Der Eklat im Weißen Haus am Freitag hat im politischen Berlin zu einer Welle von Solidaritätsbekundungen für die Ukraine geführt – und die Dringlichkeit eines abgestimmten weiteren Vorgehens in den Vordergrund gestellt. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ rief Bundeskanzler Olaf Scholz noch am Freitagabend CDU-Chef Friedrich Merz an, um mit ihm über die Folgen des hitzigen Gesprächs zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters ging es in dem Telefonat auch um das am Sonntag in London geplante Treffen europäischer Spitzenvertreter, an dem auch Scholz teilnehmen wollte.
Die CDU forderte nach der Eskalation die Einbindung des voraussichtlichen künftigen Bundeskanzlers Merz bei außenpolitischen Terminen. Scholz solle „Merz ab sofort zu allen internationalen Treffen mitnehmen und einbinden, wie Merkel es mit ihm nach der Wahl 2021 machte“, sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter der „Bild“. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach der Wahl 2021 ihren Amtsnachfolger Scholz zum G-20-Gipfeltreffen in Rom mitgebracht.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies diesen Vergleich am Mittwoch zurück: Merkel und Scholz hätten gemeinsam, aber in unterschiedlichen Rollen an dem Gipfel teilgenommen: Sie als noch amtierende Kanzlerin und Scholz als ihr Finanzminister und designierter Nachfolger. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ hieß es nun aber aus dem Kanzleramt, dass die dramatische Lage alles geändert habe. Merz müsse enger eingebunden werden, als es üblich sei. Was das genau bedeutet, blieb zunächst offen.
Habeck will drei Milliarden Euro für Kiew freigeben
Kiesewetter sagte, dass auch Deutschland in einer ernsten Krise sei. Die Attacken von Trump und US-Vizepräsident JD Vance zeigten, „dass Donald Trump die Seiten gewechselt hat“. „Die Attacke wirkt fast geplant, um diesen Wechsel der US-Bevölkerung zu ‚verkaufen‘. Die USA sind somit kein Partner mehr“, so Kiesewetter zur „Bild“.
Vizekanzler Robert Habeck forderte schnell weitere militärische Unterstützung für Kiew. Zuletzt gab es in der Bundesregierung Streit über zusätzliche drei Milliarden Euro für Waffenhilfe an die Ukraine. Unter anderem die Grünen warfen Scholz vor, dieses Paket zu blockieren. Dieses Geld müsse nun als Erstes freigegeben werden, damit die Ukraine unter anderem Flugabwehr bestellen könne, sagte Habeck dem „Spiegel“. „Sie muss Menschenleben schützen können. Hier sollte es keine Verzögerung mehr geben. Die neue SPD-Führung sollte da ihre Haltung ändern.“
Die Ko-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, warf Merz vor, die Unterstützung für die Ukraine zu verzögern. „Es macht mich wütend, dass Friedrich Merz nicht bereit war, rechtzeitig zu handeln“, sagte sie dem „Spiegel“. „Was soll eigentlich noch passieren, dass Friedrich Merz die Zeichen der Zeit erkennt?“ Sie verstehe nicht, warum noch kein konkreter Vorschlag von Merz vorliege.
Die Grünen hatten sich dafür ausgesprochen, die Schuldenbremse im Grundgesetz noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages zu reformieren. Im alten Bundestag haben CDU/CSU, SPD und Grüne eine Zwei-Drittel-Mehrheit, wie sie für Verfassungsänderungen nötig ist. Im neuen Parlament käme eine Zwei-Drittel-Mehrheit nur noch mit Stimmen der Linken oder der AfD zustande. „Es ist doch klar, dass wir nicht nur der Bundeswehr und der Ukraine helfen können und zugleich im Land Brücken und Schulen unsaniert lassen“, sagte Brantner.
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth sagte, dass nun als Zwischenschritt ohne langes Hin und Her ein Sondervermögen aufgesetzt werden müsse. Danach müsse über die Schuldenbremse geredet werden, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Noch wichtiger sei es, in Europa einen gemeinsamen Finanzierungsmechanismus zu finden. Vorbild könne der Corona-Fonds sein, mit dem die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abgefedert wurden.