Warum Unternehmen so viele Jobs streichen

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Im Januar und Februar haben weitere namhafte Unternehmen wie die Commerzbank , Porsche oder Continental Stellenstreichungen angekündigt, nachdem schon im Vorjahr ein beispielloser Stellenabbau in der deutschen Wirtschaft zu beobachten war. Die Alterung der Gesellschaft spielt Unternehmen beim Stellenabbau in die Hände, da sie langgediente Mitarbeiter relativ geräuschlos in Frührente schicken können. Oder sie warten einfach, bis ältere Mitarbeiter sich mit Erreichen der Regelaltersgrenze automatisch in den Ru­hestand verabschieden und stellen dann keine neuen Nachfolger ein. Einige Firmen verweisen mit Blick auf ihre Stellenabbauprogramme auf die Demographie. Aber es steckt mehr dahinter.

Viele Unternehmen bauen Stellen nicht nur aus demographischen Gründen ab, sondern weil sie sich nicht mehr so viel Personal leisten können. Nach Einschätzung von Klaus Wohlrabe vom Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo bleibt die Lage am Arbeitsmarkt auch wegen des Strukturwandels in der Wirtschaft angespannt. Laut Ifo planen Arbeitgeber mit weniger Personal und bauen weiter Stellen ab. Im Februar sank das Ifo-Beschäftigungsbarometer auf 93 Punkte – so tief wie zuletzt im Corona-Sommer 2020.

Ernüchternde Zahlen zum Jobabbau, nicht nur in der Autoindustrie

Weitere Zahlen machen die Jobkrise deutlich: So ist laut einer Studie der Per­sonalmarktforschung Index Research die Zahl der öffentlich ausgeschriebenen Stellen im vergangenen Jahr um vier Prozent auf 11,6 Millionen gesunken. Und der vom F.A.Z.-Archiv ermittelte Stellenradar erfasste im abgelaufenen Jahr angekündigte Stellenabbauprogramme im Umfang von rund 150.000 Jobs, darunter allein 35.000 Stellen, die der Volkswagenkonzern im Rahmen einer großen Umstruk­turierung abbauen will. Einen größeren Stellenabbau in der deutschen Wirtschaft verzeichnete der F.A.Z.-Stellenradar zuletzt im Jahr 2005, also vor 20 Jahren. Allein die deutsche Industrie hat im Jahr 2024 laut dem Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY 70.000 Stellen abgebaut. Besonders deutlich sank die Zahl der Stellen in der Bekleidungs- und Textilindustrie mit einem Rückgang um vier Prozent. In der Autobranche und der Gummi- und Kunststoffindustrie gingen jeweils 2,4 Prozent der Stellen verloren.

Für 2025 befürchtet EY, dass Unternehmen wegen stark schrumpfender Umsätze 100.000 weitere Industriearbeitsplätze abbauen werden. Laut Jan Bror­hilker, Leiter des Prüfungsgeschäfts von EY, versuchen krisenbetroffene Unternehmen, möglichst lange ohne Stellen­abbau auszukommen. „Aber inzwischen hat sich die Krise der deutschen Industrie in einem Maß verfestigt, dass klar wird: Ohne einen deutlichen Jobabbau geht es nicht“, sagt Brorhilker. Besonders schwie­rig ist die Situation in der Autoindustrie mit ihren laut EY 760.000 Beschäftigten. So war die Auto- und Zulieferindus­trie auch im F.A.Z.-Stellenradar 2024 mit 19 Unternehmen die am häufigsten von größeren Jobabbauprogrammen betroffene Branche. Insgesamt erfasste der Stellenradar 77 Unternehmen mit einem Abbau von jeweils 100 Stellen an.

DSGVO Platzhalter

Den Autosektor trifft es also stark – aber nicht allein. Obwohl die Commerzbank im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn erzielt hat, will sie 3900 Stellen bis zum Jahr 2028 abbauen. Der mit 3300 Stellen größte Teil davon soll in Deutschland wegfallen, vor allem in Zentral- und Stabsfunktionen sowie in der Betriebsorganisation (Operations). Gleichzeitig will die Commerzbank in ausgewählten Bereichen, etwa an internationalen Standorten oder bei der M-Bank, Personal aufbauen. Der Stellenabbau soll sozialverträglich er­folgen, wobei die Bank vor allem auf die demographische Entwicklung setzt. Oder auf die Fluktuation. Das heißt: Wenn Mitarbeiter in den Ruhestand gehen oder zur Konkurrenz wechseln, werden keine neuen Arbeitskräfte eingestellt.

Altersteilzeit für Commerzbank-Mitarbeiter

Auf diesem Weg will die Commerzbank schon in diesem Jahr vorgezogene Altersteilzeit anbieten. Für 2025 rechnet sie mit Restrukturierungskosten von 700 Millionen Euro vor Steuern. Die Verhandlungen mit den Arbeitnehmergremien sollen in Kürze starten. Der Logistikdienstleister Kion will sich widerstandsfähig für die makroökonomischen und geopolitischen Risiken machen und einem Effizienz­pro­gramm unterziehen. Dadurch dürfte sich auch der Bedarf an Personal ver­ringern.

Besonders große und zahlreiche Stellenabbauprogramme treffen Arbeitnehmer in der krisengeschüttelten Autoindustrie. Der Autohersteller Porsche etwa setzt für den bis zum Jahr 2028 ge­planten Abbau von weiteren 1900 Stellen ähnlich wie die Commerzbank auf die Fluktuation sowie den demographischen Wandel. Dabei will das Unternehmen nur restriktiv Positionen nachbesetzen oder neue Mitarbeiter einstellen. Schon im vergangenen Jahr hatte Porsche 1500 befristete Stellen auslaufen lassen. Aktuell laufen zusätzliche 500 Befristungen aus, hieß es Mitte Februar. Der Stellenabbau summiert sich damit auf 3900.

Der Autozulieferer Continental will bis 2026 international 3000 Stellen in der Forschung und Entwicklung abbauen, weniger als die Hälfte davon in Deutschland. Ein Großteil der Anpassungen soll über Fluktuation, Renteneintritte und ei­nen Fokus auf interne Einstellungen umgesetzt werden. Continental will zu Zukunftstechnologien forschen, etwa zum autonomen Fahren, und hat seine Forschungsstandorte sowie die Prozesse effizienter gestaltet. Daher seien in dem Bereich weniger Stellen nötig.

Treiber des Stellenabbaus ist nicht nur die Demographie, sondern auch der Strukturwandel. Deutsche Traditionsbranchen wie Auto- und Maschinenbau stehen dabei im Zentrum eines Sturms. Laut dem Insolvenzreport der Restrukturierungsberatung Falkensteg stieg die Zahl der Großinsolvenzen im Jahr 2024 um 24 Prozent auf einen Rekordwert von über 200. Die meisten Insolvenzen erfassten laut Falkensteg die Autobranche. Allein im Schlussquartal 2024 waren demnach unter den 64 Großinsolvenzen 13 Autozulieferer, 11 Metallwarenhersteller sowie acht Immobilienunternehmen.