Seit Jahren steigen die Beitragssätze für Krankenkassen, ohne dass die Versicherten das Gefühl hätten, sie würden besser oder schneller versorgt. Im Gegenteil. Die Betriebe und ihre Mitarbeiter, welche die Sozialabgaben gemeinsam schultern, werden immer stärker belastet, die ohnehin rekordhohen deutschen Arbeitskosten steigen weiter, und auch der private Konsum leidet unter der steigenden Abgabenquote. Hinzu kommt noch der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 14,5 Milliarden Euro Steuermitteln im Jahr. Trotzdem reicht das viele Geld vorn und hinten nicht aus, um die Kosten im Gesundheitssystem zu decken. Denn die Ausgaben nehmen schneller zu als die Einnahmen, es laufen riesige Verluste.
Im vergangenen Jahr ist ersten Berechnungen zufolge sogar das zweithöchste Minus seit mehr als 20 Jahren angefallen. Gemäß den vorläufigen Angaben der großen Krankenkassenverbände betrug die Unterdeckung 2024 fast 6,1 Milliarden Euro. 2023 waren es knapp 1,9 Milliarden Euro gewesen, 2022 hatte es ein weitgehend ausgeglichenes Ergebnis gegeben. Das höchste Defizit mit mehr als 6,7 Milliarden Euro war 2021 während der Corona-Krise angefallen. Die letzten größeren Überschüsse von mehr als zwei Milliarden Euro hatte es 2018 vor der Pandemie gegeben, in einer wirtschaftlich guten Zeit mit sprudelnden Einnahmen für die Sozialversicherungen.
Die größte Krankenkassenfamilie, jene der Ersatzkassen, weist für 2024 ein vorläufiges Defizit von 2,5 Milliarden Euro aus, mehr als das Doppelte von 2023. Zwar seien die Einnahmen je Versicherten um 5,2 Prozent geklettert, die Ausgaben aber deutlich dynamischer um 6,3 Prozent, teilt der Ersatzkassenverband VDEK mit. Deutlich stärker als im Durchschnitt nahmen die Kosten für Arzneimittel und Krankenhäuser zu, die mehr als die Hälfte aller GKV-Ausgaben ausmachen. In den Kliniken schlagen sich vor allem die höheren Landesbasisfallwerte, Pflege- und Psychiatrieentgelte nieder.
„Die GKV-Finanzen sind aus dem Lot“
„Die Kosten galoppieren davon“, sagte VDEK-Chefin Ulrike Elsner: Fast die Hälfte des Defizits der Ersatzkassen sei im vierten Quartal entstanden. Sie beklagte, dass der Rückgang der Herstellerrabatte für Arzneimittel Milliarden koste, nötig sei wieder eine „faire Preisgestaltung“. Die Versorgung müsse verbessert und nicht immer weiter verteuert werden. „Die Reform der GKV- und der Pflegefinanzierung gehört ganz oben auf die Agenda der kommenden Bundesregierung.“
Auch die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, monierte: „Hier rächt sich die expansive Ausgabenpolitik der vergangenen Jahre, die GKV-Finanzen sind aus dem Lot.“ Sie forderte von der neuen Regierung eine „schnelle Rückbesinnung auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und ein Sofortprogramm zur kurzfristigen Stabilisierung der GKV-Finanzen“. Weitere Beitragsanhebungen müssten vermieden werden. Zum Jahresbeginn war der durchschnittliche Zusatzbeitrag so stark gestiegen wie nie zuvor, von 1,7 auf 2,5 Prozent. Hinzu kommt der allgemeine Satz von 14,6 Prozent. Seit 2022 hat sich der Zusatzbeitragssatz fast verdoppelt.
Das AOK-Defizit betrug 2024 den vorläufigen Daten zufolge 1,5 Milliarden Euro. Der Verband der Betriebskrankenkassen BKK erwartet ein Minus von 1,4 Milliarden Euro. Er warnte, 2025 könnten die Beiträge noch weiter steigen, der neue Zusatzbeitrag sei bereits Makulatur. Den Innungskrankenkassen fehlen für 2024 mehr als 660 Millionen Euro.