027 die Präsidentenwahl gewinnen. Noch ist unklar, ob die RN-Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen überhaupt antreten kann, weil sie sich vor Gericht wegen mutmaßlicher Veruntreuung von EU-Geldern verantworten musste. Im Falle einer Verurteilung Le Pens mit Entzug des passiven Wahlrechts bei der auf Ende März angesetzten Urteilsverkündung wäre es wiederum am neuen Verfassungsgerichtspräsidenten, dazu in einer möglichen „vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit“ zu befinden.

Das Profil Richard Ferrands sei „problematisch“, hat der Fraktionschef der Republikaner, Laurent Wauquiez, kritisiert. Wauquiez hatte den Verfassungsrat politischer Einflussnahme bezichtigt, nachdem dieser Anfang 2024 große Teile des verschärften Immigrationsgesetzes für ungültig erklärt hatte. „Der Verfassungsrat ist kein Altersheim für Politrentner und muss zumindest den Anschein von Neutralität haben“, sagte Le Pen. „Es bestehen ernsthafte Zweifel an den juristischen Kompetenzen und der Unparteilichkeit Ferrands“, äußerte der sozialistische Parteichef Olivier Faure.

Die Hürde, um die Nominierung Ferrands zu verhindern, liegt mit einer Dreifünftelmehrheit in den Rechtsausschüssen der Nationalversammlung und des Senats recht hoch. Die Anhörung ist auf den 19. Februar angesetzt. Besonders im Senat eckt der frühere Sozialist Ferrand an. Der Wahlbretone war lange ein Hinterbänkler der Sozialistischen Partei und wurde zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Gérard Collomb zum wichtigen Paten für Macrons Präsidentschaftskandidatur 2017.

Ferrand erregte Aufsehen, als er sich kürzlich für eine dritte Amtszeit Macrons aussprach – was verfassungsrechtlich nicht erlaubt wäre. Neben Ferrand werden noch zwei weitere künftige Verfassungsrichter, die langjährige Untersuchungsrichterin und Abgeordnete Laurence Vichnievsky sowie der Senator Philippe Bas angehört.