Eckart Seith vor Schweizer Gericht

26

Von Montag an steht Eckart Seith, bekannter Stuttgarter Wirtschaftsanwalt und Tippgeber im Steuerhinterziehungsskandal um „Cum-ex“-Geschäfte, wieder als Angeklagter vor einem Strafgericht in der Schweiz. Es ist die Fortsetzung eines Berufungsverfahrens, in dem Seith und zwei frühere Mitarbeiter der Basler Privatbank J. Safra Sarasin (ehemals Bank Sarasin) zum Jahresbeginn 2022 wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage und Vergehen gegen die Schweizer Bankgesetze freigesprochen worden waren.

Doch auf eine Beschwerde der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft hin hatte das Bundesgericht in Lausanne die Freisprüche kassiert. Nun muss in dieser Woche abermals vor einer Strafkammer des Obergerichts Zürich über Seiths Schicksal verhandelt werden: Im Ausgangsprozess hatte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren für ihn gefordert.

Held oder Spion?

Hierzulande ist Seith hingegen ein gefeierter Whistleblower zur Aufdeckung von Cum-ex-Geschäften, in die auch Schweizer Kreditinstitute verwickelt waren. Bei den Aktienkreisgeschäften handelten Banken, Börsenhändler und Leerverkäufer Wertpapiere mit („Cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch und ließen sich eine Kapitalertragssteuer mehrfach zurückerstatten. Dank Seiths Hinweisen konnten die Auszahlung von mindestens 460 Millionen Euro gestoppt werden.

Über seinen Mandaten, den Ulmer Drogerieunternehmer Erwin Müller, war Seith frühzeitig auf Aktiengeschäfte der Bank J. Safra Sarasin aufmerksam gemacht worden. Für Seith war zumindest schon damals klar, dass die Aktienkreisgeschäfte illegal waren. Im März 2013 erhielt bei einem Abendessen in Schaffhausen interne Dokumente der Bank, darunter ein Steuergutachten der Großkanzlei Freshfields . Seine damaligen Gesprächspartner: Volker S. und Bernhard V., beide langjährige Mitarbeiter der Basler Privatbank, ersterer leitete bis Anfang 2014 deren Rechtsabteilung. Auch gegen sie richteten sich die Ermittlungen der Schweizer Staatsanwälte, auch sie mussten später neben Seith auf der Anklagebank Platz nehmen. Eine erste Gerichtsentscheidung hatte das Obergericht Zürich 2022 wegen Befangenheit des damals ermittelnden Staatsanwalts aufgehoben. Damit war ein Großteil der von den Anklägern vorgelegten Beweise gegen Seith nicht mehr verwertbar.

Mit Rückendeckung nach Zürich

Wie schon in den ersten Instanzen kommt Seith mit reichlich Unterstützung nach Zürich. Die Bürgerbewegung Finanzwende plant abermals vor Ort eine Solidaritätskampagne für den angeklagten Rechtsanwalt, weitere Organisationen aus Deutschland haben ihr Kommen angekündigt. „Dass Eckart Seith wegen Spionage angeklagt wurde, war schon immer falsch. Dass er 15 Jahre später nun erneut vor Gericht steht, ist vollkommen absurd“, teilt Anne Brorhilker, frühere Oberstaatsanwältin in Köln und seit ihrem Weggang aus dem Staatsdienst im Mai 2024 Ko-Geschäftsführerin der Finanzwende, der F.A.Z. auf Anfrage schriftlich mit.

Solidaritätsaktion der Bürgerbewegung Finanzwende für den Hinweisgeber vor der Schweizer Botschaft in Berlin iim Dezember 2021.
Solidaritätsaktion der Bürgerbewegung Finanzwende für den Hinweisgeber vor der Schweizer Botschaft in Berlin iim Dezember 2021.dpa

Seith hatte sich früh mit seinen Hinweisen zu den Cum-ex-Deals, die über die Schweiz und Luxemburger Fonds liefen, an das Bundeszentralamt für Steuern sowie die Strafverfolger in Köln gewendet. Das brachte in Deutschland Ermittlungen gegen die Privatbank Sarasin aus Basel sowie die Hintermänner der Sheridan-Fonds zum Laufen.

Europaweites Netz aufgedeckt

Wie Brorhilker nun weiter schreibt, sei es nur dank Seith gelungen, ein europaweit agierendes Netz von Banken aufzudecken, die mit kriminellen Geschäften schwere finanzielle Schäden in verschiedenen Ländern verursacht haben. Mehrere europäische Länder würden Cum-ex-Geschäfte inzwischen klar als illegal einstufen – „übrigens auch die Schweiz.“

Vor Gericht wird Seiths Verteidigerteam nun auch um den Rechtsanwalt Peter Biesenbach ergänzt. Der frühere Justizminister von Nordrhein-Westfalen hatte sich intensiv für strafrechtliche Verfolgung von Cum-ex-Deals eingesetzt. Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt engagiert sich der CDU-Politiker Biesenbach, wie auch der frühere SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans, in der Finanzwende. Für den Prozess hat die Schweizer Strafjustiz zwei Verhandlungstage terminiert. Wie das Obergericht Zürich in einer E-Mail an die F.A.Z. mitteilte, ist mit einem Urteil voraussichtlich im Januar zu rechnen.