BSW nicht im Bundestag – Merz könnte mit SPD regieren

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Die Unionsparteien sind mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl hervorgegangen. Hochrechnungen sehen sie am Sonntagabend mit knapp 29 Prozent deutlich vor der AfD. Diese kommt mit knapp 21 Prozent auf Platz zwei und ist etwa doppelt so stark wie 2021. Die Union verfehlte zwar ihr Ziel, deutlich mehr als 30 Prozent der Stimmen zu holen, konnte jedoch ebenfalls zulegen – Hochrechnungen zufolge um gut vier Prozentpunkte.

„Ich weiß um die Verantwortung, ich weiß auch um die Dimension der Aufgabe, die jetzt vor uns liegt“, sagte Merz am Sonntagabend vor Parteianhängern im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Der Wahlkampf sei notwendig gewesen – auch in der Migrations-, Außen- und Sicherheitspolitik. „Aber jetzt werden wir miteinander reden, und es geht vor allem darum, so schnell wie möglich wieder eine handlungsfähige Regierung in Deutschland zu schaffen.“ Im Fernsehsender Phoenix gab er das Ziel aus, „spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig“ zu sein.

SPD mit historisch schlechtem Ergebnis

Die derzeitigen Regierungsparteien SPD und Grüne landen weit hinter der AfD. Die Sozialdemokraten verlieren deutlich – mehr als neun Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl von 2021. Hochrechnungen sehen sie bei nur noch knapp 17 Prozent. Es ist ihr historisch schlechtestes Ergebnis: Niemals zuvor ist die SPD bei einer Bundestagswahl unter 20 Prozent gelandet. Bundeskanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat seine Wahlniederlage eingeräumt. Im Willy-Brandt-Haus sprach er von einem „bitteren Wahlergebnis“ für die SPD – und machte klar, er trage die Verantwortung für das Ergebnis. Die Grünen verloren ebenfalls an Zustimmung, wenn auch nicht so stark. „Wir wollten mehr, das haben wir nicht erreicht“, konstatierte Spitzenkandidat Robert Habeck im ZDF.

Auch die dritte Ampelpartei wurde abgestraft: Aktuelle Hochrechnungen sehen die FDP bei unter fünf Prozent – und damit nicht mehr im Bundestag. Im Vergleich zu 2021 haben die Liberalen ihr Ergebnis mehr als halbiert. „Wir sind im letzten Herbst in das volle politische Risiko gegangen für unser Land, und wir zahlen selbst heute einen hohen Preis dafür“, sagte Lindner am Sonntagabend vor Parteianhängern in Berlin. „Für Deutschland war diese Entscheidung aber richtig.” Am Abend kündigte Lindner seinen Rückzug an. „Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus“, schrieb er auf der Plattform X. 

Die Linkspartei zieht als fünftstärkste Kraft in den Bundestag ein. Umfragen hatten sie lange deutlich unter fünf Prozent gesehen, in den letzten Wochen vor der Wahl hat sie stark aufgeholt. Hochrechnungen sehen sie zwischen acht und neun Prozent – 2021 waren sie auf 4,9 Prozent gekommen und nur dank ihrer Direktmandate in den Bundestag eingezogen. „Links lebt“, sagte Parteichef Jan van Aken am Sonntagabend auf der Linken-Wahlparty. „Wir sind die soziale Opposition im Bundestag. Wir sind so stark wie schon lange nicht mehr im Bundestag.“

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist nach Auszählung aller Wahlkreise an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Mit 4,972 Prozent verpasste die Partei den Einzug in den Bundestag, wie aus dem am Montag auf der Internetseite der Bundeswahlleiterin veröffentlichten Zwischenergebnis hervorgeht. Damit hätte eine mögliche Zweier-Koalition aus den Unionsparteien und der SPD eine Mehrheit im Bundestag.

Schwierige Koalitionsbildung absehbar

Merz hat bereits seinen Anspruch auf das Kanzleramt angemeldet. Allerdings braucht er für eine Regierungsbildung Partner. AfD-Parteichefin Alice Weidel sagte im ZDF, ihre Partei stehe „mit einer ausgestreckten Hand“ bereit. „Die Menschen wollen eine blau-schwarze Koalition.“ Wenn die CDU nun mit SPD oder Grünen koaliere, werde „sie nichts von den Wahlversprechen umsetzen können“.

Merz hat eine Koalition mit der AfD allerdings stets ausgeschlossen. Beim Wahlkampfabschluss von CDU und CSU am Samstag in München sagte er: „Wir werden unter keinen Umständen irgendwelche Gespräche, geschweige denn Verhandlungen oder gar Regierungsbeteiligungen mit der AfD besprechen.“ Merz’ Ziel war ein Wahlergebnis, das ein Zweierbündnis ermöglicht – und ihm die Wahl zwischen SPD und Grünen lässt.

Auch am Sonntagabend sagte Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, in der ARD: „Ich bin nach wie vor der Überzeugung, mit den Grünen gibt es keinen Politikwechsel, und deswegen kann ich mir auch nicht vorstellen, dass da eine Koalition zustande kommt.“ Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, sagte dem Sender Phoenix: „Für uns gibt es jetzt die Möglichkeit einer Kenia-Koalition, aber ich gehe nicht davon aus, dass die Union das als Allererstes probieren wird.“ Wenn Merz darüber reden wolle, sei er bereit.

Laut ARD und ZDF war die Wahlbeteiligung so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie lag demnach zwischen 83 und 84 Prozent und erreichte damit den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Bei der Wahl 2021 hatte die Wahlbeteiligung bundesweit – nach einer Teilwiederholung in Berlin – bei 76,4 Prozent gelegen.