Die EU-Kommission will kleine und mittlere Unternehmen von den bisherigen von der EU auferlegten Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung faktisch ausnehmen. Ferner will sie die Auflagen zu den Sorgfaltspflichten von Unternehmen in deren Lieferkette abschwächen. Diese Vorschläge sind Teil eines Gesetzentwurfs zur Änderung der Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und zur Änderung der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), den die Kommission an diesem Mittwoch vorlegen will. Er soll die bisherigen Gesetze unter einem Dach bündeln („Omnibus“). Ein Entwurf liegt der F.A.Z. vor.
Dem für diese Woche geplanten Omnibus-Gesetz, mit dem die Kommission auch noch die als Verordnung gefasste Klassifikation nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten („Taxonomie“) entschlacken will, sollen im Jahresverlauf weitere folgen. Sie sind Teil der Bemühungen von Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die bürokratische Last von Unternehmen zu reduzieren und so die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu stärken. Von der Leyen hat versprochen, diese Lasten um 25 Prozent zu senken, jene der kleinen und mittleren Unternehmen sogar um 35 Prozent.
Soweit aus dem Entwurf ersichtlich, besteht die von der Kommission beabsichtigte Änderung der CSRD vor allem darin, deren Anwendungsbereich zu reduzieren und kleine und mittlere Unternehmen – mit durchschnittlich höchstens 1000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 450 Millionen Euro – auszunehmen. Derzeit gelten die Regeln für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Millionen Euro. Für Unternehmen, die diese Kriterien nicht erfüllen, soll der Inhalt des Gesetzes offenbar unverändert gelten.
Keine sektorspezifischen Berichterstattungsstandards
Allerdings sagt die Kommission zu, darüber hinausgehende Vorhaben aufzugeben. Bisher plante sie, über einen einseitig erlassenen, nicht von den EU-Gesetzgebern legitimierten „delegierten Rechtsakt“ weitere sektorspezifische Berichterstattungsstandards einzuführen. Davon will sie jetzt absehen. Die CSRD verpflichtet die Unternehmen auf eine Vielzahl von Berichten über die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft. Es geht um Luft- und Wasserverschmutzung, aber auch den Schutz indigener Völker, soziale Inklusion oder den Schutz von Whistleblowern.
Die meist noch nicht in nationales Recht umgesetzte Lieferkettenrichtlinie CSDDD will die Kommission vor allem durch einen verkürzten Katalog von Vorschriften ändern, die EU-weit harmonisiert werden müssen. Das Gesetz, das Kinderarbeit, Umweltverbrechen und Verstöße gegen Menschenrechte auf der ganzen Welt verhindern soll, soll so ausgedünnt werden.
Zum Beispiel soll die Frist, innerhalb deren ein Unternehmen seine Partner in der Lieferkette auf deren Einhaltung der EU-Standards sorgfältig prüfen soll (Due Diligence), von einem auf fünf Jahre erhöht werden. Außerdem will die Kommission die Frist, innerhalb deren die Mitgliedstaaten ihre eigenen Gesetze angepasst haben müssen, um zwei Jahre – bis zum Juni 2028 – verlängern.
Mehr Zeit für Prüfungen im Lieferkettengesetz
In dem Entwurf nimmt die EU-Behörde Bezug auf das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, in dem es heißt, dass die Unternehmen in ihrer Due-Diligence-Prüfung dieselben Maßstäbe in ihrer gesamten Lieferkette anwenden müssen. Das will die Kommission ausdrücklich nicht ändern.
Nach der Vorlage des Gesetzentwurfs leitet die Kommission diesen den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament zur weiteren Beratung zu. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber lobte, dass die Kommission die von ihr selbst verursachte „Bürokratiewelle“ zu brechen gedenke. „Es handelt sich um sehr substanzielle Vorschläge, die nun nicht im Gesetzgebungsprozess zerrieben werden dürfen“, sagte Ferber.