Jetzt muss alles ganz schnell gehen. So schnell, dass CDU/CSU und SPD womöglich noch den alten Bundestag einspannen wollen, ihrer künftigen Koalition im künftigen Bundestag das Leben leichter zu machen. Wieder geht es um die Schuldenbremse.
Aber warum sollten die Fraktionen des noch amtierenden Bundestags der künftigen Regierung, die vom neuen Bundestag getragen werden muss, die Kastanien aus dem Feuer holen? Es sind gleichwohl dieselben heißen Kastanien, die auch der künftige Bundestag aus dem Feuer holen muss. Vor der Weltlage ist kein Entkommen.
Im Hopplahopp-Verfahren sollte man mit der Schuldenbremse aber nicht verfahren. Vor jeder Entscheidung über eine Reform muss der Bundestag wissen, zu welchem Zweck sie gelockert werden sollte.
Die Fortsetzung des Wahlkampfs mit anderen Mitteln
Für die Verteidigungsausgaben muss Friedrich Merz und sein Koalitionspartner einen Weg finden, der auch mit Schuldenbremse möglich ist – das Sondervermögen ist ein gangbarer Weg. Auch dafür muss allerdings das Grundgesetz angepasst werden. Wenn dafür der 20. Bundestag noch handlungsfähig ist, sollte man die Gelegenheit nicht verpassen.
Denn es ist richtig, das nun alles schnell gehen muss. Es wäre deshalb wünschenswert, dass CDU/CSU und SPD auf die Rituale der Koalitionsbildung verzichten könnten, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren eingebürgert haben. Monatelange Verhandlungen über Spiegelstriche sind überflüssig – Spiegelstriche, die ohnehin Makulatur sind, weil sich die Zeiten ändern oder weil die Koalitionspartner noch einmal von vorne anfangen, wenn es zur Gesetzgebung kommt.
Der „Vertrag“ ist keiner, er tut nur so
Die Ampelregierung sollte Warnung genug sein. Ihr Koalitionsvertrag war überflüssig wie ein Kropf, war nach wenigen Wochen im Schredder der Zeitenwende gelandet, und wer weiß, vielleicht gäbe es die Koalition noch, wenn sie sich nicht ständig verhakt hätte in den Details ihrer Übereinkunft.
Es muss nicht so sein wie vor Jahrzehnten, als zwei DIN-A-4-Seiten Koalitionsvereinbarung mit zwanzig Punkten und ein Handschlag reichten, um ein stabiles und produktives Bündnis zu schließen. Aber ein Blick in die Geschichte könnte helfen, um zu verstehen, dass es nicht die 170 Seiten penibler Technokratie sind, die zum Erfolg einer Regierung führen.
Der „Vertrag“ (der keiner ist, auch wenn er sich so nennt) ist allzu oft die Fortsetzung der Wahlkämpfe mit anderen Mitteln, raubt Zeit und Energie und endet in zu vielen Formelkompromissen, die nicht tragfähig sind. Die dramatischen Zeiten, in denen wir leben, brauchen etwas anderes.
Es sind drei Themen, die eine Regierung Merz herausfordern werden: Ukraine, Wirtschaft, Migration. An der Ukraine hängen Sicherheit und Verteidigung; an der Wirtschaft hängen Wachstum, Klima, Soziales; an der Migration entscheidet sich die Zukunft Europas. Alles andere ist zweit- oder drittrangig. Zwei Seiten mögen für einen Koalitionsvertrag zu wenig sein, aber drei Seiten müssten doch reichen. Das wäre einmal eine Fortschrittskoalition.