Wie soll Deutschland die Aufrüstung finanzieren?

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Hohe Verteidigungsausgaben sind in der Geschichte der Bundesrepublik keine Seltenheit, sondern waren während des Kalten Kriegs der Normalfall. Im Gefolge des Koreakriegs und zur Abschreckung vor der Sowjetunion erlaubten die westlichen Alliierten der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren die Wiederbewaffnung. 1955 wurden die ersten Soldaten der neuen Bundeswehr vereidigt. Die Regierung investierte in die Verteidigung. In den 1950er- und 1960er- Jahren gab sie durchschnittlich 3,8 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus. Das ist in etwa das Niveau, das derzeit in der Politik genannt wird als Zielgröße für die kommenden Jahre.

Wie wurden die Aufrüstung in den 1950er-Jahren finanziert? Im Kern wurden Verteidigungslasten zur Stationierung ausländischer Truppen von 1956 an umgeschichtet in den Verteidigungsetat. Zu diesem Schluss kommen die Ökonomen Christoph Trebesch und Johannes Mar­zian vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel in einer historischen Studie über die Finanzierung von Aufrüstung.

Es war für Deutschland eine gute Zeit, die Wirtschaft lief rund, die Steuerquellen sprudelten, der Staat erzielte Überschüsse. Auch das machte es leicht, Starfighter und anderes Militärgerät zu kaufen. „Die Verteidigungsausgaben in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden im Wesentlichen aus den laufenden Einnahmen finanziert“, sagt Lars Feld vom Walter Eucken Institut in Freiburg.

Rückgang der staatlichen Defizitquote

Die Zeit der Staatsdefizite kam erst mit den 1970er-Jahren, infolge des ersten Ölpreisschocks und der nachfragepoli­tischen Versuche der Regierung, die Konjunktur anzuschieben. Die Militäraus­gaben be­trugen in den 1970er- und 1980er-Jahren im Schnitt recht gleichmäßig rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). „Der Anstieg der Verschuldung in den 1970ern hat nichts mit dem Verteidigungsausgaben zu tun“, sagt Feld und verweist auf die hohe Arbeits­losigkeit, die steigenden Sozialausgaben, Investitionen in Hochschulen und Infrastruktur.

Von 1982 an bemühte die Bundesregierung von Helmut Kohl (CDU) sich um eine Sanierung des überschuldeten Bundeshaushalts. Es war die Zeit kurz nach dem NATO-Doppelbeschluss mit der Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Westeuropa. Die Regierung kürzte auf der Ausgabenseite und setzte zugleich eine Steuerentlastung durch. Dennoch lagen die Verteidigungsausgaben bei drei Prozent des BIP und rutschten erst nach 1985 mit der beginnenden Entspannung zwischen Ost und West auf etwa 2,5 Prozent ab. Die staatliche Defizitquote ging spürbar zurück, 1989 wurde ein kleiner Überschuss erzielt.

In den folgenden Jahrzehnten genoss Deutschland nach dem Verfall der Sowjetunion die Friedensdividende. Die Regierung ließ die Militärausgaben fast bis auf ein Prozent des BIP sinken. Die Defizitquote in diesen Jahrzehnten ging mal hoch und mal runter. Ein direkter Zusammenhang der Verteidigung mit der Staatsverschuldung ist in dieser groben Betrachtung nicht erkennbar.

Ökonom Feld betont, dass die Landesverteidigung im Prinzip aus laufenden Einnahmen und nicht mit Schulden finanziert werden müsse. Anstatt eines Herumschraubens an der Schuldenbremse bringt er einen Steueraufschlag zur Finanzierung der Verteidigung ins Spiel, der bis zu zehn Jahre lang bestehen und mindestens 25 Milliarden bis 30 Milliarden Euro im Jahr erbringen könne.

Ist ein Sondervermögen die Lösung?

Eine Ausnahme vom Prinzip Steuer macht Feld: Kurzfristig drastisch höhere Ausgaben für die Verteidigung müssten nicht aus dem regulären Budget finanziert werden. Ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr wären eine Lösung, doch der Weg, es von der Zweidrittelmehrheit im alten Bundestag beschließen zu lassen, bereitet ihm Unbehagen. „Ein Sondervermögen noch schnell am neu gewählten Bundestag vorbei beschließen zu lassen, hilft der Glaubwürdigkeit der Politik nicht“, sagt Feld.

Die Kieler Ökonomen ziehen aus ihrer Studie den normativen Schluss, dass die kurzfristig gebotene Aufrüstung über Schulden zu finanzieren sei. Sie zeigen für die Jahre von 1870 bis 2020, dass in 113 Episoden der Aufrüstung die Regierungen nur sehr selten Ausgaben kürzten, meistens aber Steuern erhöhten oder Schulden aufnahmen. Sich zur Finanzierung der Aufrüstung primär oder exklusiv auf Ausgabenkürzungen zu verlassen, widerspreche der Geschichte, schreiben Trebesch und Marzian und verweisen auf die Erfahrung der 1930er-Jahre.

Die britische Regierung habe damals die Tragfähigkeit der Schulden und die Stabilität der Währung über die Kriegsgefahr gestellt. Während Nazideutschland aufrüstete, wich London erst 1937 vom ausgeglichen Staatshaushalt ab und nahm Schulden zur militärischen Ertüchtigung auf. Auf den Zweiten Weltkrieg war das Vereinigte Königreich so schlecht vorbereitet. Deutschland solle vermeiden, den schweren Fehler Großbritanniens aus den Dreißigerjahren zu wiederholen, schreiben die Ökonomen.