Biden sieht in Syrien eine Gelegenheit – und ein Risiko

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Es hatte einen Grund, dass Joe Biden bis Sonntagmittag wartete, um sich zum Sturz Assads und der Zukunft Syriens zu äußern. Als der amerikanische Präsident sich vom Weißen Haus aus an die Öffentlichkeit wandte, teilte er mit, dass die amerikanischen Streitkräfte Luftschläge in Syrien ausgeführt hätten, um die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) davon abzuhalten, sich in der Region wieder zu behaupten.

Biden sagte, erst in den vergangenen Stunden hätten seine Streitkräfte Präzisionsangriffe auf IS-Ziele in Syrien durchgeführt. „Wir werden wachsam bleiben“, versicherte der scheidende Präsident. Das gelte auch mit Blick auf die Rebellengruppen, die Assad gestürzt hätten. Diese hätten zum Teil „ihre eigene düstere Geschichte, was Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen anbelangt“.

Auch sagte der Präsident, dass die dort stationierten amerikanischen Soldaten bis auf Weiteres im Land blieben. Washington werde nicht zulassen, dass der IS das Machtvakuum nach dem Sturz des Regimes in Damaskus nutzt, um den eigenen Einfluss wieder auszubauen. Die Vereinigten Staaten haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums 900 Soldaten im Osten und Südosten des Landes stationiert – zum Kampf gegen die Terrormiliz IS in der Region.

Dutzende Luftangriffe auf IS-Ziele

Die militärische Operation am Sonntag galt lediglich den IS-Stellungen. Centcom, das Regionalkommando der Streitkräfte im Nahen Osten, teilte auf der Plattform X mit, es seien Dutzende Luftangriffe auf IS-Ziele im zentralen Syrien geflogen worden. Die Angriffe hätten auf IS-Anführer und Funktionäre sowie deren Camps gezielt. Eingesetzt wurde B-52-Langstreckenbomber sowie F-15-Kampfflugzeuge. General Michael Kurilla, der Centcom-Kommandeur, teilte mit, man werde es dem IS nicht erlauben, ihre Positionen auszubauen und die derzeitige Lage in Syrien auszunutzen. Auch andere Gruppen würden zur Rechenschaft gezogen, sollten sie den IS unterstützen.

Washington will ein Libyen-Szenario verhindern. Das nordafrikanische Land versank nach dem Sturz des Diktators Muammar Gaddafi 2011 im Bürgerkrieg. Über die Zukunft Syriens sollten die Syrer entscheiden, sagte ein ranghoher Regierungsvertreter. Und auch Biden hob hervor, Syrien sei souverän. Washington stehe aber bereit, humanitär zu helfen. Weiter sagte der scheidende Präsident, seine Regierung werde auch Syriens Nachbarländer, darunter Jordanien, Libanon, den Irak und Israel, unterstützen, falls in der Übergangsphase eine Bedrohung von Syrien ausgehen sollte. Er werde in den kommenden Tagen mit Staats- und Regierungschefs im Nahen Osten sprechen und ranghohe Regierungsvertreter in die Region entsenden.

„Dies ist ein Moment erheblicher Risiken und Unsicherheit“, sagte Biden. Es sei aber für die Syrer auch die beste Chance seit Generationen, ihre eigene Zukunft zu gestalten. Und es gebe auch die Chance für einen sichereren Nahen Osten – wenngleich dies alles andere als gewiss sei.

„Fundamentaler Akt von Gerechtigkeit“

Biden betrachtet den Sturz Assads nach Jahren des Bürgerkriegs auch als Folge seiner Außenpolitik. „Die wichtigsten Unterstützer von Assad waren Iran, die Hizbullah und Russland“, sagte er in seiner kurzen Ansprache. Zuletzt sei deren Unterstützung zusammengebrochen, „denn alle drei sind heute viel schwächer, als sie es bei meinem Amtsantritt waren“. Der Sturz Assads sei ein „fundamentaler Akt von Gerechtigkeit“. Weder Russland noch Iran oder die Hizbullah hätten das „abscheuliche Regime“ in Syrien am Ende noch verteidigen können. Dies sei eine direkte Folge der Schläge, die die Ukraine und Israel mit großer Unterstützung der Vereinigten Staaten gegen sie ausgeteilt hätten.

Auch Regierungsvertreter in Washington waren bemüht, das historische Ereignis in Syrien in den Zusammenhang mit Bidens Ukraine- und Israel-Politik nach Beginn des russischen Angriffskrieges beziehungsweise des Terrors der Hamas zu stellen: Es sei unmöglich, die Geschehnisse in Syrien nicht in den Kontext von Bidens Entscheidungen zu stellen, die Ukraine im Kampf gegen Russland zu unterstützen – und Israel im Kampf gegen Iran und die Hizbullah. „Assad wurde praktisch im Stich gelassen, weil seine einzigen Freunde – Iran, die Hizbullah und Russland – nicht mehr in der Lage waren, ihm zu helfen“, sagte der ranghohe Regierungsvertreter.

Während der scheidende Präsident das Krisenmanagement nutzt, um an seinem Vermächtnis zu arbeiten, stellte der künftige Präsident Donald Trump klar, er wolle nicht, dass sich die Vereinigten Staaten in irgendeiner Form in die Krise einmischen. Syrien sei „ein Durcheinander“ und nicht „unser Freund“. Russland werde aus dem Land verdrängt. Es habe für Moskau ohnehin nie einen großen Nutzen gehabt, schrieb er auf der Plattform X. Auf der Plattform Truth Social fügte er später hinzu, Moskau habe wegen der Ukraine jegliches Interesse an Syrien verloren. Er forderte Putin auf, den Ukraine-Krieg, „der nie hätte beginnen dürfen und ewig weitergehen könnte“, zu beenden. „Ich kenne Wladimir gut. Jetzt ist seine Zeit zum Handeln gekommen. China kann helfen. Die Welt wartet!“, schrieb Trump.