Wo die AfD nur eine Stimme bekam

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In Ihrem Ort Arnis an der Schlei, der kleinsten Stadt Deutschlands, hat die AfD bei der Bundestagswahl eine Stimme bekommen. Eine mehr als 2021. Das ist eine Steigerung, die man in Prozent nicht ausdrücken kann. Wie ist das passiert?

Wie das passiert ist, weiß ich nicht (lacht). Bei der Europawahl im vergangenen Jahr hatte die AfD hier noch keine Stimme. Wir hatten alle gehofft, dass wir das wieder so hinkriegen. Aber da haben wir ja keinen Einfluss drauf. Wir sind ganz zufrieden, dass es nur einer war, der diese Partei gewählt hat. Damit können wir gut leben. Wissen Sie, mit einer Stimme sind wir noch gut dabei!

Ihr Ort zählt nur 250 Einwohner. Da kennt bestimmt jeder jeden. Wissen Sie, wer der AfD die eine Stimme gegeben hat, ist das ein Gesprächsthema?

Darüber wird natürlich spekuliert, aber das ist ja müßig. Das kriegt man nicht raus. Der eine AfD-Wähler wird sich auch nicht outen.

Jens Matthiesen ist seit 2023 Bürgermeister von Arnis (Schleswig-Holstein), der kleinsten Stadt Deutschlands. Er ist Mitglied im Südschleswigschen Wählerverband, dem SSW. Bevor er in Rente ging, arbeitete er unter anderem 25 Jahre lang als Werft-Lagerist.
Jens Matthiesen ist seit 2023 Bürgermeister von Arnis (Schleswig-Holstein), der kleinsten Stadt Deutschlands. Er ist Mitglied im Südschleswigschen Wählerverband, dem SSW. Bevor er in Rente ging, arbeitete er unter anderem 25 Jahre lang als Werft-Lagerist.Jens Matthiesen

Eine Stimme, das heißt in Arnis bei 154 abgegeben Stimmen: 0,7 Prozent.

Um uns herum sieht es ganz anders aus, das ist teilweise gewaltig mit den Stimmen für die AfD, weil gerade die Landwirte die wählen. In Arnis hingegen funktioniert das Leben noch gut. Wir können alles vernünftig diskutieren, auch wenn wir verschiedene Einstellungen haben. Aber wir können uns, auch wenn wir uns beharken, noch in die Augen gucken – und gehen dann noch zusammen ein Bier trinken. Wir haben unsere eigene Streitkultur, wir haben unseren eigenen Kopf und das wollen wir uns auch bewahren.

Ganz vorn liegen bei Ihnen mit 41,1 Prozent die Grünen, entgegen dem Bundestrend.

Das ist gewaltig viel. Wir sind eine grüne Hochburg. Um uns herum sind viele kleine Werften, Bootsbaubetriebe, da arbeiten viele junge Leute und viele von denen wohnen bei uns.

Der Stefan Seidler macht glaube ich einen guten Job da in Berlin. Er hat natürlich nur wenig Redezeit im Bundestag und darf selbst keine Anträge einbringen, aber er kommt mit den anderen Fraktionen gut zurecht, sagt er mir. Und er hat einiges für den Norden hingekriegt. Eine Stimme für den Norden ist wichtig. Schleswig-Holstein ist die vergangenen Jahrzehnte mit den Verkehrsministern aus Bayern ganz schön abgehängt worden. Unsere Infrastruktur ist ganz schön marode.

Jetzt dürfte die CSU wieder das Verkehrsministerium für sich beanspruchen.

Na, wir hoffen mal nicht.

Und wie blicken Sie allgemein auf das Wahlergebnis?

Ich find’s nicht gut. Aber man muss es akzeptieren, wie es ist. Ich hätte mir gewünscht, dass die AfD kleiner ist, aber hatte es schon so befürchtet, wie es jetzt gekommen ist. Nun ist das so, nun muss man damit umgehen. Man kann ja nicht so lange wählen, bis es einem gefällt. Jetzt müssen sich die da in Berlin zusammentun und sehen, dass die was auf die Reihe kriegen. Ich hoffe, das klappt.