Arizona, Boston, Gizeh und Madrid: Es sind Namen von Birkenstock -Modellen, für die Fans der Gesundheitsschuhe aus der ganzen Welt bereit sind, bis zu 350 Dollar für ein Paar zu bezahlen. Deshalb brummt auch das Geschäft mit günstigen Nachahmerprodukten aus Fernost seit Jahren. Doch dem Hersteller aus dem rheinland-pfälzischen Linz am Rhein sind nicht die Mitbringsel aus Asien-Urlauben ein Dorn im Auge, sondern vielmehr Produkte der Konkurrenz aus Europa.
Mitbewerber wie Tchibo, die Detmolder Wortmann-Gruppe, Betreiberin der Plattform Shoe.com, oder das dänische Unternehmen Bestseller bieten Kunden, teils mit Lizenzen, eigene Komfortsandalen an. Darin sieht Birkenstock wiederum eine Urheberrechtsverletzung. Seit Jahren verlang das Traditionsunternehmen deshalb von der Konkurrenz Unterlassung, Auskunft, Schadenersatz sowie Rückruf und Vernichtung der Sandalen.
Kein Schutz für Alltagsgegenstände
Am Donnerstag hat der erste Zivilsenat am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in letzter Instanz drei Revisionen von Birkenstock abgewiesen. „Birkenstock-Sandalen sind keine Kunstwerke und genießen daher keinen Urheberschutz“, entschieden die höchsten deutschen Zivilrichter. Ein rein handwerkliches Produzieren mit formalen Gestaltungselementen reiche für den Schutz nicht aus. Die Wettbewerber dürfen ihre günstigeren Produkte also weiterhin verkaufen.
Der Fall, der die Grenzen des Urheberrechtsschutzes für Alltagsgegenstände aufzeigt, hat weit über die Modebranche hinaus für Aufsehen gesorgt (Az. I ZR 16/24 u.a). Birkenstock sieht in der Gestaltung seiner Modelle eine einzigartige künstlerische Leistung. Dies gelte auch für die Schöpfungen von Karl Birkenstock, der in den 1960er Jahren die bis heute gültige Basis der gesundheitsfördernden Sandale gelegt und in eigenständiger Weise modifiziert habe.
Für die Rechtsauffassung der Klägerin sprach zudem, dass Birkenstock-Modelle neben urheberrechtlich geschützten Designs von Möbeln und Leuchten im Bauhausstil oder von Ferdinand Alexander Porsche in Kunstmuseen ausgestellt werden. Auch die Länge der Schutzfristen spielte in dem Rechtsstreit eine Rolle. Während der Urheberrechtsschutz bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers gilt, ist der Designschutz auf 25 Jahre nach der Anmeldung begrenzt.
Es fehlt an „Gestaltunghöhe“
Das Landgericht Köln hatte in erster Instanz der Klage von Birkenstock zunächst stattgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln wiederum entschied im Jahr 2024, dass die Sandalen nicht die Anforderungen an ein künstlerisches Werk erfüllen. Der BGH schloss sich dieser Argumentation an. Den Birkenstock-Sandalen fehle es an freiem, kreativen Schaffen und einer entsprechenden „Gestaltungshöhe“, aus der sich die Individualität erkennen lasse. Das Design der Sandalen sei durch technische Erfordernisse und andere Zwänge der Gestaltung mitbestimmt.
Dass der Karlsruher Zivilsenat Gebrauchsgegenstände generell für schutzwürdig hält, ist indes nicht ausgeschlossen. So setzten die Bundesrichter im Dezember 2023 einen Streit zwischen dem Schweizer Möbelhersteller USM und dessen Wettbewerber Konektra aus. Im Streit um das populäre Modulregalsystem „Haller“ von USM muss der Europäische Gerichtshof die Reichweite des urheberrechtlich geschützten Werkbegriffs klären – von der Möglichkeit einer Vorlage machte der Senat am Donnerstag keinen Gebrauch.
Birkenstock führt weiter Prozesse
Birkenstock will nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. „Für uns ist der Rechtsstreit wie ein Marathon. Wir haben insgesamt fünf Gutachten vorgelegt, die unsere Position untermauern“, sagte Birkenstock-Anwalt Konstantin Wegner der F.A.Z. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, welche weiteren Punkte für die höchstrichterlich geforderte Gestaltungshöhe und damit das künstlerische Element hätten vorgelegt werden müssen, so der Partner der Kanzlei SKW Schwarz .
Steffen Schäffner, der bei Birkenstock als Inhouse-Jurist global für den gewerblichen Rechtsschutz zuständig ist, verwies auf weitere anhängige Verfahren in der Schweiz, Frankreich, Dänemark und den Niederlanden. Vor den als liberal geltenden niederländischen Gerichten sei in Kürze eine mündliche Verhandlung angesetzt, so Schäffner.
Die an der New York Stock Exchange gehandelte Birkenstock-Aktie rutschte am Donnerstag zeitweise um sechs Prozent ab und notierte bei 51,51 Dollar. Zudem gab das Unternehmen aufgrund des starken Weihnachtsgeschäfts für das letzte Quartal ein Umsatzwachstum von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bekannt. Für das gesamte Geschäftsjahr geht Birkenstock von 17 Prozent Wachstum aus.