Gut fünf Monate nach der Wahl kann in Österreich eine Dreierkoalition aus Volkspartei (ÖVP) und Sozialdemokraten (SPÖ) sowie Liberalen (Neos) gebildet werden. Am Sonntag stimmten die Neos auf einer Mitgliederversammlung mit mehr als 94 Prozent für das Arbeitsprogramm und das Regierungspersonal, die in der vergangenen Woche vorgestellt worden waren. ÖVP und SPÖ hatten das zustimmende Votum zuvor in ihren Parteigremien herbeigeführt. Damit kann Bundespräsident Alexander Van der Bellen den ÖVP-Vorsitzenden Christian Stocker an diesem Montag zum Bundeskanzler ernennen und anschließend die Minister der sogenannten Zuckerlkoalition vereidigen.
Die Parteiführung der Neos hatte für eine Zustimmung geworben. Einzelne Mitglieder des Vorstands, die in der vergangenen Woche Vorbehalte gegen eine Regierungsbeteiligung geäußert hatten, meldeten sich am Wochenende nicht mehr zu Wort. Die Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, die für das Amt der Außenministerin vorgesehen ist, warb mit energischen und teilweise auch emotionalen Worten dafür, in die Regierung einzutreten.
Neos feiern einen «historischen Moment»
Meinl-Reisinger erinnerte an die Gründung der liberalen Partei vor erst 13 Jahren mit dem Ziel, die von jahrzehntelangen großen Koalitionen geprägte österreichische Politik zu erneuern. „Das ist ein historischer Moment für uns.“ Aus der Wahl im September 2024 war die rechte FPÖ als stärkste Kraft hervorgegangen, vor ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen. Ein erster Anlauf für eine ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition scheiterte Anfang Januar, als die Liberalen den Verhandlungstisch verließen.
Anschließend verhandelte die FPÖ mit der ÖVP, doch scheiterte auch dieser Koalitionsversuch. Jetzt sagte Meinl-Reisinger: „Ende Dezember, Anfang Jänner wäre nicht möglich gewesen, was jetzt möglich war. Bestimmte Akteure waren nicht so weit.“ Sie sprach auch davon, dass angesichts der Pläne der FPÖ mit ihrem Chef Herbert Kickl manche „in einen Abgrund geblickt“ hätten. Das habe auch in der ÖVP einige zur Besinnung gebracht.
Skeptiker verweisen auf Risiko als Juniorpartner
In der Aussprache meldeten sich auch Skeptiker zu Wort. Sie verwiesen auf das Risiko, Juniorpartner in einer Koalition zu sein, das sich beispielsweise am Schicksal der FDP in Deutschland zeige. Auch sei Skepsis bezüglich der Reformbereitschaft von ÖVP und SPÖ geboten. Für ein hartes Nein sprach sich aber nur ein Redner aus. Die große Mehrzahl der gut zwei Dutzend Redner warb für eine Regierungsbeteiligung. „Wenn die Verantwortung ruft, dann gibt es keine Ausreden,“ sagte Christoph Wiederkehr, der als Bildungsminister vorgesehen ist.