Marsrover Zhurong entdeckt möglichen Strand eines Marsozeans

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Über die Sache mit den Marskanälen lachen Planetenforscher bis heute gerne. Der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli hatte sie 1877 zunächst noch als natürliche Strukturen beschrieben. Später wurden sie von immer mehr seiner Fachkollegen gesehen und bald als Tiefbaumaßnahmen von Marsbewohnern mit Bewässerungsproblemen interpretiert. Den Schriftsteller H.G. Wells verwendete diese Vorstellung in seinem 1898 erschienenen Romans „War of the Worlds“.

Spätestens 1909 aber war das Vorhandensein der Marskanäle wissenschaftlich widerlegt.  Doch die Wasserfrage blieb seither das Leitmotiv der Marsforschung. Nachdem die Sonde Mars Global Surveyor“ in den 1990er-Jahren Laserdaten für eine topographische Karte des gesamten Planeten erhoben hatte, färbte man auf dieser die tiefer liegenden Gebiete, die vor allem die Nordhemisphäre dominieren, selbstverständlich blau. Die „Vastitas Borealis“ genannte nördliche Tiefebene sieht auf einem Marsglobus daher aus, als schwappte dort ein enormes Meer. 

Nun hat der Mars vor Jahrmilliarden durchaus flüssiges Wasser besessen, gewaltige Flusstäler zeugen davon, Tonminerale und möglicherweise sogar die rote Farbe des Planeten. War man bisher davon ausgegangen der rote Marstaub bestehe aus wasserfrei gebildetem Hämatit, hat eine soeben in „Nature Communications“ erschienene Arbeit Indizien dafür, dass es sich um Ferrihydrit handelt, eine Form von Rost, deren Bildung eine gewisse Nässe voraussetzt.

Doch war umstritten, ob das Wasser des Urmars ausreichte, um ein ganzes Meer zu füllen. Neues in dieser Frage kommt nun vom chinesischen Marsrover Zhurong. Der ist im Mai 2021 am Rand einer Ausbuchtung der Vastitas Borealis gelandet und hat danach unter anderem eine 1,3 Kilometer lange Strecke senkrecht zu einer möglichen Küstenlinie des hypothetischen Nordmeers abgefahren. Zhurongs Bodenradar, so berichtet ein chinesisch-amerikanisches Team nun in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“, sei dabei in etwa zehn Meter Tiefe auf eine unter dem Oberflächenschutt verborgenen Schicht gestoßen, die sanft in Richtung Vastitas abfällt. Es könne sich dabei weder um Windablagerungen handeln noch um solche eines Flusses noch um erstarrte Lavaströme, schreiben die Autoren. Vielmehr müsse dies der Strand eines Marsozeans gewesen sein, der möglicherweise über Jahrmillionen Bestand hatte.

Der Befund stimuliert die Phantasie: Solche Wassermassen können nicht alle in den Weltraum verschwunden sein, vielmehr müssten große Teile davon in gefrorener Form im Marsboden schlummern und nun darauf warten, dass Elon Musks Marsfahrer nach ihnen bohren. Die technische Wiederherstellung einer ausreichend dichten Atmosphäre, um auf dem Mars wieder Oberflächengewässer zu erlauben, ein sogenanntes Terraforming, würde jedoch mindestens 900 Jahre dauern, hat ein amerikanischer Botaniker vor Jahren einmal abgeschätzt, und das Resultat wären Landschaftsformen irgendwo zwischen australischem Outback und Sibirien. Aber man könnte ja Kanäle anlegen.