Wenn der reichste Mann der Welt und der wichtigste Aktionär der Welt aneinandergeraten, bekommt der Rest der Welt davon normalerweise nichts mit. Anders ist es mit dem Strauß, den Tesla-Zampano und Trump-Jünger Elon Musk (geschätztes Privatvermögen: rund 380 Milliarden Euro) mit Nicolai Tangen ausgefochten hat. Das ist der Chef des auch als „Ölfonds“ bekannten norwegischen Staatsfonds, dem Aktien im Wert von mehr als 1200 Milliarden Euro gehören.
Und das kam so: Tangen hat einen Podcast, für den er regelmäßig namhafte Konzernlenker zum Plausch bittet. Als Großaktionär wird er selten abgewimmelt. Oliver Blume von VW war schon dabei, Bjørn Gulden von Adidas und Roland Busch von Siemens ebenfalls. Elon Musk auch, im vergangenen Frühling. Eine etwas zähe Dreiviertelstunde wurde daraus, in der es um Dinosaurier und Raumschiffe ging. Weder in Amerika noch in Deutschland war Musk damals schon als Wahlkämpfer aufgefallen. Etwas später lud Tangen, der in seiner Freizeit ein passionierter und ambitionierter Koch ist, den Tesla-Chef per SMS zu einer Konferenz des Staatsfonds nach Oslo ein, der „das coolste Abendessen in Europa“ vorangehen sollte. „Wir würden uns wahnsinnig freuen, wenn du dabei wärst.“
Ein Freund, ein guter Freund
Musk reagierte zunächst wohlwollend, aber ach: Der Staatsfonds, der in seinem Depot etwas mehr als ein Prozent der Tesla-Aktien im Wert von zurzeit knapp 14 Milliarden Euro hat, stimmte auf der Hauptversammlung des Elektroautokonzerns gegen den Vorschlag des Managements, Musk ein sagenhaft üppiges Salär von mehr als 50 Milliarden Euro zu gewähren.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Die Norweger begründeten ihre Ablehnung nüchtern mit der schieren Größe, aber auch der in ihren Augen verbesserungsbedürftigen Anreizstruktur des Vergütungspakets. Das nahm Musk persönlich, auch wenn der Fonds von der Mehrheit der Aktionäre überstimmt wurde, und sagte für Konferenz und Abendessen ab. „Ein Freund ist nur, wer handelt wie ein Freund“, schrieb er säuerlich an Tangen. „Wenn ich dich ausnahmsweise um einen Gefallen bitte und du ablehnst, dann solltest du mich nicht um einen Gefallen bitten, bevor du irgendetwas zur Wiedergutmachung unternommen hast.“
Beim Geld fängt eine Freundschaft nach dieser Lesart erst so richtig an. Es entlarvt sich auch in diesen Kreisen eben jeder selbst, so gut er kann. Tangen antwortete knapp: „Völlig verständlich. Als großer Anteilseigner feuern wir dich an. Viel Glück bei allem und schöne Grüße.“
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Dabei hätte es bleiben können. Wenn fleißige norwegische Journalisten nicht Wind von der Absage bekommen hätten und den Staatsfonds um Auskunft gebeten hätten. Genauer gesagt, verlangten sie unter Berufung auf ein einschlägiges Gesetz hartnäckig Einsicht in den schon einige Monate zurückliegenden Schriftverkehr zwischen Musk und Tangen, der wie alle Behördenchefs in Norwegen besonderen Transparenzpflichten unterliegt. So gelangte der SMS-Austausch kürzlich an die Öffentlichkeit. „Hast du meine Nachrichten der Presse weitergegeben?“, fragte Musk angefressen, woraufhin Tangen ihm einen kurzen Abriss der Rechtslage gab: „Das war nicht meine Entscheidung, sondern die unserer Rechtsabteilung.“
Tesla-Zoff im Elektroauto-Musterland
Man kann nur spekulieren, wie sehr dieses persönliche Erlebnis Musk zu seinem gegenwärtigen Feldzug in Trumps Namen gegen eine Vielzahl amerikanischer Behörden angetrieben hat. Sicher ist, dass so ein Scharmützel zwischen zwei Großkopferten auch anderswo für viel Aufsehen gesorgt hätte. Aber umso mehr im Elektroauto-Vorzeigeland Norwegen, wo Tesla-Modelle mit Abstand die am meisten verkauften Neuwagen sind, wo Tesla sogar in gottverlassenen Flecken am Polarkreis eigene Ladestationen betreibt. Und wo demnächst Nicolai Tangens Fünfjahresvertrag als Chef des größten Staatsfonds der Welt ausläuft, mit dem die Norweger den kollektiven Reichtum verwalten, der aus dem Verkauf von Öl und Gas stammt.
Tangen hat sich um eine zweite Amtszeit beworben. Er wird sie nach aller Voraussicht bekommen, auch wenn es 82 weitere Bewerber gibt. Deren Namen wurden in der vergangenen Woche bekannt gegeben. Auch das gehört in Norwegen zu den Spielregeln für herausgehobene Posten im öffentlichen Dienst. Ein Reifenhändler ist unter den Bewerbern, ein Skilehrer, ein Komiker.
Tangen muss die Konkurrenz nicht fürchten. Unter seiner Ägide ist der Marktwert des Fonds um fast 60 Prozent gestiegen. Allein im vergangenen Jahr gab es dank der steigenden Aktienkurse an den Börsen der Welt eine Anlagerendite von umgerechnet 215 Milliarden Euro zu verbuchen. Aber in diesem Amt ist Geld eben nicht alles, erwartet wird auch ein tadelloses Betragen. Tangen interpretiert seine Rolle bisher anders als seine vergleichsweise unsichtbaren Vorgänger, sucht häufiger die Öffentlichkeit und hat sichtlich Freude an klarer, pointierter Sprache.
Ob das so bleibt? Der Zwischenfall mit Musk habe ihm „eine Rüge“ seiner Vorgesetzten eingebracht, der norwegischen Zentralbankchefin, ließ Tangen wissen. Über den Podcast und die Einladung nach Oslo hinaus habe er keinen Kontakt zum Tesla-Chef gepflegt, versicherte er. Und wtwas anderes als die Abstimmung über das Vergütungspaket falle ihm als Bezugspunkt für die Bitte um einen Gefallen nicht ein. De facto habe er sich also nichts vorzuwerfen. Demnächst werde er aber mehr auf seine Worte achten, versprach Tangen: „Ich werde vermutlich etwas langweiliger sein.“
Die von Elon Musk verschmähte Konferenz soll gleichwohl stattfinden. Im April wollen dafür unter anderem die Chefs von Ferrari, Goldman Sachs und Novo Nordisk nach Oslo kommen. Was es zum Abendessen gibt, musste Nicolai Tangen bisher nicht offenlegen.