Was Kiefer und Zähne damit zu tun haben

5
News folgen

Es gibt nicht den einen Tinnitus. Die Geräusche im Ohr können verschiedenste Auslöser haben – und manchmal bleibt die Ursache unbekannt.

Was viele nicht wissen, ist, dass Tinnitus seinen Ursprung im Mund haben kann, genauer: in Zahnfehlstellungen, Kieferfehlstellungen, Verspannungen der Kiefermuskulatur sowie Zähneknirschen und Zähnepressen. Wann man bei Tinnitus an den Mund denken sollte und wie die Geräusche ins Ohr kommen.

Ohrgeräusche wie Piepen, Pfeifen, Summen, Zischen und Klingeln können bei Tinnitus-Betroffenen in Lautstärke, Intensität und Frequenz variieren. Während manche die Töne im Ohr nur zeitweise und leise wahrnehmen, sind sie bei anderen anhaltend und so laut, dass sie den Alltag und den Schlaf stark beeinträchtigen.

Die Ursache für Tinnitus herauszufinden, ist oft schwer. Angaben der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. (DTL) zufolge ist bei bis zu 45 Prozent aller Tinnitus-Fälle kein Auslöser erkennbar. Mediziner sprechen dann von idiopathischem Tinnitus.

Sind Auslöser feststellbar, können das beispielsweise Lärmschädigungen des Innenohrs, eine Schwerhörigkeit, ein Hörsturz, ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Otosklerose – eine fortschreitende Immobilität der Mittelohrgehörknöchelchen – sein. Lärm und Schwerhörigkeit sind die häufigsten Ursachen von Tinnitus.

Ebenfalls ist es möglich, dass Ohrgeräusche bei Menschen mit Zahn- und Kieferfehlstellungen, Verspannungen der Kiefermuskulatur sowie Zähneknirschen und Zähnepressen auftreten. “Ich sehe es in meiner Praxis häufig, dass Menschen mit Zahn- und Kieferfehlstellungen sowie Störungen der Kaufunktion über Geräusche im Ohr klagen”, sagt Dr. med. dent. Michael Schlotmann M.Sc., Zahnarzt mit eigener Praxis in Menden sowie Fördermitglied der Deutschen Tinnitus-Liga e. V.

(Quelle: privat)

Dr. med. dent. Michael Schlotmann hat eine Zahnarztpraxis in Menden und ist Fördermitglied der Deutschen Tinnitus-Liga e. V. Die Schwerpunkte des Zahnarztes sind Funktionsdiagnostik und -therapie, CMD sowie zahnärztliche Schlafmedizin.

“Wissenschaftlich sind die Zusammenhänge zwischen Ohrgeräuschen und Störungen im Bereich der Kiefergelenke und der Kiefermuskulatur nicht abschließend geklärt. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass bei vielen Patienten die Ohrgeräusche nachlassen, wenn eine vorliegende Funktionsstörung des Kausystems behandelt wird. Es handelt sich dann um somatischen Tinnitus, der seinen Ursprung im Bereich des Kauapparates hat.”

Doch wie können die Geräusche ins Ohr kommen? Ohr und Kiefer hängen zusammen. Nicht nur, dass das Kiefergelenk und das Ohr anatomisch nah beieinander liegen. Auch ist das Kiefergelenk durch Nervenverbindungen und Blutgefäße sowie durch Funktionen der Halswirbelsäule mit dem Ohr verbunden.

“Es ist daher möglich, dass sich eine Kaufunktionsstörung, eine sogenannte craniomandibuläre Dysfunktion, kurz CMD, auf das Ohr auswirkt und Ohrgeräusche begünstigt”, so der Experte mit den Schwerpunkten Funktionsdiagnostik und -therapie sowie CMD. “Stimmt die Lage von Kiefergelenkgrube und Kiefergelenkköpfchen nicht, kann es unter anderem passieren, dass das Gelenkköpfchen des Unterkiefers nach hinten gegen die Wand des Mittelohres stößt – was Geräusche verursachen kann.”

Greifen die Zähne nicht richtig ineinander oder sind die Kiefergelenke nicht in der richtigen Position, können zudem umgebende Strukturen, etwa Muskeln, in Mitleidenschaft gezogen werden, was möglicherweise das Gehör irritiert.

Hat Tinnitus seinen Ursprung im Mundbereich, variieren die Geräusche oftmals, sind nicht dauerhaft vorhanden und verändern sich beispielsweise beim Kauen. Mediziner sprechen von stomatognathogenem Tinnitus, wenn sich die Geräusche im Ohr durch Zubeißen, starkes Gähnen oder Verschieben des Unterkiefers manipulieren lassen.

“Patienten mit einer CMD, die Ohrgeräusche haben, beschreiben verschiedenste Töne, von Pfeifen, Summen, Brummen bis hin zu Knirschen”, sagt Schlotmann. “Manchmal treten die Geräusche im Ohr einseitig auf, manchmal beidseitig. Nicht selten sind Kopfschmerzen, Kieferschmerzen oder Gesichtsschmerzen begleitende Symptome.”

Auch Nackenverspannungen und Fehlbelastungen der Nackenmuskulatur stehen in Verdacht, Tinnitus begünstigen zu können. Das gilt auch für Zähneknirschen (Bruxismus) und Zähnepressen, die bei Stress oft verstärkt in Erscheinung treten. Hierbei wird großer Druck auf die Zähne und die Kiefergelenke ausgeübt und es kann zu Schädigungen der Zähne und der Kiefergelenke kommen – was wiederum den Biss verändert.