Trumps geopolitisches Kalkül: Mit Russland gegen China?

7

Trumps Kehrtwende in der Ukrai­ne- und Russlandpolitik wurde in Europa als Zäsur begriffen. Verglichen mit der Politik seines Vorgängers, ist sie tatsächlich ein Bruch, denn Biden betrieb nach Putins Einmarsch in die Ukraine eine Eindämmung Russlands. Historisch gesehen, wechselten zwischen Washington und Moskau aber immer wieder Phasen der Konfrontation mit denen der Entspannung, auch im Kalten Krieg.

Einer der letzten größeren Versuche, mit Russland zu einem „Reset“ in den Beziehungen zu kommen, fand unter Präsident Obama statt. Auch damals sollten Spannungen nach einem militärischen Übergriff Putins beseitigt werden, dem russischen Einmarsch in Georgien 2008. Ein Ergebnis war der Abschluss des New-Start-Vertrags zur Begrenzung strategischer Atomwaffen. Putin setzte die russische Teilnahme an dem Abkommen allerdings 2023 aus.

Auffällig ist, dass es jetzt auch bei Trump eine Agenda gibt, die über die ­Ukraine hinausgeht. So bekundete er Interesse an einer Wiederbelebung der nuklearen Abrüstungsgespräche mit Russland, allerdings unter Einbeziehung von China. Das hatte er schon in seiner ersten Amtszeit erfolglos versucht.

Lage in Asien entscheidend für USA

Welches geopolitische Kalkül dahintersteckt, erläuterte Trumps Verteidigungsminister Hegseth bei seinem ersten Auftritt bei der NATO in Brüssel. Er stellte die Beendigung des Ukrainekrieges in einen größeren globalen Kontext: Es gebe „starke strategische Realitäten“, welche die Vereinigten Staaten davon abhielten, sich in erster Linie um Europas Sicherheit zu kümmern.

Hegseth nannte zunächst die Sicherheit von Amerikas Grenzen und dann die Lage in Asien: „Außerdem stehen wir mit den kommunistischen Chinesen einem gleichwertigen Konkurrenten gegenüber, der in der Lage ist und die Absicht hat, unser Heimatland und unsere zentralen nationalen Interessen im Indopazifik zu bedrohen. Die USA räumen der Kriegsabschreckung gegen China im Pazifik Priorität ein, erkennen die Realität der Knappheit an und gehen Kompromisse bei den Ressourcen ein, um sicherzustellen, dass die Abschreckung nicht versagt.“

Der Minister wollte das ausdrücklich nicht als Absage an die NATO verstanden wissen: „Die Vereinigten Staaten bleiben dem NATO-Bündnis und der Verteidigungspartnerschaft mit Europa verpflichtet. Punktum.“ Die transatlantische Allianz bestehe seit Jahrzehnten, „und wir gehen fest davon aus, dass sie für die kommenden Generationen Bestand haben wird“. Aber er hob hervor, dass die Europäer in Zukunft selbst wesentlich mehr tun müssten für die Abschreckung, und verwies auf Trumps Vorgabe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung (aktuell liegt das NATO-Ziel bei zwei Prozent).

Im vielleicht interessantesten Teil seiner Ausführungen beschrieb er die künftigen Aufgaben beider Seiten: „Gemeinsam können wir eine Arbeitsteilung schaffen, die unsere komparativen Vorteile in Europa beziehungsweise im pazifischen Raum maximiert.“ Konkret müssten die Europäer die „konventionelle ­Sicherheit“ auf ihrem Kontinent übernehmen. Das wäre also eine Art Trump-Deal: Wir kümmern uns um Asien, ihr kümmert euch um Europa.

Die konfrontative, manchmal widersprüchliche Rhetorik Trumps, die auf der Münchner Sicherheitskonferenz von ­ Vizepräsident Vance verstärkt wurde, macht es schwer zu beurteilen, ob man sich auf die Äußerungen seiner Minister verlassen kann. Allerdings hat Trump gerade selbst gesagt, dass er keinen Truppenabzug aus Europa plane. Das war in seiner ersten Amtszeit noch anders. Und am Engagement in Asien lässt er keinen Zweifel. Dem japanischen Ministerpräsidenten versprach er jetzt die Verteidigung des Landes „zu 100 Prozent“.

Spaltung der russisch-chinesischen Achse

Wird diese Linie Wirklichkeit, dann entspräche sie den Vorstellungen republikanischer Vordenker, die Vorarbeiten für eine zweite Amtszeit Trumps geleistet haben. Im sogenannten „Project 2025“ der Heritage Foundation wurde schon im April 2023 vorgeschlagen, dass Amerika sich in der NATO auf die nukleare Abschreckung und ausgewählte Fähigkeiten beschränken solle, während die Europäer sich um den Großteil der konventionellen Verteidigung zu kümmern hätten. Amerikas Militärplanung müsse sich dagegen auf China konzentrieren, vor allem die Verteidigung Taiwans.

Machtpolitisch betrachtet, wäre das eine Entwicklung, die historische Vorbilder hätte. Während des Kalten Kriegs sah Amerika die Sowjetunion als größte Bedrohung. Kissinger gelang es, China auf die amerikanische Seite zu ziehen, was Moskaus Position schwächte. Heute ist es umgekehrt: In Washington gilt nun China parteiübergreifend als die größte Bedrohung, deshalb wäre eine Spaltung der russisch-chinesischen Achse von Vorteil. Trumps Beauftragter Kellogg nannte als zusätzliche Ziele den Bruch der russischen Bündnisse mit Iran und Nordkorea.

Dass das auf ein größeres amerikanisch-russisches Rapprochement hinauslaufen würde, lässt sich den Ausführungen von Außenminister Rubio nach seinem Treffen mit russischen Vertretern in Riad entnehmen. Rubio beschrieb einen Prozess, in dem nach einer Einigung zur Ukraine eine neue Zusammenarbeit bei „beiderseitigem geopolitischem Interesse“ und „historische Wirtschafts- und Investitionsmöglichkeiten“ stehen sollen. Europas Mitwirkung kalkuliert man offenbar ein, denn Rubio deutete an, dass zu einer Lösung in der Ukraine auch ein Sanktionserlass für Russland gehören werde. Deshalb müsse die EU irgendwann an den Verhandlungen beteiligt werden.