sie hatten keine Wahl

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Wie schön es ist, eine Wahl zu haben, bemerkt der Mensch oft erst, wenn er keine mehr hat. Auf einem freien Markt, der, von unsichtbarer Hand geführt, die Präferenzen aller Teilnehmer so weit erfüllt, wie deren Zahlungsbereitschaft reicht, sollte allerdings die Wahlfreiheit stets gegeben sein. Was nicht heißt, dass sich jeder Anbieter um seine Kunden bemüht. Stellen Sie sich vor, Sie hätten vor genau einem Jahr ein nigelnagelneues Elektroauto gekauft, ein kleines, passend für die Stadt. Zu dem Auto gehörte eine App, mit der man von zu Hause aus dem unter der Laterne parkenden Mobil mitteilen kann, wann es morgens zur Arbeit geht, auf dass die Scheiben frei von Eis sind und die Temperatur an Bord rechtzeitig Wohlfühlgrade erreicht. Auch sonst könnte die App das eine oder andere, was für Elektrofahrer ganz nützlich ist, etwa den Ladestand des Akkus mitteilen. Ende vergangenen Jahres hätte der Hersteller die App aber abgeschaltet.

Frei erfunden? Ausgerechnet Mercedes-Benz waltet genau so, die App für den bis zum Frühjahr 2024 gebauten Elektro-Smart hat der Hersteller zum Jahresende abgeschaltet, euphemistisch als „Sundown“ bezeichnet. Begründung: Die Kommunikation mit dem Auto laufe über den alten Mobilfunkstandard 2 G/3 G, das Netz stehe demnächst nicht mehr zur Verfügung.

Da hat wohl in Stuttgart jemand den langjährigen Leitspruch „Das Beste oder nichts“ allzu wörtlich genommen. Tatsächlich nämlich läuft das 2-G-Netz der Telekom noch bis Mitte 2028, Vodafone spricht gar von einem Betrieb bis 2030, Telefónica/O2 gibt gar kein Verfallsdatum bekannt. Es wäre also ausreichend Zeit gewesen, Hard- und Software umzustellen, aber das hätte ja Geld gekostet, und das für ein auslaufendes Modell einer Marke, die man unterdes ohnehin in chinesische Hände gegeben hatte. Da warnt man doch besser die eigenen Kunden vor dem sofort reagierenden freien Markt, nutzt man Drittanbieter, kann die Gewährleistung für den Akku nicht länger übernommen werden. Mercedes befindet sich, das sei der Fairness halber gesagt, in guter Gesellschaft: Elektropioniere, die sich vor 2016 für einen Nissan Leaf entschieden hatten, erlitten im vergangenen Jahr das gleiche Schicksal.

Sachzwänge werden in solchen Fällen vorgebracht, als könnten Sachen den freien Willen brechen. Den Menschen vorzugaukeln, eine bestimmte Entscheidung sei alternativlos, war selten eine gute Idee. Alles jenseits der Physik lässt sich ändern, insbesondere gilt das für Gesetze und Vorschriften. Die sind nicht gottgegeben, nicht einmal wenn sie aus Brüssel stammen. Auch für Politiker gibt es keine Bestandsgarantie, nicht im Hier und Heute. Zeit für den Sonntagsspaziergang!